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Sulzfeld: Schlamm, Kälte, Suizide: Die Lage im Ahrtal lässt diesem Helfer keine Ruhe

Sulzfeld

Schlamm, Kälte, Suizide: Die Lage im Ahrtal lässt diesem Helfer keine Ruhe

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    Rheinland-Pfalz, Altenahr: Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal türmten sich Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke (Archivbild).
    Rheinland-Pfalz, Altenahr: Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal türmten sich Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke (Archivbild). Foto: Boris Roessler

    Daniel Stupac aus Sulzfeld ist gerade zum dritten Mal in Rheinland-Pfalz unterwegs, um bei den Aufräumarbeiten in den Überflutungsgebieten an der Ahr zu helfen. Der 42-jährige gelernte Gas- und Wasserinstallateur berichtet im Interview, wie es den Menschen vor Ort geht und wie man selbst helfen kann.

    Frage: Wie ist die Situation vor Ort?

    Daniel Stupac: Es sind immer noch unzählige Häuser, in die Helfer jetzt erst hinein können. In vielen Häusern steht noch Schlamm, die Anwohner brauchen Hilfe beim Ausräumen. Es sind Entkernungsarbeiten fällig in eigentlich jedem Haus entlang der Ahr. Das ist eine Mammutaufgabe.

    Alles, was mit Wasser in Kontakt gekommen ist, muss weggeworfen werden, weil das Wasser hochkontaminiert war. Die Heizungsanlagen müssen alle raus. Der Putz muss abgeklopft werden, damit die Wände richtig trocknen. Es sind Reparaturarbeiten an Fenstern fällig, Spenglerarbeiten an den Fallrohren. Zimmerleute bessern Gebälk bei Fachwerkhäusern aus. Ich deinstalliere überwiegend Heizungen und Sanitäranlagen oder mache kleinere Reparaturen von Rohren. In jeder Richtung ist genug Arbeit da. Man muss aber kein Handwerker sein, um zu helfen.

    Daniel Stupac in Dernau, wo er eine Liste mit Reparaturarbeiten abarbeitet. In den Koffern hat er sein eigenes Werkzeug mitgebracht.
    Daniel Stupac in Dernau, wo er eine Liste mit Reparaturarbeiten abarbeitet. In den Koffern hat er sein eigenes Werkzeug mitgebracht. Foto: Privat

    Wie geht es den Leuten vor Ort?

    Stupac: Ich hab es so viele Male erlebt: Man sieht denen richtig an, was sie erlebt haben. Wenn man aber ein paar Tage hilft, verändern sich die Menschen komplett und haben wieder mehr Hoffnung. Die sind oft wieder ein bisschen fröhlicher und sehr, sehr dankbar, wenn man da ist und hilft. Man kommt schnell ins Gespräch. Das sind oft auch schwierige Themen und schlimme Geschichten. Es ist ganz wichtig, sich Zeit zu nehmen, um zuzuhören. Und sie vielleicht sogar mal in den Arm zu nehmen, das kommt schon öfter vor. Vorletzte Woche habe ich in einem Haus Putz weggestemmt und mit den Bewohnern geredet. Jetzt habe ich erfahren, dass sich die Frau das Leben genommen hat, weil sie keinen Ausweg mehr gewusst hat. Das ist einfach nur traurig. 

    Wie geht es Ihnen damit?

    Stupac: Das ist schon sehr hart, man hat ja den Kontakt mit den Leuten, lernt die ein wenig kennen. Ich helfe weiter, weil mir das gut tut. Es ist eher belastend, wenn ich wieder zu Hause bin und Zeit habe, um drüber nachzudenken. Es ist etwas ganz anderes, wenn man dort war und gesehen hat, wie es da ausschaut. Das bringt kein Video und kein Foto rüber. 

    Wollen Sie in Zukunft wieder ins Ahrtal fahren, um zu helfen?

    Stupac: Wahrscheinlich werde ich übernächste Woche wieder runterfahren, eine Mitfahrgelegenheit habe ich schon. Ich habe meinen Job gekündigt, damit ich hier helfen kann. Und seitdem versuche ich immer schnellstmöglich wieder herzukommen. Wenn ich zu Hause bin, lässt mir das überhaupt keine Ruhe. Hier im Helfercamp sind einige, die regelmäßig kommen und immer wieder hinfahren. Jeder sagt das Gleiche: Zu Hause lässt einem das keine Ruhe. Es ist immer noch viel zu viel zu tun. Und die Zeit läuft. Es wird jetzt schon kälter nachts. Wir können die Leute ja nicht im Kalten sitzen lassen, da sind ja auch Familien mit Kindern dabei. Ich versuche jetzt, hier eine Firma zu finden, so dass ich eine Woche arbeiten und eine Woche ehrenamtlich helfen kann.

    Wohin wendet man sich, damit man vor Ort nicht im Weg steht? 

    Stupac: Ich bin zum dritten Mal im Helfercamp in der Ortschaft Spessart bei Nürburg. Das habe ich über die Facebook-Gruppe "Hochwasser in AW - freiwillige Helfer" gefunden. Über www.ahrhelp.com findet man auch Übernachtungen, ich habe dort meine Mitfahrgelegenheiten nach Rheinland-Pfalz organisiert. Es gibt Shuttle-Dienste aus den Camps in die jeweiligen Ortschaften. Hier im Camp sind Acht-Mann-Zelte aufgebaut mit Feldbetten, es gibt auch Schlafsäcke und Isomatten. Sanitäre Einrichtungen sind vorhanden, Duschen, Waschmaschine. Für Verpflegung ist gesorgt. Hier ist eigentlich alles, was man braucht. Man muss bloß Manpower mitbringen. Am besten wendet man sich an solche Helfercamps, wenn man helfen will.

    In vielen Häusern müssen die Wände komplett vom Putz befreit und alle Heizungsanlagen rausgerissen werden. Hier ist rechts nur noch der Pufferspeicher übrig geblieben. Das Wasser stand in diesem Haus in Dernau bis zur Decke und noch einen Meter im darüberliegenden Stockwerk.
    In vielen Häusern müssen die Wände komplett vom Putz befreit und alle Heizungsanlagen rausgerissen werden. Hier ist rechts nur noch der Pufferspeicher übrig geblieben. Das Wasser stand in diesem Haus in Dernau bis zur Decke und noch einen Meter im darüberliegenden Stockwerk. Foto: Privat

    Lohnt es sich, auch nur für einen Tag zu kommen?

    Stupac: Ja, es gibt immer genug zu tun. Auch ein Tag oder ein Wochenende lohnt sich. Egal, wie viel man macht, es hilft immer. Momentan ist das Camp hier in Spessart nicht ausgelastet, auch das Camp in Grafschaft im Innovationspark Rheinland-Pfalz. Dort wurden vor vier Wochen noch 4000 Leute am Tag geshuttelt, vor zwei Wochen 1500 und jetzt nur noch 700. Die Freiwilligen werden immer weniger, weil es zu wenig in den Medien gezeigt wird. Obwohl es eigentlich immer noch so schlimm ist. Es gibt immer noch Ortschaften, in denen die Menschen kein Wasser und keinen Strom haben und jede Nacht im Dunkeln sitzen. Da stelle ich meine Ansprüche hintan und schaue, dass ich so viel helfe, wie es möglich ist. Wir leben ja zusammen in einem Land. Brüderlich mit Herz und Hand heißt es in der Nationalhymne, daran sollten wir uns orientieren.

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