Echte Begeisterung sieht anders aus, und doch hat sich der Iphöfer Stadtrat jetzt entschieden, gemeinsam mit der Stadt Dettelbach ein Projekt ins Rollen zu bringen, das in seiner Art Pilotcharakter im Landkreis Kitzingen hat: den Einstieg ins E-Carsharing. Hinter dem Vorhaben verbirgt sich der rühmliche Gedanke, einen kleinen Beitrag zu großen weltumspannenden Umbrüchen zu leisten und sich mit anderen ein Auto zu teilen, das im besten Fall noch elektrisch und klimaneutral angetrieben wird.
Das finanzielle Risiko ist gering, Touristen wie Einheimische könnten profitieren, und irgendwo muss man ja auch als Kommune mal anfangen beim Klimaschutz. Es waren eher diese pragmatischen Aspekte als echte Leidenschaft, die den Iphöfer Stadtrat am Montagabend dazu bewog, mehrheitlich die Hand für die Sache zu heben. Und auch aus dem Dettelbacher Rat kam nur kurze Zeit später der Impuls: Wir sind dabei!

Von einem „Leuchtturmprojekt“ für den Landkreis war rasch die Rede. Rainer Kleedörfer ist an diesem schneeverwehten Abend zwischen beiden Zielorten gependelt – und dürfte Mühe gehabt haben, das Leuchtfeuer zu entdecken. In Iphofen loderte es so schwach, dass der Leiter Unternehmensentwicklung beim Nürnberger Energieversorger N-Ergie durchaus die Orientierung hätte verlieren können. Aus vielen Beiträgen sprachen Skepsis und Bedenken, die gemeinsame Klammer setzte der für grüne Ideen stets zu habende Iphöfer CSU-Stadtrat Matthias Schuhmann. Selbst er entdeckte „viele Fragezeichen in unseren Augen“. Der Weg sei beschwerlich. Aber: „Wenn nicht wir vorangehen, wer dann? Wir sollten es probieren.“
Ein Anbieter, der bereit ist für das flache Land
Es probieren – wenn schon andere Argumente nicht zündeten, so war es zumindest dieser Funke, der übersprang. Dabei hatte Kleedörfer in seinem Impulsvortrag nichts unversucht gelassen, Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Das Angebot, sich ein Auto zu teilen, sei schon deswegen sinnvoll, weil ein Pkw im Durchschnitt nur 45 Minuten täglich genutzt werde. „Es müsste nicht Fahrzeug, sondern Stehzeug heißen.“ Die Ladeinfrastruktur werde immer besser, die Reichweite der Autos immer größer, und die Zahl der potenziellen Nutzer wachse stetig. Mit book-n-drive habe die N-Ergie einen Anbieter gefunden, der bereit sei, E-Carsharing auch abseits der großen Städte voranzubringen. Das Wiesbadener Unternehmen, zum Teil in kommunaler Hand, stellt das Elektroauto (Renault Zoe) und wird Vertragspartner des jeweiligen Nutzers.

Was Aufbau und Betrieb der Ladepunkte angeht, kooperiert die N-Ergie mit regionalen Stadtwerken, in diesem Fall mit dem Kitzinger Versorger LKW. Die Kommune stellt eine Fläche – Iphofen den Parkplatz am Einersheimer Tor, Dettelbach den Platz vor der Stadtverwaltung – und schließt einen Vertrag mit dem Anbieter über fünf Jahre. Was daraus im schlimmsten Fall erwachsen kann, skizzierte Rainer Kleedörfer so: „Wenn das Auto über die ganze Zeit nur steht, teilen sich N-Ergie, Kommune und LKW das Defizit.“
Einige Tausend Euro kämen dabei im Extremfall auf jeden der drei Partner zu – ein überschaubares Risiko. Den Preis für den Nutzer machte Kleedörfer an einem Beispiel deutlich: Für eine zweistündige Fahrt und 30 Kilometer Fahrleistung liegen die Kosten bei durchschnittlich 9,60 Euro in der Stunde.
In Dettelbach könnte es auch "Dienstfahrten" geben
Was hat Iphofen davon? Diese Frage stellte man sich auch beim städtischen Tourismusbüro, wie dessen Leiterin Claudia Bellanti sagte. Ihre Antwort: „Es ist ein neues Mobilitätsangebot, nicht nur für Gäste, sondern auch für Einheimische.“ Bahnreisende könnten das Auto in Iphofen übernehmen und damit bequem Ziele ansteuern, die im öffentlichen Nahverkehr nur schwer erreichbar sein. „Sie hätten vor Ort ein Stück Freiheit mehr, könnten zum Beispiel die Mainschleife auf- und abfahren“, so Bellanti.
In Dettelbach gehen die Gedanken in die gleiche Richtung. Wenn Touristen einen Ausflug nach Volkach planen - warum nicht mit dem E-Car? Auch für die Bewohner der Dettelbacher Altstadt könnte die neue Art der Mobilität Sinn machen. Falls das Auto wider Erwarten doch nicht genutzt werde, könnte es auch „mit Dienstfahrten aufgefangen werden“, sagt Bürgermeister Matthias Bielek.

An Ideen mangelt es also nicht, dafür an der Vorstellung, wie das in der Praxis aussehen könnte. Iphofens Dritter Bürgermeister Jörg Schanow verwies darauf, dass bisher „nicht so viele Carsharing-Modelle erfolgreich“ gewesen seien. In Volkach wurde im vorigen Jahr eine 2016 gestartete private Carsharing-Initiative beendet (siehe Info-Kasten). Im April 2019 preschte ein Autohaus aus dem Würzburger Umland im Volkacher Stadtrat mit der Idee vor, ein Mietauto am alten Bahnhof zu stationieren. In ein konkretes Projekt ist das bisher nicht gemündet. Weitere Versuche hat es im Landkreis nicht gegeben.
Wer setzt sich in Corona-Zeiten in ein benutztes Auto?
Für die Kommunen wäre die schwarze Null erreicht, würde das Auto 16 Stunden in der Woche von externen Dritten bewegt. Bei allem, was darüber liegt, beginnt die Gewinnzone. „16 Stunden pro Woche stelle ich mir schwierig vor“, sagte Jörg Schanow in Iphofen. Dazu müssten Fahrzeugübergabe, Einweisung und etwaige Schadensabwicklung geregelt werden. Das, so sagte N-Ergie-Sprecher Kleedörfer, sei Sache des Anbieters, der schon eine Flotte von rund 1300 Fahrzeugen, hauptsächlich im Rhein-Main-Gebiet, manage.
Der Nutzer müsse sich online nur einmal registrieren und werde über ein Video-Portal eingewiesen. Iphofens Stadtrat Otto Kolesch machte die Rechnung auf, dass sich Carsharing auf dem flachen Land nur mit Unterstützung von Kommunen oder Vereinen lohne, und warf die Frage auf: „Wer setzt sich in Corona-Zeiten in ein Auto, von dem er nicht weiß, wer es vor ihm benutzt hat?“ Eine berechtigte Frage, wie auch Kleedörfer zugab.
Trotz erheblicher Bedenken stimmte Iphofens Stadtrat mit großer Mehrheit für den Einstieg in das Projekt, das vor einem Jahr schon einmal diskutiert wurde – ergebnislos. „Die Zeit ist reif“, sagte Bürgermeister Dieter Lenzer. „Ich sehe Iphofen als Leuchtturm.“ Auch in Dettelbach stellte sich der wegen Corona in Notbesetzung versammelte Rat einstimmig hinter das Vorhaben. Gestartet wird in beiden Städten zunächst mit je einem Auto, das im Juli zur Verfügung stehen soll. Bis zu drei weitere Kommunen aus dem Landkreis können sich bei Interesse dem Beispiel Iphofens und Dettelbachs anschließen.
In Volkach kommt Carsharing nicht ins RollenWas für andere Gemeinden noch Zukunftsmusik ist, ist für Volkach seit Jahresbeginn Vergangenheit: An der Mainschleife gibt es derzeit kein Carsharing-Angebot mehr. Renate und Harald Schneider hatten seit 2016 ihren privaten Renault Zoe online zum Teilen angeboten. Inklusive 100 Freikilometer und einer Akkuladung verlangte das Ehepaar für vier Stunden 19 Euro und 29 Euro für den ganzen Tag. Doch rückwirkend zum 31. Dezember habe man dieses Angebot nun beendet, sagt Harald Schneider auf Nachfrage. Als Grund nennt er vor allem die umständliche Steuerbürokratie, die damit einherging. "Wir hatten gedacht, das wäre einfacher. Rentiert hat es sich eigentlich nie", gibt er offen zu.Das Ehepaar hatte den Zoe privat gekauft, für das Carsharing wurde eine gewerbliche Anmeldung nötig. "Man hat dann ein Gewerbe mit allem, was dazugehört." Schneider spricht vom hohen Aufwand fürs Finanzamt, den Kosten für Steuerberater, Berufsgenossenschaft, Versicherung. Sein Fazit: Privat sei es nicht möglich, damit Gewinn zu machen. "Die Idee, sein Auto mit jemandem zu teilen, wird behindert." Im Jahr 2019 sei der Verleih zwar einigermaßen in Schwung gekommen, doch dann habe die Corona-Pandemie die Nachfrage quasi gestoppt. Den Versuch zu wiederholen könnte sich der 58-Jährige vielleicht als Rentner vorstellen, wenn die Bedingungen dafür verbessert werden. "Und wenn man mehr Zeit hat für den ganzen Steuerkram."Eine professionelle Option für ein Auto zum Mieten hatte Julia Zoufal vom Autohaus Rumpel & Stark dem Volkacher Stadtrat im April 2019 vorgestellt. Der Vorschlag lautete, am Parkplatz am ehemaligen Bahnhof einen Ford-Kleinwagen auf einem ausgeschilderten Stellplatz zu stationieren - allerdings mit Verbrennungsmotor. Buchen könne man ihre Autos über das Portal Flinkster, das deutschlandweit funktioniere, erklärt Zoufal am Telefon. In Schweinfurt, Würzburg, Gerbunn und Rottendorf werde dieses Angebot schon gut angenommen. In Volkach sei die Stadt zwar interessiert gewesen, habe sich dann aber doch dagegen entschieden. Es sei "nicht möglich, eine Vertriebsstation im Haus zu errichten" habe die Antwort gelautet.In Volkach hätte beispielsweise das Bürgerbüro die Registrierung neuer Kunden übernehmen müssen, da Personalausweis und Führerschein vorgelegt werden müssen. Genau deshalb liegt das Thema laut Gerhard Wagenhäuser, Geschäftsstellenleiter der VG Volkach, noch auf Halde. Man sei sich nicht sicher gewesen sei, ob eine Stelle im Rathaus die Geschäfte eine Privatunternehmens erledigen sollte. Quelle: Eigene Recherche / BHE