Es war Anfang März 2020, als Donny Vox seine letzte richtige Show hatte. Seitdem ist der im Landkreis Kitzingen sehr beliebte Musiker, der auch häufig mit seiner Band "Donny Vox and the Space Brothers" auftritt, sozusagen arbeitslos. Ein paar kleinere Gigs mit reduzierten Zuschauerzahlen konnte er im vergangenen Sommer spielen und ab und zu im Internet auftreten. "Wenn die Leute sitzen und Abstand halten müssen, fehlt einfach die Atmosphäre", berichtet er. Um sich über Wasser zu halten, hat er eine Stelle als Hausmeister in der Horn'schen Spitalstiftung, einem Seniorenheim in Dettelbach, angenommen.
"Es ist kein Traumjob, aber ich arbeite gerne da", erzählt der 58-Jährige beim Rundgang durchs Haus. Glühbirnen wechseln statt Rock 'n' Roll. Knarzende Türen reparieren statt "Hotel California" von den Eagles. Donny Vox hat sich angepasst und sich mit der Situation arrangiert. "Die Bewohner im Seniorenheim sind so dankbar, wenn ich ihre Heizung entlüfte oder ihren Schrank repariere", sagt Vox. Neulich habe er den Rollstuhl einer Frau geölt. "Danach kam sie mir mit reichlich Tempo auf dem Flur entgegen und ich musste sagen: langsam, langsam, junge Frau." Alle seien sehr herzlich und dankbar im Seniorenheim.
Überlebenskünstler und Schweizer Taschenmesser
Wenn Vox von seiner Arbeit im Altenheim erzählt, funkeln seine Augen fast so sehr, wie bei Geschichten über die Musik und den Rock 'n' Roll – jene Kunst und Musikrichtung, die sein Leben geprägt haben. Aufgewachsen ist er in Pasadena, unweit von Los Angeles, einer Stadt, die für ihre Rock-Geschichte und die lebendige Szene bekannt ist. Mit elf Jahren begann er Gitarre zu spielen, mit 15 hatte er seine erste Band und mit 21 zog er aus, um auf Tour zu gehen. Als er ein Jahr später, an Heiligabend, zurückkam, öffnete eine fremde Familie die Tür seines Elternhauses. Seine Mutter und sein Vater hatten sich scheiden lassen und das Haus verkauft.

Doch Vox war ein Überlebenskünstler und eine Art Schweizer Taschenmesser zugleich. Später in seinem Leben arbeitete er unter anderem in einer Großküche, einem Kindergarten oder als Reinigungskraft. Also baute er sich ein neues Leben auf, das nicht nur aus Musik bestand. Mit einer Trockenbaufirma verdiente er gutes Geld. Nebenbei spielte er in Bands und wirkte in Filmen mit – Hollywood eben. Und er sammelte Oldtimer. 13 Stück besaß er. Als er nach Deutschland zog, tauschte er zwei davon gegen eine Gitarre ein. Den Rest verscherbelte er. "Als der neue Besitzer mit meinem Lieblingswagen davon fuhr, und ich nur 500 Dollar dafür bekommen hatte, tat es besonders weh", schwelgt der US-Amerikaner in Erinnerung.
Die besten 23 Jahren seines Lebens
Mit Ende 30 hatte es Vox nach Deutschland gezogen, wo sein Bruder Karaoke-Maschinen verkaufte. Nach einem Jahr in Heidelberg landete er in Kitzingen. "Anfangs wollte ich für ein halbes Jahr bleiben, vielleicht ein Jahr. Am Ende sind es 23 geworden, und es waren die besten 23 Jahre meines Lebens", beteuert er. Und das über 9000 Kilometer entfernt von Los Angeles. "Deutschland war so gut zu mir. Hier werden Musiker ganz anders wertgeschätzt, vielleicht, weil es nicht so ein Überangebot gibt wie in Los Angeles." Dabei hatte er in den USA durchaus Chancen, auch als Musiker den Durchbruch zu schaffen. Die Kontakte in die Szene waren da. Vox wuchs in einer Nachbarschaft mit den Van-Halen-Brüdern auf und hing mit ihnen ab. Er hatte Try-Outs mit Rod Stewart und Alanis Morissette und lehnte ein Angebot der Band von Tommy Lee ab.

Doch das Geschäft in den USA war damals eine Ellenbogengesellschaft. Um sich wirklich durchzusetzen, musste man auch mal anderen Künstlern etwas wegnehmen. Das entspräche nicht seinem Charakter, berichtet seine Freundin Claudia, mit der er in Würzburg in einer Wohnung lebt. "Er will die Menschen glücklich machen, seine Musik kommt von Herzen", erzählt sie. Vox hat eine treue Fanbase gefunden hier in Unterfranken. Zwischen Schweinfurt, wo Vox lange für die US-Army arbeitete, und Aschaffenburg hat er sich einen Ruf erarbeitet, der in Nicht-Corona-Jahren dafür sorgt, dass er zwei bis drei Auftritte pro Woche hat.
Wie beim Dunking oder beim Fallrückzieher
Doch aktuell fehlt ihm die Musik. Während des Gesprächs klimpert er immer wieder auf einer Gitarre herum. Wenn er von einem Song erzählt, nennt er diesen nicht nur, sondern spielt ihn an, obwohl seine Stimme mittlerweile etwas rostig klingt. "Das wird besser, wenn ich wieder mehr singen kann", erklärt er. Das sei wie bei einem Sportler, der lange nicht gespielt habe. Es dauere ein bisschen, bis dieser wieder zum Dunking oder zum Fallrückzieher ansetzen könne. Die Shows vor echtem Publikum fehlen ihm.
Beschäftigt man sich näher mit seinem Auftreten, bekommt man das Gefühl, die Leute mögen Donny Vox, weil er Musik fürs Volk spielt. Weil er nah dran ist an den Menschen, obwohl die Songs, die er spielt, teilweise 40 Jahre alt sind. Viele Musiker, die auf der Bühne stehen, werden bewundert. Doch diese Bewunderung erzeugt auch Distanz. Donny Vox ist ein Künstler, der eigentlich auch im Publikum stehen könnte. Genau wie er jetzt einen Job ausübt, der sehr alltäglich ist. Und es macht ihm nichts aus, dass er nun Glühbirnen austauscht, Heizungen entlüftet oder knarzende Türen repariert, statt vor Hunderten von Leuten zu spielen. Dieses Gefühl auf der Bühne kann auch die Dankbarkeit der Bewohner des Seniorenheims in Dettelbach nicht ersetzen.
