Das Saatgut-Festival hat sich zur größten seiner Art in Deutschland entwickelt: Am Samstag, 24. Februar, stehen wieder samenfeste und alte Saatgut- und Gemüsesorten im Mittelpunkt. Nach einem Jahr Pause versprechen die Initiatoren um Barbara und Martin Keller vom Verein „open house“ in Mainstockheim eine Veranstaltung, die „größer, bunter und jünger“ daherkommen soll. Austragungsort für die siebte Veranstaltung ist – nach vielen Jahren in Iphofen – erstmals Volkach.
FRAGE: Das Saatgut-Festival ist erstmals in Volkach – wie kam es dazu?
Martin Keller: In Iphofen war kein Termin frei, so entdeckten wir Volkach mit der schönen Halle. Wir freuen uns, dort zu sein!
Das Festival wird größer, bunter und jünger – was heißt das genau?
Keller: Die Halle bietet mehr Platz, so konnten wir wesentlich mehr Aussteller einladen und somit das Angebot vergrößern und bunter gestalten . Mit Wiebke Degler und Pascal Bunk vom CampusGarten in Würzburg stoßen jüngere Menschen mit neuen, frischen Ideen zum Organisationsteam dazu.
Welche Idee steckt hinter dem Festival?
Keller: Unsere ursprüngliche Idee war, die Vielfalt zu feiern, denn sie ist ein großer Schatz. Er bietet den Menschen nicht nur Nahrungsgrundlage, sondern bereichert das Leben in jeder Hinsicht. Bunte, vielfältige Formen, herrliche Düfte, unterschiedliche Aromen, all das bringen die oft in Vergessenheit geratenen Sorten unserer Kulturpflanzen in den Garten und auf den Teller. Wir wollen darüber aufklären, was samenfeste Sorten sind und informieren über die neuesten Entwicklungen. Wir wollen Lust wecken, samenfeste Sorten selbst anzubauen und zu vermehren.
Wen sprechen Sie an?
Keller: Alle, die sich für samenfeste Sorten interessieren. Ursprünglich war es vor allem Gemüsesaatgut, dann kamen Obst und Wildblumensamen hinzu. Mit unserem neuen Getreideschwerpunkt, in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising, erweitert sich der Kreis der Menschen, den wir ansprechen möchten um die Landwirte.
Ihr Rat an alle, die zum ersten Mal kommen?
Keller: Sich Zeit zu nehmen, die Ausstellungen und Vorträge zu genießen. Beispielsweise wird Iris Förster von ProSpecieRara um 15 Uhr durch die Ausstellung: „Kulturpflanzen und Migration“ führen. Sie wird erklären, wie Kulturpflanzen mit ihren Menschen wandern und sich verbreiten – früher und auch heute noch.
Welche seltenen Raritäten gibt es zu entdecken?
Keller: In den seltenen Sorten der Apfelausstellung spiegelt sich das Thema Migration in besonderer Weise wieder: Laxtons Superb aus England, Kantil Sinap stammt von der Krim, und Signe Tillisch kommt aus Jütland/Dänemark.
Wenn Sie so auf die Entwicklung des Festivals zurückblicken . . .
Keller: . . . freue ich mich, dass es so prächtig gewachsen ist. Fast alle unsere Aussteller vom ersten Mal sind noch dabei, allen voran Familie Störkle mit ihrer Kartoffelausstellung. Aber auch all die anderen, mit denen es großen Spaß macht, zusammenzuarbeiten und gemeinsam einen solchen Tag zu feiern. Daneben gibt es natürlich viele neue, spannende Stände. Es ist schön zu sehen, wie das Interesse an der Vielfalt gewachsen ist – auch bei den Medien.
Warum ist das Festival wichtiger denn je?
Keller: Aktuell bedroht die neue Gentechnik die Vielfalt, umso wichtiger ist der Erhalt der alten Sorten. Aber auch die zunehmende Verarmung und industrielle Landwirtschaft ist ein Problem. Das Insektensterben ist eine negative Auswirkung davon, die jeder in seinem Garten beobachten kann.
Was konnten Sie bisher bewirken?
Keller: Unser Saatgut-Festival war das erste in Deutschland, inzwischen hat es viele Nachahmer gefunden. Jetzt wird in vielen weiteren Städten die Vielfalt gefeiert, bis nach Südtirol ist der Funke übergesprungen. Die Menschen sind überall begeistert und die Veranstaltungen stoßen auf großes Interesse.
Dringen Sie mit Ihrer Botschaft durch?
Keller: Na klar! Steigende Besucherzahlen sprechen für sich. Das Thema wird in den Medien immer häufiger besprochen und auch staatliche Stellen bemühen sich verstärkt um die Bewahrung der Vielfalt.
Aber ist der Kampf für Vielfalt nicht längst verloren?
Keller: Vielfalt braucht viele. Immer mehr Menschen und auch junge Menschen setzen sich dafür ein, somit können wir zuversichtlich in die Zukunft blicken. Das ursprüngliche Nischenthema ist mittlerweile sogar zum Hipp-Thema geworden. Alte Sorten werden in Gourmetrestaurants angeboten und in Kochsendungen zubereitet. Wir sind überzeugt davon, dass sie auf dem Vormarsch sind und in Zukunft wieder zunehmend mehr geschätzt werden.
Wie kann jeder von uns dafür sorgen, dass die Vielfalt erhalten bleibt?
Keller: Ganz einfach: samenfeste Sorten anbauen, genießen, vermehren und davon erzählen. Saatgut vermehren macht Spaß und man hat ein schönes, persönliches Geschenk für Freunde, die auch gärtnern. Denn die Natur ist großzügig, man erntet viel mehr Samen, als man benötigt und genug, um sie weiterzugeben. Außerdem kann jeder aus seinem Garten ein kleines Refugium für Flora und Fauna machen.
Ihre schönste Raritäten-Entdeckung aus der jüngsten Zeit?
Keller: „Grells Unterfränkischer Landweizen“ – eine wunderschöne, regionale, alte Weizensorte, ein echter Blickfang. Oft wollten Spaziergänger, die an unserem Garten vorbei liefen, wissen, was das Schönes ist! Von vielen solchen alten landwirtschaftlichen Sorten wird Klaus Fleißner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in seinem Vortrag berichten. Diese Sorte wird gerade hochvermehrt, damit sie hier von der Bäckerei Gebert angebaut und als Gebäck angeboten werden kann. Wir können es kaum erwarten, bis es endlich soweit ist, dass wir den Geschmack dieses alten Weizens im Laden kaufen können.
Hinter open house verbirgt sich was?
Keller: Wir sind ein Netzwerk von Menschen, die von der Idee der Nachhaltigkeit und der Kooperation überzeugt sind. Ernährungssouveränität ist ein zentrales Thema in einer globalisierten Welt, und Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung. Wir möchten als Bürger die Zukunft unserer Gesellschaft mitgestalten.
Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade für die Vielfalt kämpfen?
Keller: Wir renovieren unser Gründerzeit-Backsteinhaus. Durch unsere Arbeit haben wir viele Gleichgesinnte in Europa kennengelernt. So haben wir unsere Freunde in Südtirol besucht, in Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz – und haben nicht nur ihr Land mit anderen Augen sehen können, sondern auch viel dazu gelernt über ihre Arbeit, ihre Sorten und wie sie vermehren.
7. Saatgut-Festival in Volkach: Samstag, 24. Februar, Mainschleifenhalle Volkach. Von 10 bis 17 Uhr erwarten die Besucher Vorträge und Ausstellungen rund um die Themen Saatgut und biologische Vielfalt. Der „Markt der Vielfalt“ bietet ein umfangreiches Saatgutangebot. Das Festival wird seit 2011 von ehrenamtlichen Helfern organisiert. Es ist mit etwa 2000 Besuchern die größte Veranstaltung dieser Art in Deutschland. Umfangreiche Ausstellungen zu Getreide-, Kartoffel- und Apfelsorten ergänzen das Angebot. Der Eintritt kostet drei Euro.
„Aktuell bedroht die neue Gentechnik die Vielfalt, umso wichtiger ist der Erhalt der alten Sorten.“
Martin Keller, Organisator des Saatgut-Festivals