Wie kommt man dazu, ein Schloss zu kaufen? Gabriela Bimüller lacht und erzählt, dass eigentlich Hündin Jacky die treibende Kraft war. Jacky zog sie beim Gassigehen hartnäckig direkt vor das Fenster der Raiffeisenbank, in dem die Immobilienangebote hingen. Dort stach das vollmundig angepriesene ehemalige Wasserschloss von Gerlachshausen ins Auge und ging dem Paar seitdem nicht mehr aus dem Sinn. Denn beide sind geschichtlich interessiert und handwerklich begabt – eine Kombi, die es braucht, wenn man sind solch einer Renovierungsaufgabe stellt.

"Manche Freunde haben gesagt: ´Jetzt spinnt Ihr total!'", erinnert sich Uwe Hückmann. Denn Arbeit gab und gibt es in dem 600 Jahre alten Schlösschen ohne Ende: Balken waren teils morsch geworden, ein Zimmerboden hatte sich gesenkt, eine Decke war herabgestürzt. Doch das Paar faszinierte die morbide Mischung aus Staub und Stuck.
"Manche bauen da im Keller eine Modelleisenbahn, wir kaufen ein Schloss."
Uwe Hückmann
Hückmann sieht das ganze Projekt als Hobby, das gut und gerne die nächsten Jahre füllen wird. Der 61-jährige ehemalige Dienststellenleiter bei der Bereitschaftspolizei Würzburg ist seit einigen Wochen im Ruhestand. "Manche bauen da im Keller eine Modelleisenbahn, wir kaufen ein Schloss." Das sei viel spannender, denn zu entdecken gibt es in dem alten Gemäuer wirklich jede Menge.

Unter jeder abgelösten Tapete kommen Spuren der Vergangenheit zum Vorschein. So etwa die frühere Farbgebung der Wände, Lagen alter Zeitungen aus der Nachkriegszeit als Isolierung, zwei hölzerne barocke Einbauschränke und – hinter einer übertapezierten Holztür verborgen – ein in die Außenwand eingelassenes Plumpsklo. Sanitärer Luxus anno 1452, denn aus dieser Zeit datiert das Bauholz, mit dem das Schloss errichtet wurde.

Doch auch damals wurde beim Bau schon fleißig recycelt: So stammt ein Dachbalken von einem im Jahr 1300 gefällten Baum. Der Vorgängerbau ist wohl dem legendären Graf Gerlach zuzuordnen. Eine erste Erwähnung des Ortes Gerlachshausen findet sich im Jahr 918 in einer Urkunde von König Konrad I.
Tiefe Gewölbe und geheime Gänge
Steigt man tief hinunter in den großen Gewölbekeller unter dem Schloss, steht man in den Resten der ursprünglichen Burganlage aus dem 8. Jahrhundert. Sie sicherte wohl den Mainübergang an einer Furt. Auf alten Karten ist an dieser Stelle auch eine Insel mitten im seichten Fluss zu sehen. Der Main floss damals noch direkt vor den Mauern der Burg vorbei.

Diese war durch einen mit dem Fluss verbundenen Wehrgraben gut vor Feinden geschützt. Neben reichlich Platz für viele Vorräte gibt es im Keller gleich zwei Brunnen, die von unten aus und auch vom Obergeschoss her zugänglich waren. Sauberes Wasser war damals wie heute ein begehrtes Gut.
Im frühen Mittelalter wurde aus der Burg eine Vogtei, der Sitz eines Schultheißes. Dieser gehörte dem niederen Adel an und hatte die Aufgabe, vor Ort Abgaben einzutreiben und Recht zu sprechen. Der Gerlachshäuser Schultheiß musste zudem auch für den Schutz der Münsterschwarzacher Klosterbrüder sorgen.

1284 kaufte die Abtei dem Hochstift Würzburg das Vogteirecht ab. Fortan war der Abt zugleich Schlossherr. In diesem Kontext ist auch die Episode zu verstehen, die sich Ende April 1525 ereignete. Aufständische Bauern plünderten das Kloster Münsterschwarzach und brannten es nieder. Abt Georg Wolfsbach floh durch einen geheimen unterirdischen Gang ins Schloss. Dort versteckte ihn Schultheiß Johannes Zierold im Taubenhaus, bis die Welle des Aufstandes vorüber war. Passend dazu hat Gabriela Bimüller die kleine Zinnfigur eines Fahnen-schwingenden Bauern auf einem schweren Eichentisch im Schloss drapiert.

Krimidinner, Lesungen und Weinproben im Schloss
Das jetzige Inventar haben die neuen Besitzer auf Flohmärkten, in Antiquariaten oder bei Wohnungsauflösungen und Auktionen zusammengetragen. Alles ist historisch und stammt zu 90 Prozent aus der näheren Umgebung, aber eben nicht aus dem Schloss selbst. Dieses wurde im 20. Jahrhundert als Wohngebäude genutzt, von der einstigen barocken Ausstattung blieb bis auf ein paar Deckenfriese und Türen nichts erhalten.

Bimüller und Hückmann planen keine großen Umbauten, denn wohnen wird im Schloss wohl niemand mehr. Doch die beiden haben viele Ideen, die geschichtsträchtige Schlossanlage ins Bewusstsein der Bevölkerung zurückzubringen. So könnte es demnächst Veranstaltungen im kleinen Kreis geben, wie etwa Krimidinner, Lesungen, Weinproben oder auch Seminare für Führungskräfte.

Gabriela Bimüller, die beruflich Veränderungsprozesse bei einer großen Bank begleitet, weiß, dass es dabei immer auf eines ankommt: die passende Atmosphäre. Und das Gerlachshäuser Schlösschen hat wahrlich genau davon eine Menge zu bieten.
