Ende 2021 lebten 92.396 Menschen im Landkreis Kitzingen. Die Einwohnerzahl steigt seit Jahren, was vor allem an der Zuwanderung liegt. Doch was zieht die Neuen in den Landkreis? Ist es der Arbeitsplatz oder der hohe Freizeitwert? Fünf zugezogene Familien berichten, was ihnen hier gefällt und was sich noch verbessern ließe.
1. Familie Kindler fühlt sich seit 2018 in Volkach wohl

Reutlingen, Düsseldorf (sie), Schweinfurt (er), Shanghai, Volkach – das sind die Stationen von Familie Kindler, die seit Oktober 2018 in Volkach lebt. Karin Kindler (41), die aus dem Main-Tauber-Kreis kommt, lernte ihren Mann Fabian (42), der aus Sigmaringen stammt, beim Betriebswirtschaftsstudium in Reutlingen kennen. Nach einem Aufenthalt in China, wollten sie zurück nach Deutschland. Die erste Station war Kürnach, die Empfehlung von einem seiner Kollegen. "Als wir aus Shanghai zurückgekommen sind, mussten wir erst schauen, ob das Landleben für uns taugt", sagt Kindler, der als Produktmanager bei ZF in Schweinfurt arbeitet. Sie ist Produktmanagerin in der Reisebranche, arbeitet im Homeoffice. Tochter Laura (11) und Sohn Henri (9) machen die Familie komplett.
Karin Kindler: "Nach unserem Aufenthalt im Ausland wollten wir keine getrennten Wohnsitze mehr. Da ich in Elternzeit war, gab ich meinen Wohnsitz in Düsseldorf auf und zog in die Nähe. Auch weil meine Eltern nicht weit weg wohnen. Von China aus schauten wir nach Wohnungen und Häusern im Raum Würzburg/Schweinfurt, weil mein Mann in Schweinfurt arbeitet."
Fabian Kindler: "In Kürnach wohnten wir zur Miete. Bauplätze und Häuser waren in Würzburg und Kürnach schwer zu haben und teuer. Also haben wir den Suchradius ausgeweitet und sind schnell auf Volkach gestoßen."
Karin Kindler: "Ich finde es schön, dass es in Volkach viele Touristen gibt. Das hat uns von Anfang an gefallen. Hier gibt es einen Marktplatz, auf dem etwas los ist. Da sitzen am Wochenende Leute, trinken einen Schoppen. Es ist ein bisschen wie eine italienische Piazza.
Wir beide sind in einer ländlichen Region mit Freiheiten und einem großen Sicherheitsgefühl aufgewachsen. Das haben wir auch für unsere Kinder gesucht. Laura und Henri können hier zu Fuß nach Hause, zum Bus, ins Bad. Auch wenn es dunkel ist, ist das kein Problem. Sie haben hier viele Freiheiten, die Kinder in Großstädten nicht haben. Das sagen auch Freunde aus München und Berlin. Hier ist heile Welt."
Fabian Kindler: "Als Minuspunkte sehe ich den Nahverkehr und das gastronomische Angebot. Auch wenn sich der letzte Punkt in Volkach seltsam anhört. Es ist groß, aber auch einseitig: Schäufele, Pizza, Döner. Es ist verständlicherweise auf das Publikum, die Touristen, ausgelegt. Die Restaurants bieten alle typisch fränkisches Essen an. Irgendwann ist das ausgereizt. Aber Würzburg und Schweinfurt sind nicht weit. Dort sind wir am Wochenende häufig, um ein bisschen städtisches Flair zu haben.
Der öffentliche Nahverkehr ist das andere Problem. Wenn es eine Zuganbindung gäbe, dann wäre es einfacher zum Essen nach Würzburg zu fahren. Als wir uns hier nach dem Bauplatz umschauten, wurden in Gesprächen immer zwei Sachen gesagt: Bald kommt eine Zuganbindung und das Freibad wird generalsaniert. Jetzt sind wir vier Jahre hier und beides wird jährlich verschoben. Dabei waren das zwei Punkte, die uns gut gefallen haben. Ich finde es schade, dass sich das jetzt so zieht."
2. Adelheid Rasche ist im Frühjahr 2022 nach Iphofen gezogen

Den ersten Kontakt mit dem Landkreis hatte Adelheid Rasche (59) vor etwa neun Jahren. Auf dem Weg zu einer Hochzeit in der Pfalz übernachtete sie mit ihrem Partner in Sommerach. Schon damals hat ihr als begeisterter Radfahrerin der Mainradweg gefallen und die intakte Natur. Seit Frühjahr 2022 lebt die promovierte Kunsthistorikerin, die als Sammlungsleiterin im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg arbeitet, in Iphofen. Die gebürtige Salzburgerin wohnte 29 Jahre in Berlin, ist gekommen, um zu bleiben.
Adelheid Rasche: "Vor sechs Jahren kam ich nach Nürnberg. Schnell war klar, dass ich aus der Stadt raus möchte und wir sind in Sternfahrten rund um Nürnberg gefahren. Die Entscheidung für Unterfranken fiel rasch und ruckzuck ist es Iphofen geworden.
Nach vielen Jahren in Großstädten hatte ich den Wunsch, wieder mehr mit der Natur zu leben. Einer der Pluspunkte im Landkreis ist der Übergang der unterschiedlichen Landschaften. Ich mag diesen Wechsel zwischen Steigerwald und Maintal,das finde ich sehr bestechend. Je nach Jahreszeit oder eigener Lust kann man sich beim Fahrradfahren oder Wandern in die eine oder andere Richtung begeben. Besonders der Schwanberg, ein keltischer heiliger Berg, hat bis heute eine wahnsinnige Anziehungskraft. Wenn es möglich ist, fahre ich jeden Tag in die Weinberge.
Mir gefällt auch das Engagement der Menschen hier. Ich würde mir wünschen, dass alle, die zuziehen, sich beteiligen und nicht nur hier schlafen. Die Iphöfer sind ein offener Menschenschlag. Viele sagen, dass die Franken verschlossen sind – das erlebe ich anders. Auch deswegen möchte ich hier dauerhaft zu Hause sein.
Das öffentliche Verkehrsnetz ist gut. Ich habe kein Auto und versuche, ohne auszukommen. Mir gefällt die starke Fixierung vieler Menschen aufs Auto nicht. Manche können sich nicht vorstellen, von der Altstadt zum Bahnhof zu Fuß zu gehen. Da muss ein Umdenken kommen und die Bereitschaft, sorgsamer mit der eigenen Zeit umzugehen. Und auch ein noch besseres Angebot im Nahverkehr gehört dazu.
Für mich ein großer Pluspunkt im Landkreis: die regionale Versorgung mit natürlichen Lebensmitteln. Ich bin großer Hofladenfan."
3. Familie Meyer wohnt seit 2018 in ihrem Traumhaus in Wiesentheid

Maike Meyer (35) und ihr Mann Thomas (38) kennen das Leben auf dem Land. Ihr Heimatort Dewangen (Ostalbkreis) hat etwa 3000 Einwohner. Seit August 2018 lebt die Familie, zu der noch die Töchter Marlen (5) und Elise (3) gehören, in Wiesentheid. "Jetzt leben wir immerhin in einem Markt", sagt die Lehrerin, die am Kitzinger Armin-Knab-Gymnasium unterrichtet. Ein weiterer Vorteil der neuen Heimat: Hier wird mehr Wein getrunken.
Maike Meyer: "Ich habe in Würzburg Lehramt studiert. Mein Mann kam nach dem Studium und machte sich in Würzburg selbstständig. Und da Lehramt Ländersache ist, war schnell klar, dass wir nicht mehr in die alte Heimat gehen. Dass es der Landkreis Kitzingen wurde, war Zufall. Wiesentheid kannten wir nicht. Das Haus in einer Immobilienanzeige hat uns so sehr gefallen, dass wir hierher gezogen sind. Die Wiesentheider haben uns nett aufgenommen und durch die Kinder lernten wir schnell Leute kennen
Wir wohnen im Altort. Da gibt es Lokale und die Eisdiele. Einkaufsmöglichkeiten haben wir auch vor Ort. Der Kindergarten ist zu Fuß erreichbar, ebenso die Turnhallen und die Musikschule. Wir finden die Größe von Wiesentheid optimal. Auch die Entfernung nach Würzburg ist noch machbar.
In Wiesentheid brauchen wir kein Auto. Wir pendeln aber beide. Wenn wir etwas ändern könnten, wäre es eine bessere Anbindung an Würzburg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Am besten wäre eine Zugverbindung. Bei der Steigerwaldbahn bin ich skeptisch, aber vielleicht wird's ja doch noch was.
Wir bereuen unseren Umzug nicht und sehen hier viele Vorteile. Wir wollten gerne ins Ländliche, aber stadtnah. Also das, was jeder will. Wenn jetzt noch die Zugverbindung stimmen würde, dann wär's perfekt."
4. Familie Baumann lebt seit 2021 im 100-Einwohner-Dorf Ebersbrunn

Familie Baumann ist im Frühjahr 2021 in den Landkreis gezogen. Ursprünglich kommt sie aus Bad Dürkheim und war jahrelang auf der Suche nach einem Bauernhof. Des Suchens müde, bauten die Baumanns im badischen Schönfeld (Main-Tauber-Kreis) ein neues Einfamilienhaus. 2020 wurde ihr Traum doch noch war: Sie kauften ein landwirtschaftliches Anwesen im Geiselwinder Ortsteil Ebersbrunn – und das dazugehörende Gasthaus. Die 42-jährige Susanne Baumann belebte als Hotelfachfrau das Gastwirtschaft Zum Hirschen wieder. Ihr Mann Ralf (48) arbeitet im Außendienst. Tochter Mira (10) geht in Geiselwind zur Schule. Mittlerweile sind auch Susanne Baumanns Eltern in den Landkreis gezogen, ebenfalls nach Ebersbrunn.
Susanne Baumann: "Ebersbrunn ist ein besonderes Örtchen, besonders die Menschen. Der Zusammenhalt ist super. So haben wir uns das gar nicht vorgestellt. Wir hatten am Anfang Bedenken, in so ein kleines Dorf zu ziehen und fragten uns, ob es da auch Kinder gibt. Aber es gibt hier viele junge Leute und viele Kinder. Wir waren positiv überrascht. Bei 100 Leuten kennt jeder jeden und jeder hilft auch jedem. Das ist hier eine Selbstverständlichkeit. Die Leute meinen es ernst, wenn sie fragen: Kann ich helfen?
In Ebersbrunn gibt es tatsächlich nichts zu bemängeln. Manchmal ist sogar der fehlende Handyempfang schön. Mira hat jetzt ihr eigenes Pferd und schnell Freunde und Anschluss gefunden. Sie liebt Tiere und das Leben draußen und ist gerne bei den Nachbarn und den Kühen. Wir lieben diesen kleinen Ort."
5. Familie Nilsson ist seit 2019 in Wiesentheid zu Hause

Seit 20 Jahren leben die Ukrainerin Natali und ihr Mann Lars, ein Schwede, in Deutschland, Kennengelernt haben sie sich als Studierende bei einem Sprachkurs in München. Nach Stationen in Regensburg und Nürnberg, leben die Betriebswirtin (40) und der Ingenieur (41) mit Tochter Leonora (5) seit 2019 in Wiesentheid. Sie arbeitet bei Knauf in Iphofen, er bei Leoni in Kitzingen. Nachdem sie sich Würzburg und mehrere Orte im Landkreis angeschaut hatten, entschieden sie sich, ein Haus in Wiesentheid zu kaufen. "Neuer Job, neue Gegend und ein neues Haus bauen. Das war uns dann doch zu viel", sagt Nilsson.
Natali Nilsson: "In Wiesentheid sind wir gelandet, weil wir es charmant fanden, mit dem Kind auf dem Land zu wohnen. Nürnberg kannten wir gut, in Würzburg fanden wir kein Haus. Es ist eine sehr familienfreundliche Gegend. In der Nachbarschaft leben viele Kinder. Kindergarten, Schulen, Turnhallen – alles ist fußläufig erreichbar.
In Nürnberg hatten wir eine Altstadtwohnung. Aber mit dem Kind wollten wir einen Garten, Ruhe, bessere Luft und keine Sirenen vom Nordklinikum mehr. Wenn uns Freunde aus der Stadt besuchen, sagen sie immer, wie ruhig es hier ist. Wir genießen das. In der Stadt ist man anonymer. Hier ist man sichtbarer, im Sinne von: Jeder weiß, dass das unser Kind ist. Mittlerweile gestalte ich einmal die Woche das Kinderturnen mit.
Die Natur, der Main, Iphofen, Volkach, wandern, radeln, Wein – für jedes Alter ist im Landkreis etwas geboten. Wir sind nach Deutschland gekommen, weil wir unruhige Seelen sind, im positiven Sinne. Wir wollten was erleben. Jetzt sind wir ruhiger geworden. Es ist schön, auch mal im Garten zu sein.

Die Schwierigkeit in Wiesentheid ist die öffentliche Anbindung. Vor allem wenn ich daran denke, dass die Kinder größer werden. Wir hatten zwei Au-pair-Mädchen. Für sie war es schwer, am Wochenende ohne Auto aus Wiesentheid herauszukommen, sogar nach Kitzingen. Man ist doch stark aufs Auto angewiesen. Sichere Fahrradwege, auch um mit dem E-Bike in die Arbeit zu fahren, gibt es noch zu wenige. Aber das sind allgemein bekannte Probleme. Sonst haben wir nicht viel zu meckern. Wir fühlen uns sehr wohl, es gibt liebe Menschen und es wird viel geboten.
Ein herzliches Dankeschön möchte ich allen Wiesentheidern dafür aussprechen, dass sie sich so emphatisch und hilfsbereit gegenüber den ukrainischen Flüchtlingen gezeigt haben. Sie schätzen das enorm."