Es drückt ein bisschen im Brustraum. Da ist ein Brennen im Brustbein. Oder ein leichtes Engegefühl beim Treppensteigen. „Kleinigkeiten“, die man als „nicht so schlimm“ abtut. Doch jede für sich kann ein Vorbote eines Herzinfarktes oder gar ein stummer Herzinfarkt sein. „Die allermeisten Patienten warten viel zu lang, bis sie den Arzt rufen“, sagt Prof. Dr. Frank Breuckmann von der Klinik Kitzinger Land. Der Chefarzt der Kardiologie engagiert sich dafür, dass sich das ändert. Denn Zeit spielt bei der Behandlung eines Infarktes eine entscheidende Rolle.
Frank Breuckmann ist Sprecher der Arbeitsgruppe „Akuter Thoraxschmerz“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Schmerzen in der Brust – ein bewusst breit gefasstes Gebiet, das mehrere Krankheiten umfasst. Die Ursachen können harmlos sein, aber auch lebensgefährlich, wie zum Beispiel eine Lungenarterienembolie. Besonders häufig aber deuten sie auf einen Herzinfarkt hin.
„Über 50 Prozent der Betroffenen haben 48 Stunden vor dem Infarkt und meist sogar schon ein, zwei Wochen vorher erste Vorboten.“
Prof. Dr. Frank Breuckmann, Chefarzt Kardiologie KKL
Bei der Behandlung von Infarkten hat sich in den Kliniken in den vergangenen Jahren viel getan. Die Notaufnahmeeinheiten wurden auf die Erkennung von Infarkten abgestimmt, die Abläufe sind standardisiert. Untersuchung, Medikation, Labor, alles geht Hand in Hand. „Mit den spezialisierten Notaufnahmen konnten wir viel erreichen“, sagt Prof. Breuckmann. Die Zeit, die es braucht, einen Infarkt zu erkennen und erfolgreich zu behandeln, ist gegenüber früheren Jahren stark verkürzt. „Da haben wir fast schon das Maximum an Zeiteinsparung erreicht.“ Nächstes wichtiges Ziel ist es nun, auch die vorklinische Zeit zu verringern, nämlich die, die es braucht, bis der Patient ärztliche Hilfe ruft. „Über 50 Prozent der Betroffenen haben 48 Stunden vor dem Infarkt und meist sogar schon ein, zwei Wochen vorher erste Vorboten.“ Eben jenes vermeintliche Sodbrennen unter Belastung oder den leichten Druckschmerz in der Brust. Fragt der Arzt dann später im Krankenhaus danach, heißt es oft: Ja, da war was. Aber man hat es nicht ernst genommen, wollte erst mal abwarten. „Wer das einmal erlebt hat, der kommt beim zweiten Mal früher“, weiß Frank Breuckmann.
Berichtet ein Patient von Brustschmerzen, die in Schulter, Arm oder Kiefer ausstrahlen, von einem Engegefühl bei Anstrengung, vielleicht gar schon vom Gefühl, da säße ein Elefant auf seiner Brust, ist für die Ärzte klar: Man muss von einem akuten Koronarsyndrom ausgehen. Dann beginnen die standardisierten Abläufe: EKG, zwei Blutentnahmen innerhalb eines kurzen Zeitfensters, Ultraschall.
„Jeder weiß, was zu tun ist“, sagt Prof. Breuckmann, denn es muss schnellstmöglich erkannt werden, ob der Patient sich in einer lebensbedrohlichen Situation befindet. „Das weiß man innerhalb von maximal 30 Minuten.“ Ist bereits eine Arterie verschlossen, ist schon Herzmuskelgewebe abgestorben, weil es nicht mehr durchblutet wird? Handelt es sich vielleicht nicht um einen Herzinfarkt, aber um eine Lungenarterienembolie oder ein Aortensyndrom? Große Infarkte sind am EKG zu erkennen, hochsensible Bluttests geben Auskunft darüber, ob ein Infarkt sich ankündigt oder womöglich schon am Abklingen ist.
Während die Handgriffe in der Klinik minutiös getaktet sind, geht zuhause dagegen oft wertvolle Zeit verloren. „Nicht lange warten!“, fordert Prof. Frank Breuckmann. „Gleich den Rettungsdienst rufen.“ Selbst zum Arzt oder in die Klinik zu fahren, ist keine gute Idee. Weil die Unfallgefahr groß ist, wenn es dem Fahrer am Steuer schlecht geht. Aber auch, weil mit dem Rettungsdienst wertvolle Zeit gewonnen wird: Die Fachkräfte können schon mit der Diagnostik beginnen, erste Untersuchungen machen, „und die Klinik informieren, damit die Strukturen dort angeworfen werden und der Patient bei Bedarf gar nicht erst in die Notaufnahme, sondern gleich ins Katheterlabor gebracht wird“. Zudem kann der Notarzt schon mit der medikamentöse Therapie beginnen. „Time is muscle“, sagt der Kardiologe. Schon innerhalb der ersten Stunde nach einem Infarkt ist Muskelgewebe abgestorben, unwiederbringlich.
Wird der Herzinfarkt rechtzeitig erkannt, kann der Arzt eingreifen, die Sterblichkeit in den Kliniken ist gering. Anders sieht es bei einem stummen Infarkt aus, der nicht bemerkt, nicht erkannt und damit nicht behandelt wird. „Der stumme Infarkt ist bei Diabetikern häufig“, erklärt Breuckmann, weil sie oft unter Polyneuropathie leiden. Bei ihnen funktionieren die Nervenbahnen nicht mehr richtig. Die Wahrnehmungsfähigkeit ist eingeschränkt, sie spüren die Beine kaum oder nicht, aber auch die Schmerzen in den inneren Organen nicht. Die Gefäße verschließen sich, ohne dass man es merkt. Die Folge ist oft eine Herzschwäche und im schlimmsten Fall der plötzliche Herztod. Deshalb sei es wichtig, Diabetes früh und gut zu therapieren, betont der Kardiologe, und das gelte auch für Bluthochdruck und Fettstoffwechsel, die ebenfalls das Infarktrisiko erhöhen.
Auch gesunde Menschen können einem Infarkt vorbeugen. „Gesunde Lebensführung ist wichtig“, betont Breuckmann. Ernährung, Bewegung, Blutfette, Rauchen, das könne man hervorragend selbst beeinflussen. Nicht dagegen die familiäre Vorbelastung. Wer wissen will, wie hoch das eigene Herzinfarktrisiko ist, dem empfiehlt der Arzt die Homepage herzstiftung.de. Sie fragt Basiswerte ab und kalkuliert das Risiko.
„Sie ist intuitiv gemacht und wirklich gut“, findet der Kardiologe, „und sie triggert einen Arztbesuch“. Ist also je nach Ergebnis Anstoß dafür, sein Herz mal genauer unter die Lupe nehmen zu lassen. Und dadurch womöglich wertvolle Lebenszeit zu gewinnen.