Es ist kurz vor neun Uhr morgens und in der Alemannenstraße in Kitzingen herrscht reges Treiben. Die Bringzeit für den Kindergarten ist gleich vorbei. Autos parken in zweiter Reihe und Kinder, dick eingepackt in bunte Anoraks und kleine Winterstiefel strömen an der Hand ihrer Eltern durch die Eingangstür. Drinnen warten neun Erzieherinnen auf sie – und ein Erzieher.
Während sich die Garderobe im Flur noch mit allerlei Mützen und Schals füllt, ist Dominik Held in der Pandabärengruppe mit den ersten Kindern beschäftigt. Der 25-Jährige ist einer von wenigen ausgebildeten Männern, die in Kitzingen als Erzieher in einem Kindergarten arbeiten. Er ist bereits seit sieben Uhr da und hat heute morgen schon aus Bilderbüchern vorgelesen, Windeln gewechselt und ein paar Tränen getrocknet. Seine Schützlinge sind zwischen zweieinhalb und sechs Jahren alt und schätzen ihn vor allem als Sportsmann. „Gehen wir gleich kickern?“, drängelt der fünfjährige Frederick seinen Erzieher.
Frauendomäne Kindergarten
Held hat den Beruf gewählt, weil er sich schon immer gerne um Kinder gekümmert hat. Seit Jahren trainiert er im Fußballverein eine Jugendgruppe. Da lag die Entscheidung nahe, nach der Schule eine Erzieherausbildung zu machen. In seiner Berufsschulklasse waren außer ihm noch fünf weitere Männer. „Gar keine schlechte Quote“, findet Held. Doch die Zahl der Erzieher, die nach der Ausbildung im Kleinkindbereich arbeiten, ist gering. Die meisten gehen in die Jugendhilfe. Im Landkreis Kitzingen, in dem es 68 Kindertagesstätten gibt, arbeiten neben Held nur zwei weitere ausgebildete Männer in Kitas.
Einer von ihnen ist Tihan Siftar, Leiter der St. Vinzenz-Kitagruppe Sonnenschein in der Kitzinger Siedlung. Der 34-jährige Siftar hat noch nie mit einem Mann zusammengearbeitet. „Ich würde mich gerne mal mit einem Kollegen austauschen“, sagt er. Zu seinem Beruf ist Siftar eher zufällig gekommen. „Ich hatte keinen richtigen Plan was ich machen möchte. Bei einem Schulpraktikum im Kindergarten habe ich dann gemerkt, dass mir das Spaß macht.“
Siftar glaubt, dass so wenig Männer in dem Bereich arbeiten, weil es „halt nicht so ein attraktiver Job ist.“ Die Ausbildung ist lang, sie dauert bis zu fünf Jahre. Nach Angaben von Uwe Bernd Ahrens, Pfarrer und zuständig für die evangelischen Kindergärten in Kitzingen, liegt das Einstiegsgehalt für Erzieher in der Region bei knapp unter 2000 Euro netto. Die Aufstiegschancen sind gering.
Ein weiterer Grund, warum sich so wenig Männer in den Kleinkindbereich trauen, ist laut Ahrens die weibliche Dominanz auf dem Gebiet. „Kindergärten sind Neuland für Männer, die tun sich schwer, in so eine Frauendomäne einzubrechen. Das ist so ähnlich wie bei Frauen in Aufsichtsräten.“
Dass die Betreuung von Kleinkindern kein rein weibliches Spezialgebiet ist, zeigt die tägliche Arbeit im Kindergarten. Sowohl Held als auch Siftar berichten von Kindern, die verstärkt Zeit mit ihnen verbringen wollen und gezielt auf sie zukommen. „Gerade für Kinder, die ohne Vater aufwachsen, kann ein männlicher Erzieher ein wichtiger Ansprechpartner sein“, sagt Held. Siftar glaubt, dass es den Kindern gut tut, wenn sie jemanden zum Toben haben. „Ich bin da schon unerschrockener als meine Kolleginnen.“
Keine blöden Sprüche
Beide sind es seit der Ausbildung gewohnt, im Kollegium stets der Hahn im Korb zu sein. „Manchmal glaube ich, dass die Besprechungen schneller gehen würden, wenn noch mehr Männer dabei wären. Aber vielleicht ist das auch nur ein Vorurteil von mir“, lacht Siftar. Die Chefin von Held, Marie-Luise Tischler-Nelson, schätzt an ihrem Kollegen den Ausgleich fürs Team: „Dominik diskutiert nicht lange rum, er arbeitet ganz unkompliziert“, sagt sie.
Blöde Sprüche wegen ihrer Berufswahl haben weder Held noch Siftar gehört. „Freunde und Familie akzeptieren meinen Job, die haben überhaupt kein Problem damit“, sagt Siftar. Held ist davon überzeugt, dass sich das Bild von männlichen Erziehern in der Gesellschaft langsam wandelt. „Ich habe das Gefühl, dass männliche Erzieher insgesamt nicht mehr so selten sind“, sagt er.
Pfarrer Ahrens würde das freuen, er sucht dringend nach männlichem Personal für seine Kindergärten. Doch: „Es gibt niemanden, den wir einstellen könnten.“ Deshalb behelfen sich die Kindergärten mit männlichen Praktikanten und Auszubildenden. Das Ziel ist, in jeder evangelischen Kita mindestens einen Mann zu haben. „Das ist nicht ganz einfach umzusetzen, aber zumindest vorübergehend bekommen wir es hin“, so Ahrens.