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Kitzingen: Mit vielen Bildern: Hier platzt gerade der Traum von Kleingärtnern – Schrebergarten-Anlage in Kitzingen wird plattgemacht

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Mit vielen Bildern: Hier platzt gerade der Traum von Kleingärtnern – Schrebergarten-Anlage in Kitzingen wird plattgemacht

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    Dem Untergang geweiht: Zwischen all den Trümmern und dem Müll in der Kitzinger Kleingartenkolonie blühen die Schneeglöckchen.
    Dem Untergang geweiht: Zwischen all den Trümmern und dem Müll in der Kitzinger Kleingartenkolonie blühen die Schneeglöckchen. Foto: Eike Lenz

    Nur einen Steinwurf vom Kitzinger Bahnhof entfernt beginnen die Alpen. Blauer Himmel, grüne Wiesen, hohe Berge – ein pralles Postkartenpanorama, gebannt als Puzzle auf einen großen Pappkarton, der jetzt in der Ecke einer verlassenen Holzhütte liegt. Der Horizont war hier, in der ehemaligen städtischen Kleingartenanlage, schon immer ziemlich begrenzt: Statt auf die Alpen blickte man auf den Bahndamm, das Fernweh hielt sich in Grenzen, und doch kam sich mancher wie im Paradies vor. Eine Oase, an der man im Frühling der Natur beim Erwachen zusehen und im Sommer der Hitze der Stadt entfliehen konnte.

    Die Kleingartenkolonie am Kitzinger Bahnhof wird gerade plattgemacht. Die Stadt braucht das Gelände, um die Parkplatzanlage für Bahnreisende zu erweitern.
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    Wild und ungeordnet ging es hier über Jahrzehnte zu. Große und kleine Bretterbuden waren von ihren Besitzern in die Landschaft gestreut worden, dazwischen Gewächshäuser und Gemüsebeete. Ein bisschen Kleingarten-Anarchie, die größtmöglichen Kontrast bot. An diesem Ort mischte sich das Unvereinbare: die Natur, das Wilde und Ungezähmte auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Inbegriff der Beherrschung, die Stadt. Dem schlecht bezahlten Bahnpersonal hatten die Gärten einst als Teil des Auskommens gedient.

    Aus dem Bergpanorama sind schon ein paar Teile herausgebrochen – Sinnbild des Verfalls.
    Aus dem Bergpanorama sind schon ein paar Teile herausgebrochen – Sinnbild des Verfalls. Foto: Eike Lenz

    Vor Jahren war diese teils undurchdringliche Welt schon einmal dem Untergang geweiht, weil sie der Zukunft im Wege stand. Jetzt gab es endgültig Gründe, die komplette Anlage plattzumachen. Die Stadt sieht den Bahnhof als Teil eines größeren Ganzen, das sich Fortschritt nennt. Anstelle der Gärten soll es bald mehr Parkplätze für Reisende geben. Im Stadtrat war man sich bei dem Thema allerdings nicht ganz grün.

    Auf einer wackligen Holzstiege geht es zum "Wellness-Hotel"

    Dort, wo die Planierraupen noch nicht ganze Arbeit geleistet und das Gelände zerklüftet haben, sprießen inmitten der aufgewühlten Landschaft auch jetzt die Schneeglöckchen. An einem lauen Vormittag kann man ein letztes Mal versuchen, den Zauber dieser Welt einzufangen, die Menschen auf 16 genau eingeteilten Parzellen ein Refugium gab. Man kann eine wacklige Holzstiege hochsteigen, vorbei an einem weißen Schild mit der Aufschrift "Wellness-Hotel", und das gesamte Gelände von einer kleinen Veranda aus überblicken.

    Letzter Blick zurück: Von einem der abbruchreifen Gartenlauben schaut man auf zerklüftetes Gelände.
    Letzter Blick zurück: Von einem der abbruchreifen Gartenlauben schaut man auf zerklüftetes Gelände. Foto: Eike Lenz

    Man findet sich in Holzhütten wieder, manche notdürftig zusammengeschustert, andere fachmännisch geplant und konstruiert. Es riecht nach Vergangenheit und Schimmel. Vorhänge verhüllen Fenster, die von grünem Firnis überzogen sind, man stolpert über bunte Teppiche – und in einer der Hütten über einen Kreuz-König, der hier einmal Teil eines abgekarteten Spiels war.

    Als wäre das alles nicht Drama genug, lugt ein paar Schritte weiter zwischen Kartons und Plastiktüten die Schlagzeile einer jahrzehntealten Bild-Zeitung hervor: "Schüsse, Schreie, Stille: Eine Familie wurde ermordet, und ein Feuerwehrmann hörte am Telefon zu."

    Das Spiel ist aus: Eine Spielkarte liegt in einem der Gartenhäuser, die wie viele andere abgerissen werden.
    Das Spiel ist aus: Eine Spielkarte liegt in einem der Gartenhäuser, die wie viele andere abgerissen werden. Foto: Eike Lenz

    Wenige Tage noch, dann wird diese heile Kleingartenwelt erloschen sein. Aber anderswo erwächst schon eine neue. Unter der Chiffre "Kleingartenanlage. In der Leisten" ist die Stadt gerade dabei, auf zweieinhalb Hektar bisherigem Acker- und Grünland Ersatz zu schaffen. Laut Bebauungsplan Nr. 111 sollen unterhalb des Gewerbegebiets Innopark gut 40 "klassische Kleingartenparzellen" entstehen, alle zwischen 150 und 250 Quadratmeter groß, ergänzt um Gemeinschaftsgärten und einzelne Beete, die man pachten kann.

    Größere Bauten werden dort nicht mehr erlaubt sein. Dafür soll es auf einer Fläche von 650 Quadratmetern Gemeinschaftsgebäude geben. Wildwuchs wie auf dem alten Gelände will die Verwaltung also von vornherein verhindern, und sie macht auch gleich klar, dass die neue Anlage keine Partymeile werden soll. Nächtliche Feiern wolle man unterbinden.

    Wenn die Türen in der alten Kleingartenkolonie am Bahnhof zugehen, öffnen sich an anderer Stelle neue.
    Wenn die Türen in der alten Kleingartenkolonie am Bahnhof zugehen, öffnen sich an anderer Stelle neue. Foto: Eike Lenz

    Nüchtern betrachtet, könnten die Gärten auch so zu einem neuen Sehnsuchtsort für geplagte Städter und passionierte Gärtner werden; und an Interessenten mangelt es dem Vernehmen nach nicht. Die Frage ist eher, ob die Natur an dieser Stelle genug hergibt, um alle Wünsche nach ein bisschen persönlichem Grün zu erfüllen.

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