Beim Einsteigen wird gedrängelt, in den Gängen stehen die Kinder und Jugendlichen dicht an dicht: Wer an Schulbusfahrten denkt, hat häufig dieses Bild im Kopf. Ist das in Zeiten von Corona zu verantworten? Um die Situation zu entzerren, hat der Landkreis Kitzingen fünf Verstärkerbusse auf besonders stark frequentierten Linien eingesetzt. Darüber hinaus reichen die Kapazitäten laut Behörde aus – wenn die Schüler alle Busangebote nutzen.
Seit Dienstag sind die Schüler wieder zurück in den Klassenzimmern – und damit erstmals seit März wieder in voller Klassenstärke. Kinder und Jugendliche sitzen damit wieder gleichzeitig in den Klassenzimmern – und auf dem Weg dorthin zusammen in den Bussen.
18 Grundschulen gibt es im Landkreis Kitzingen, sieben Mittelschulen, sechs Realschulen, eine Wirtschaftsschule, fünf Gymnasien, zwei Förderzentren und sechs berufliche Schulen. Viele der Schüler nutzen öffentliche Verkehrsmittel, die allermeisten fahren mit dem Bus. Alleine 2725 Fahrkarten hat das Landratsamt Kitzingen als zuständige Behörde für die Schülerbeförderung in den weiterführenden Schulen vergeben – nur für Schüler bis zur zehnten Klasse, nur für Schüler, die im Landkreis Kitzingen wohnen. Hinzu kommen die Schüler, die außerhalb des Landkreises wohnen, die die elfte oder eine höhere Klasse besuchen oder keinen Anspruch auf Beförderung haben.
Abstand halten in den Bussen?
Nicht eingerechnet sind außerdem alle Grund- und Mittelschüler, denn deren Busfahrten fallen in die Zuständigkeit der Gemeinden. Insgesamt machen sich also Tag für Tag mehrere tausend Kinder und Jugendliche im Landkreis Kitzingen mit dem Bus auf den Weg in die Schule.
AHA – die drei Buchstaben sind wegen der Corona-Pandemie derzeit oberstes Gebot. Das erste A, der Abstand, ist gerade in den Bussen aber meist nicht einzuhalten. Daher herrscht im öffentlichen Nahverkehr Maskenpflicht. Wer keine Maske trägt, darf nicht mitfahren.
Weil mit dem neuen Schuljahr erstmals seit Monaten alle Schüler wieder gleichzeitig in der Schule sind, hat das Landratsamt im Vorfeld mit den Busunternehmen Kontakt aufgenommen. „Wir haben abgefragt, wo sehr volle Busse im Einsatz sind”, sagt Günter Rauh. Es gab vier Rückmeldungen über Busse, in denen viele Mitfahrer stehen müssen. Schon seit dem ersten Schultag sind daher insgesamt fünf sogenannte Verstärkerbusse im Raum Volkach/Dettelbach im Einsatz. Sie sind nicht extra im Fahrplan aufgelistet, sondern fahren direkt hinter den normalen Bussen. Weitere Verstärkerbusse gibt es vorerst nicht, wobei noch zwei, drei Busse auf Abruf zur Verfügung stehen, falls es doch zu Problemen kommen sollte. Die Fahrzeuge seien dabei nicht das Problem, erklärt Rauh. Es fehle eher an Fahrern.
Fahrgäste können helfen
„Wir schauen uns das Ganze jetzt mal an und wenn Not am Mann sein sollte, können wir noch zusätzliche Busse einsetzen”, kündigt er an. Rauh hat die Busunternehmen aufgefordert, täglich mitzuteilen, wie die Situation am Vormittag war, damit die Behörde notfalls reagieren kann. Wobei die ersten Schultage kaum als Maßstab gelten können, da der Nachmittagsunterricht oft erst Ende der Woche oder in der nächsten Woche stattfindet. Dadurch wird die Situation an den Nachmittagen entzerrt.
Die Fahrgäste selbst können dazu beitragen, die Situation am Morgen zu verbessern. Rauh nennt als Beispiel die Strecke von der Kitzinger Siedlung in die Stadt beziehungsweise zu den Schulen. Innerhalb von 25 Minuten halten in der Siedlung morgens neun Busse, die aus den Richtungen Willanzheim, Iphofen und Rödelsee kommen. „Die ersten drei sind leerer, die letzten drei voll“, so Rauh. Jeder Schüler könne jeden dieser Busse benutzen, aber die meisten wollten lieber die späteren Busse nehmen. Er hofft daher auf die Vernunft der Schüler und darauf, dass der eine oder andere sich gerade jetzt doch entschließt, einen früheren Bus zu nehmen. „Die Kapazitäten reichen, es geht eher um die Verteilung.“
Jürgen Kempf, Vertreter der Eltern der Landkreise Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart in der Landes-Eltern-Vereinigung (LEV) und Geowissenschaftler an der Universität Würzburg, sieht die Situation in Unterfranken kritischer. Gerade im ländlichen Umland müssten fast alle Schüler den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Vor allem zu den Stoßzeiten am Morgen und zur Mittagszeit komme es schon immer zu extremen Überlastungen, insbesondere im Raum Würzburg, aber auch in Teilen des Landkreises Kitzingen. Kempf nennt Buslinien im Raum Dettelbach, aber auch von Ochsenfurt nach Marktbreit – wobei für letztgenannte Linie insbesondere das Kommunalunternehmen Würzburg zuständig ist. Die Busse starten leer und füllen sich von Haltestelle zu Haltestelle stark. „Busse sind oft so voll gestopft mit Kindern, dass – Maskenpflicht hin oder her – ein extrem hohes Kontaktrisiko sehr wahrscheinlich ist“, heißt es in einer Pressemitteilung des LEV. „Die Gefahr entsteht durch Kontakte“, so Kempf. „Je mehr Kontakte, desto größer die Gefahr.“
Vermittlungsplattform?
Ministerpräsident Markus Söder habe den Vertretern der Schulen, also Lehrerverbänden, Schulleitungen, Eltern und Schülersprechern, in einem Gespräch am 31. August in der Staatskanzlei zugesagt, dass die Staatsregierung 100 Prozent der Kosten für zusätzlich entstehenden Nahverkehr übernehmen werde, so Kempf. Zusätzlich wolle sie eine Vermittlungsplattform für freie Buskapazitäten in Bayern einrichten, über die Anbieter für den Schülerverkehr freie Bus- und Fahrerkapazitäten abrufen sollen. Doch die scheint es längst nicht überall zu geben.
Der LEV habe deshalb „nach alternativen, auch unkonventionellen und pragmatischen Lösungen gesucht, um dem Problem Herr zu werden“, heißt es in der Pressemitteilung. Schließlich könne niemandem – weder den Menschen noch der Wirtschaft – daran gelegen sein, wenn es vermehrt Infektionen an Schulen gebe und dadurch erneut Lehrer, Kinder und Angehörige in Quarantäne geschickt werden müssten. Der ungewöhnlichste Vorschlag des LEV: Man könne den Fuhrpark der Bundeswehr nutzen.
Kempf wisse von Bundeswehrmitgliedern, dass bei der Bundeswehr Busse und Fahrer zur Verfügung stünden. Er habe mit Abgeordneten im Kreis Würzburg darüber gesprochen, inzwischen liege sein Vorschlag auf dem Tisch von Staatsminister Florian Herrmann.
Am ersten Schultag hat sich Jürgen Kempf, der auch Vorsitzender des Elternbeirats am Gymnasium Marktbreit ist, vor Ort ein Bild von der Situation gemacht. „Ein Chaos”, sagt er, „es waren unglaublich viele Eltern unterwegs und haben ihre Kinder mit dem Auto gebracht.“ Damit sind die Busse zwar leerer, aber er rate trotzdem nicht dazu, dass jeder sein Kind selbst fährt, denn auch der zunehmende Individualverkehr berge Gefahren. „Wir wollen, dass die Kinder ordentlich mit dem Nahverkehr zur Schule kommen.“