Verkehrte Welt: In Winterhausen (Lkr. Würzburg) kommen hunderte Menschen zu einem Benefizkonzert für Bäcker Andreas Rother, der seine Bäckerei aus finanziellen Gründen schließt; in Albertshofen möchte Bäcker Wolfgang Reuchlein gerne weitermachen, doch sein Pachtvertrag läuft zum Jahresende aus. Und darum schreibt der 60-Jährige auf Facebook unter ein Bild vom Artikel über die Winterhäuser Benefizaktion: "Da können sich die Albertshöfer ein Beispiel dran nehmen. In zwei Monaten haben sie auch keinen Bäcker mehr."

Doch so einfach, wie diese beiden Sätze es suggerieren, ist die Lage in Albertshofen nicht. Und beim persönlichen Gespräch rudert Wolfgang Reuchlein schnell zurück: "Nein, die Albertshöfer sind natürlich nicht schuld." Vielmehr vermisse er die Unterstützung seitens des Gemeinderats und des Bürgermeisters. Horst Reuther weiß um die Lage und sagt seinerseits, er wolle den Bäcker natürlich gerne im Ort halten, "aber mehr als fragen und verhandeln kann ich nicht". Seine Gemeinderatsmitglieder und er wüssten Bescheid und hörten sich um, aber in Albertshofen gebe es "leider nicht allzu viele Möglichkeiten mit Platz für eine Backstube".
Reuchlein betont seinerseits zwar das gute Verhältnis zur Gemeinde, hätte sich aber konkrete Vorschläge von deren Seite gewünscht. Denn, sagt der Bäcker- und Konditormeister: In Albertshofen zu bleiben, sei für ihn die beste Lösung.
Erbengemeinschaft will das Haus mit der Bäckerei verkaufen
Das Haus, das er gepachtet hat und in dem er direkt über der Backstube eine schöne Wohnung habe, gehört Reuchlein zufolge seit 2018 einer Erbengemeinschaft. Und diese wolle das Haus nun verkaufen und habe wohl andere Preisvorstellungen als er. Zuvor war das Gebäude im Besitz von Ottmar Höhn, dessen Name draußen noch immer das große Schild "Bäckerei Höhn" ziert. Doch bereits seit 2000 verkauft Wolfgang Reuchlein hier seine Brote und Eierringe, seit 2012 werden sie hier auch gebacken. Zuvor hatte er seine Backstube in Rödelsee, wo er seit gut drei Jahren den Dorfladen betreibt.

Und Rödelsee würde ihn mit offenen Armen empfangen, wie Bürgermeister Burkhard Klein im Gespräch sagt. Zudem schreibt der auf Facebook über den Dorfladen: "Der Gemeinderat hat gestern einstimmig beschlossen, den Betrieb weiterhin finanziell mit jährlich 30.000 Euro zu unterstützen. Und wenn der Backbetrieb in den Dorfladen einziehen möchte, haben wir auch einstimmig Ja gesagt."
Frische Brötchen sind elementar für den Dorfladen Rödelsee

Mit diesem Eintrag gratuliert Klein dem Dorfladen zu dessen 27-jährigem Bestehen. Und betont auf Nachfrage, dass dessen Existenz vom Backbetrieb in Albertshofen "völlig unabhängig "sei. Gleichwohl weiß der Bürgermeister, wie wichtig der Verkauf von frischen Brötchen grundsätzlich für den Dorfladen ist: "Ohne Backwaren rentiert es sich überhaupt nicht", sagt er über das Geschäft, das sich auch ohne den Zuschuss der Gemeinde nicht halten würde. Um dessen Zukunft macht er sich aber ebenso wenig Sorgen wie um die von Wolfgang Reuchlein: "Er wird irgendwo aufgenommen werden; da bin ich mir sicher."
Aber was ist mit den frischen Brötchen für Albertshofen? Für den Ort gibt Claus Grammetbauer Entwarnung: Der Bäcker mit Stammsitz in Uffenheim möchte seine Filiale in Albertshofen "so bald wie möglich" wieder täglich öffnen, nicht nur samstags wie seit längerem. "Aber wir wissen nicht, wann es klappt", sagt Grammetbauer mit Blick auf Krankheitsausfälle und eine dünne Personaldecke.
Wo wird Wolfgang Reuchlein ab Neujahr sein Brot backen?

Ein Umzug der Backstube Reuchleins in die Grammetbauer-Filiale sei keine Option, bestätigen beide Bäcker, da die Vermieterin das nicht wolle. So wird es noch eine Weile offen bleiben, wo Wolfgang Reuchlein ab Neujahr sein Brot backt. Als ein Kunde seinen Laden betritt, fragt der sofort, ob das Gerücht vom Ende stimme. Und: "An Silvester bist Du aber schon noch da, oder?"

Der Bäckermeister reagiert gelassen und sagt zu, dass es auch am letzten Tag des Jahres noch Hörnchen gebe. Der Rückhalt Rödelsees trägt zu Reuchleins Optimismus bei; das ist ihm anzumerken: "Die Gemeinde trifft da eine ganz klare Aussage und steht hinter mir. Die sind froh, einen Bäcker im Ort zu haben." Dennoch wäre eine Option in Albertshofen seine erste Wahl.

Trotz eines überstandenen Herzinfarkts blickt der 60-Jährige mit Tatendrang in die Zukunft: "Ich mache noch zehn Jahre, wenn es meine Gesundheit zulässt." Neben der Zukunftsfrage machen ihm zwar die hohen Kosten für Energie und Rohstoffe zu schaffen und er spricht von schrumpfenden Rücklagen. Doch Wolfgang Reuchlein ist überzeugt: "Es kommen auch wieder bessere Zeiten."