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LANDKREIS KITZINGEN: Sie möbelt leere Wohnungen auf

LANDKREIS KITZINGEN

Sie möbelt leere Wohnungen auf

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    Frohe Weihnachten: Inge Böhm-Rudolph und Dieter Haag in einer Wohnung, die nur zum Schein eingerichtet ist.
    Frohe Weihnachten: Inge Böhm-Rudolph und Dieter Haag in einer Wohnung, die nur zum Schein eingerichtet ist. Foto: Foto: Joachim Kramer

    15 Mal ist sie umgezogen. 15 Mal hat sie sich „nackte Wohnungen“ angeschaut und überlegt, wie ihre Möbel wohl darin wirken. 15 Mal hätte ihr eine Hilfestellung gut getan. Eine Hilfestellung, die sie jetzt allen Wohnungs- und Haussuchenden anbietet. Inge Böhm-Rudolph ist Home-Stagerin.

    Der Name deutet es schon an: Home-Staging kommt aus den USA. Über Skandinavien und England ist der Trend auch in Deutschland angekommen. Einfach ausgedrückt, geht es beim Home-Staging darum, Wohnungen und Häuser für einen anstehenden Verkauf oder eine Vermietung herzurichten. Mit einfachen Mitteln und dennoch großem Effekt: Laut der Deutschen Gesellschaft für Home Staging und Re-design (DGHR) verkaufen sich Wohnungen, die herausgeputzt sind, doppelt so schnell wie leere Wohnungen. Und der Verkaufswert steigt um bis zu 15 Prozent.

    Kein Wunder, dass Dieter Haag vom Marktstefter Bauunternehmen Feuer und Flamme ist. Zusammen mit Inge Böhm-Rudolph sitzt er an einem liebevoll gedeckten Glastisch in seinem Verkaufsobjekt in der Ernst-Reuther-Straße in Kitzingen und erzählt. Von der Zusammenarbeit mit der gelernten Tourismusfachkraft. Und von seiner eigenen Überraschung, als er zum ersten Mal eine „gestagete“ Wohnung sah.

    Ein Musterhaus in Iphofen war der erste Auftrag für Inge Böhm-Rudolph. „150 Menschen waren bei der Besichtigung“, erinnert sich Haag. „Und alle hatten staunende Augen.“ Ähnlich geht es auch den Interessierten in der Kitzinger Siedlung. Drei Zimmer und 65 Quadratmeter haben die vier Wohnungen, die noch zum Verkauf stehen. Eine Wohnung sticht heraus. Weil sie ausschaut, als wäre sie bewohnt. Doch der Schein trügt.

    Ein Doppelbett im Schlafzimmer, eine Couch und eine Küchenzeile im Wohn- und Essbereich. Vorhänge, Läufer, sogar ein offener Kamin. Auf den ersten Blick sieht alles echt aus. „Das ist alles aus Karton“, sagt Böhm-Rudolph und muss selber schmunzeln. Auf jede Sitzgelegenheit hat sie kleine Kärtchen verteilt mit der unmissverständlichen Warnung: „Nicht hinsetzen.“ Die Warnung ist nicht umsonst: Die Kartonmöbel knicken leicht ein.

    Seit etwa fünf Jahren ist Home-Staging auch in Deutschland in Mode gekommen. Gerade in den Ballungsräumen werden Wohnungen „aufgemöbelt.“ Mittlerweile gibt es alleine in Bayern 40 Home-Stager, die im Verband gelistet sind.

    Vier Tage lang hat sich Inge Böhm-Rudolph als Home-Stagerin fortgebildet. Sie hat gelernt, wie sie leere Räume innerhalb kurzer Zeit mit Leben füllt. Ungefähr einen Tag braucht sie, um eine Wohnung zu „stagen“. Die Kartonmöbel erhält sie aus den Niederlanden. „Im Moment gibt es nur eine Firma, die so etwas anbietet“, bedauert sie. Wie lange eine Wohnung derart eingerichtet angeboten wird, ist natürlich Sache des Auftraggebers. Dieter Haag will die Wohnung in der Siedlung bis März „gestaget“ lassen. „Deshalb muss ich nach Weihnachten umdekorieren“, sagt Böhm-Rudolph. Mit dem „offenen Kamin“ und einem aufgemalten Tannenbaum ist die Wohnung bewusst weihnachtlich gestaltet.

    Es gibt viele andere Möglichkeiten. Home-Stager benutzen Kartonmöbel und echte Utensilien. Ein Sandkasten im Außenbereich, Spielzeug im Inneren. Schon spricht die Wohnung junge Familien an. Eine echte Badewanne mit Schaumwasser ist genauso denkbar wie eine funktionstüchtige Küche. Aber so wird der Aufwand natürlich größer.

    Für ihren ersten Auftrag, das Iphöfer Musterhaus, hatte Böhm-Rudolph einen Kuchen gebacken und Kaffee gekocht. Den hat sie in die „Kartonküche“ gestellt. Auch die Nase kann bei der Kaufentscheidung eine Rolle spielen. „Und wenn es gut riecht, dann fühlen sich die Käufer wohl“, sagt die Iphöferin.

    „Es geht beim Home-Staging um Inszenierung und Vorstellungskraft“, erklärt Dieter Haag. Viele Kunden fragen in den leeren Wohnungen nach einem Maßband oder Meterstab, weil sie sich die Ausmessungen nicht vorstellen können. In der „eingerichteten“ Wohnung ist das anders.

    Ein Haus- oder Wohnungskauf will wohl überlegt sein. In der Regel ist ein sechsstelliger Betrag fällig. Dennoch: „80 Prozent der Kaufentscheidungen werden mit dem Bauch getroffen“, sagt Haag. Und deshalb ist der erste Eindruck so wichtig. Den gestalten immer mehr Menschen wie Böhm-Rudolph. Seit 2010, dem Jahr ihrer Gründung, hat die DGHR 700 Home-Stager ausgebildet.

    „Die Einsatzmöglichkeiten von Home-Stagern ist vielfältig“, sagt Böhm-Rudolph. Dieter Haag kann sich beispielsweise einen „gestagten“ Rohbau vorstellen – mit aufgeklebten Holztapeten auf dem Boden. Am besten präsentiert bei einer Baustellenfeier. Auch bewohnte Wohnungen können ihren Wert durch einen „Home-Stager“ steigern. „Wir beraten, welche Möbel bei einem Rundgang in der Wohnung verbleiben sollten und welche nicht“, erklärt die Iphöferin. Und wer seine Wohnung vor allem mit Hilfe von Bildern anbieten will, beispielsweise im Internet, der sollte erst recht auf die Dienste der Home-Stager zurückgreifen. Ein gutes Bild sagt schließlich mehr als tausend Worte. Und eine liebevoll eingerichtete Wohnung vermittelt ein Gefühl von Wärme. Und den Wunsch, diese Wohnung zu besitzen. Auch wenn die Möbel vorerst nur aus Karton sind.

    Home Staging

    Definition: Home Stager sind Gestalter für visuelles Immobilienmarketing.

    Trend: Seit 2010 hat die DGHR knapp 700 Home Stager ausgebildet. Die Anzahl der Seminare hat sich von 2010 bis 2014 verdoppelt. Der Anteil der männlichen Teilnehmer liegt bei rund sieben Prozent.

    Ehrenkodex: Die Mitglieder der DGHR versichern, bei ihrer Arbeit keine Baumängel zu verdecken.

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