Umdenken – das ist gerade eine der Hauptbeschäftigungen von Christoph Engert. Er muss sich damit auseinandersetzen, wie das ist, wenn alles, was bisher galt, auf einmal nicht mehr gilt. Wie auf eine veränderte Weltlage reagieren? Wie den Zivilschutz wieder in den Mittelpunkt rücken? Wie auf alles vorbereitet sein? Was heißt das für den Landkreis Kitzingen, wenn der Verteidigungsfall eintritt und die NATO zur Kriegspartei wird?
Das alles zu durchdenken und entsprechende Pläne zu entwickeln ist Aufgabe von Christoph Engert. Der Kitzinger Kreisvorsitzende der Reservistenkameradschaft ist so etwas wie ein Bindeglied zwischen der Bundeswehr und dem Landratsamt. Einen Namen gibt es dafür auch: Krisenverbindungskommando Kitzingen. In jedem der 96 Landkreise in Bayern gibt es ein solches Kommando. Diese wiederum sind drei übergeordneten Regionalstäben unterstellt. Für Nordbayern ist der Stab im mittelfränkischen Roth angesiedelt.
Bundeswehr und Landratsamt Kitzingen sollen sich verzahnen
Für Reservist Engert geht es darum, die Bundeswehr mit dem Kitzinger Landratsamt zu verzahnen. Dort hat er mit Jürgen Link, dem obersten Katastrophenschützer im Landkreis, einen direkten Ansprechpartner. Beide werden nun nach und nach umsetzen, was in einem neu aufgestellten "Operationsplan Deutschland" aufgelistet ist. Eine Reaktion auf die vielen Krisen, den nicht enden wollenden Krieg in der Ukraine und die latente Kriegsgefahr.
Inhaltlich sei noch gar nicht so viel bekannt, gaben Engert und Link jetzt bei der Dienstbesprechung aller Bürgermeister im Landkreis zu. Eine Einschätzung, was da auf alle Beteiligten zukommen könnte und wie die geplante Verzahnung gelingen soll, gaben sie dennoch.

Der Reservist und der Katastrophenschützer ermutigten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, weiter an den Blackout-Plänen für ihre Städte und Gemeinden zu arbeiten. So sollte es – für Stromausfälle – unbedingt einen zentralen Treffpunkt wie das Feuerwehrgerätehaus geben. Auch müsse die 14-tägige Bevorratung mit Lebensmitteln wieder in den Mittelpunkt rücken.
Zivilschutz rückt wieder in den Mittelpunkt
In erster Linie müsse aber der Zivilschutz wieder einen Stellenwert bekommen. Nach Jahrzehnten des Abbaus und der Vernachlässigung müsse nun schnell gehandelt werden, sagen Link und Engert. Wenn beispielsweise die Soldaten an eine mögliche Ostfront ausrücken – wer hält dann in Volkach die Kaserne in Betrieb?
Nachgedacht werden muss wohl auch darüber, ob nicht mehr Übungsflächen gebraucht werden. Hier könnten die noch übriggebliebenen Konversionsflächen in Kitzingen wichtig werden. In Teilen des Klosterforstes etwa übten einst die US-Streitkräfte. Es ist noch gar nicht so lange her, dass dort Schilder mit der Aufschrift "Betreten auf eigene Gefahr" standen. In dem Wald gab es Tanklager, einen Schießplatz und ein Phantom-Dorf. Ausgeschlossen ist nicht mehr, dass künftig die Bundeswehr dort Manöver abhält.

Klar wurde bei der Besprechung auch: Bei einem Kriegseintritt der NATO wäre Deutschland ein Drehkreuz für die Logistik. Dann könnte es sein, dass täglich 200 Fahrzeuge mit rund 800 Personen in der Bundeswehrkaserne in Volkach Station machen auf ihrem Weg nach Osten. Doch was, wenn die Volkacher Soldaten selbst unterwegs im Einsatz sind? Und es könnte neue Flüchtlingsströme geben. Beispiele, die zeigen: Hier muss die zivile Verteidigung einspringen.
Oberster Katastrophenschützer im Landkreis: "Gefährdungslage hat zugenommen"
Das klingt einerseits weit weg – könnte aber bald schon Realität werden, sagt Link: "Die Gefährdungslage hat zugenommen." Schon jetzt sorgten Fake News für Verunsicherung, es gebe viele Fälle von Sabotage-Verdacht, verdeutlichte Engert. Wie hilflos man mitunter sei, zeigten gerade die Fälle von möglichen Spionage-Drohnen über Militärgebiet: Womit schießt man die ab, wenn sie entdeckt werden? Und ist das rechtlich überhaupt erlaubt? Zwei Fragen, auf die es gerade keine Antwort gebe, schilderte Engert aus der Praxis eines von vielen Dilemmas.
Dass spätestens mit dem Krieg in der Ukraine "die Welt eine andere" geworden ist, sei bei den Menschen "im Alltag nicht angekommen". Man dürfe "keine Panik" verbreiten, müsse sich aber sehr wohl mit möglichen drohenden Szenarien auseinandersetzen. Es gehe darum, "die Bevölkerung zu sensibilisieren", um nicht irgendwann "vor vollendeten Tatsachen" zu stehen.