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Iphofen: Trotz Kritik: Warum der unterfränkische Gipskonzern Knauf weiterhin Geschäfte in Russland macht

Iphofen

Trotz Kritik: Warum der unterfränkische Gipskonzern Knauf weiterhin Geschäfte in Russland macht

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    Uwe Knotzer ist bei Knauf der Mann fürs Russland-Geschäft. Der Manager erklärt, warum der Gipskonzern aus Iphofen (Lkr. Kitzingen) trotz des Krieges gegen die Ukraine in Russland aktiv bleibt.
    Uwe Knotzer ist bei Knauf der Mann fürs Russland-Geschäft. Der Manager erklärt, warum der Gipskonzern aus Iphofen (Lkr. Kitzingen) trotz des Krieges gegen die Ukraine in Russland aktiv bleibt. Foto: Thomas Obermeier

    Wer Geschäfte in Russland macht, steht seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine unter Druck. So auch Knauf. Der Gipskonzern aus Iphofen bei Kitzingen muss sich zurzeit mit der Frage auseinandersetzen, wie Kommerz und Moral miteinander vereinbar sind. In der Vergangenheit ließ sich das Familienunternehmen kaum in die Karten blicken. Doch nun sind andere Zeiten angebrochen. Und so erklärt der Weltmarktführer für Baustoffe mit neuer Offenheit, warum für ihn Geschäfte im Putin-Reich nicht nur vertretbar, sondern wichtig sind.

    "Wir haben in Russland Verantwortung für circa 4000 Mitarbeiter und deren Familien sowie für Kunden und Lieferanten, mit denen wir teilweise seit Jahrzehnten zusammenarbeiten", sagt  Knauf-Manager Uwe Knotzer im Gespräch mit dieser Redaktion. Diesen Menschen von heute auf morgen zu kündigen, entspreche nicht den Werten des Familienunternehmens Knauf.

    Knotzer ist seit Juni 2021 neben Alexander Knauf und Jörg Kampmeyer persönlich haftender Gesellschafter der Knauf-Gruppe, steht also an der Spitze eines in 200 Länder verzweigten Riesen mit 40.000 Beschäftigten. Als Teil dieses mächtigen Triumvirats ist der 51 Jahre alte Salzburger unter anderem für die Geschicke im asiatischen Pazifik-Raum sowie in Australien zuständig - und vor allem für Russland.

    Jeden Morgen bespricht eine Taskforce bei Knauf die Lage in Russland

    In Russland wächst Knauf seit etwa 30 Jahren. Putins Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar hat auch in Iphofen für Besorgnis und Unruhe gesorgt. Zu erkennen ist das in der Konzernzentrale fast jeden Tag um 9 Uhr: In Präsenz oder per Videoschalte kommt eine achtköpfige Knauf-Taskforce zusammen, um die Lage in Russland zu besprechen. Uwe Knotzer leitet diesen Krisenstab.

    Wichtiger Teil der Besprechungen sei, die ständig aktualisierten Listen der vom Westen verschärften Sanktionen gegen Putin durchzugehen. Um welche Produkte geht es diesmal? Welche Regeln gelten für Flüge in beide Richtungen? Wie sind die Modalitäten für Zahlungen? Diese und ähnliche Fragen stünden im Vordergrund, berichtet Knotzer.

    Auch Knauf steht wegen seiner Russland-Geschäfte in der "Hall of Shame" am Pranger

    Derlei Aufwand interessiert Kritikerinnen und Kritiker wenig. Sie werfen Knauf vor, weiterhin Geschäfte in und mit Russland zu machen, obwohl gleichzeitig Menschen in der Ukraine sterben. So nachzulesen auch in den Kommentarspalten auf mainpost.de.

    Der in Wirtschaftskreisen momentan bekannteste Pranger ist die Liste "Hall of Shame" des einflussreichen Wirtschaftsprofessors Jeffrey Sonnenfeld von der US-amerikanischen Universität Yale. Dort werden hunderte Unternehmen aufgelistet, die sich in diverser Form aus Russland zurückgezogen haben - oder eben nicht. Wie Knauf. Oder Henkel. Bayer, Ritter Sport, Metro.

    In Krasnogorsk bei Moskau steht eines der Werke von Knauf in Russland.
    In Krasnogorsk bei Moskau steht eines der Werke von Knauf in Russland. Foto: Knauf (Archivbild)

    "Wir kennen diese Liste", sagt Manager Knotzer. Doch einfach so den Rückzug aus Russland zu verlangen, sei im Fall des Gipskonzerns "zu kurz gedacht". Knauf zahle in Russland die üblichen Steuern, doch davon würden eben auch zum Beispiel Kliniken, Schulen und Universitäten finanziert.

    Das ähnelt einer Argumentation, die der Chemiekonzern Bayer kritischen Kreisen entgegenhält: "Der Zivilbevölkerung wesentliche Gesundheits- und Landwirtschaftsprodukte vorzuenthalten – wie zur Behandlung von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gesundheitsprodukte für Schwangere und Kinder sowie Saatgut für den Anbau von Nahrungsmitteln – würde die Zahl an Menschenleben, die dieser Krieg fordert, nur vervielfachen", verteidigten die Leverkusener vor wenigen Tagen ihren Verbleib in Russland. Bayer habe aber jegliche Werbung in Russland und Belarus eingestellt und alle Investitionsprojekte auf unbestimmte Zeit gestoppt.

    Uwe Knotzer: "Wir liefern keine Waren an den Kreml oder das russische Militär"

    Auch hier gibt es Parallelen zu Knauf: "Solange es der Rahmen zulässt, bleiben wir in Russland", sagt Uwe Knotzer. Knauf halte sich an alle Sanktionen der EU und anderer Länder. Außerdem glaube er nicht, "dass die Aufgabe unseres Geschäfts in Russland irgendetwas an der gegenwärtigen Situation in der Ukraine ändern würde".

    Wichtig sei zudem, dass der Konzern in Russland allein für Russland produziere. "Die Waren, die wir in Russland herstellen, werden nicht nach Deutschland oder andere Länder der EU exportiert. Wir liefern keine Waren an den Kreml oder das russische Militär."

    Knauf: Bis auf Weiteres keine neuen Investitionen in Russland

    Um diese Sichtweise zu verstehen, hilft ein Blick auf die Struktur des Konzerns. Fast überall auf der Welt tritt Knauf mit eigenen Unterfirmen auf, die dort wie in einer Blase agieren. Mit der Folge, dass im Lauf der Jahrzehnte ein undurchschaubares Riesendickicht an solchen Tochterfirmen entstanden ist.

    Nicht einmal er wüsste, wie viele es in der Summe seien, sagt Knotzer. Diese ausgeprägte Dezentralisierung hilft Knauf nun offenbar, Geschäfte in Russland als eigenständig anzusehen und damit an ihnen festzuhalten.

    "Ja, es gibt Menschen, die es momentan gerne sehen würden, wenn wir unser Geschäft in Russland aufgeben", sagt Knotzer. Doch solange es die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zuließen, werde der Konzern das nicht tun. Eine Einschränkung gebe es aber: "Bis auf Weiteres" werde Knauf in Russland keine neuen Investitionen vornehmen und somit keine neuen Fabriken bauen.

    Knaufs Russland-Geschäft macht etwa zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus

    Wie auf der Hauptversammlung im Dezember verkündet wurde, belief sich 2021 der Umsatz von Knauf in aller Welt auf gut zwölf Milliarden Euro. Wie groß der Anteil des Russland-Geschäfts ist, darüber gibt es aus der Konzernzentrale nie detaillierte Zahlen. Etwa zehn Prozent seien es, ließ Manager Knotzer nun gegenüber dieser Redaktion durchblicken.

    Zehn Prozent sind immer noch ein Milliarden-Kuchen, der wegen der verschärften Sanktionen gegen Putin bald kleiner werden dürfte. Denn in den russischen Knauf-Werken benötigte Einzelteile, die vor Ort nicht zu bekommen sind, ließen sich nur schwer dorthin exportieren, erklärt Knotzer. Das liege vor allem daran, dass kaum noch Lieferanten für den Transport in den Osten zur Verfügung stünden.

    Unterstützungsfonds für die Knauf-Mitarbeiter in der Ukraine

    Indes ist auch die Ukraine ein großer Punkt geworden auf dem Radarschirm in Iphofen. Gleich zu Beginn des russischen Krieges schloss Knauf sein Werk im Donbass. 590 Beschäftigte mussten aus Sicherheitsgründen zu Hause bleiben. Wo sie sich mittlerweile aufhalten, wie viele auf der Flucht sind, das sei nicht in allen Fällen klar, sagt Uwe Knotzer. Die Mehrheit sei wohl im Land geblieben.

    Die Beschäftigten seien über eine WhatsApp-Gruppe miteinander verbunden. "Soweit wir wissen, sind alle Mitarbeiter wohlauf", sagt Knotzer. Ihnen habe der Konzern drei Monatsgehälter im Voraus gezahlt, damit sie in den Kriegswirren sicherer über die Runden kommen. Außerdem sei ein Unterstützungsfonds gebildet worden. Mit ihm soll vor Ort Knauf-Beschäftigten geholfen werden, die zum Beispiel ihre Wohnung verloren haben oder in Geldschwierigkeiten stecken.

    Hilfe für Geflüchtete in Unterfranken

    Auch in Unterfranken ist das Unternehmen Teil der langen Reihe derer, die Geflüchteten aus der Ukraine helfen wollen. So ließ Knauf kürzlich im Technologiepark ConneKT in Kitzingen ein Gebäude herrichten, in dem nun 100 Menschen aus dem Kriegsgebiet eine Bleibe finden.

    Derlei Solidarität ist das eine, der Blick vor allem nach Russland ist das andere. Aus der Knauf-Chefetage war in den vergangenen Tagen immer wieder zu hören, wie brisant die Lage im Putin-Reich sei. Jedes falsche Wort hierzulande könne gefährlich werden für Knauf-Beschäftigte dort - gerade wegen der vom Kreml stark eingeschränkten Meinungsfreiheit.

    Eine Einschätzung, die sich in der täglichen 9-Uhr-Krisenrunde von Knauf mit dem Nebel jener Informationen mischt, was nun in Russland gilt. Zwar habe man sich in Iphofen schon nach den Weihnachtsferien, also Wochen vor Kriegsausbruch, intensiv und regelmäßig beraten, sagt Uwe Knotzer. "Deswegen kam der 24. Februar für uns nicht komplett überraschend."

    Knauf in Russland Anfänge: 1970 begann Unternehmensgründer Alfons Knauf einen Erfahrungsaustausch mit Wissenschaftlern und Institutionen in der Sowjetunion. Wenige Jahre später eröffneten die Iphöfer eine Repräsentanz in Moskau. Nach dem Fall der Mauer nahm Knauf 1993 in Krasnogorsk bei Moskau eine Gipsfabrik in Betrieb. Es war der Start des eigentlichen Russland-Geschäfts. Alfons Knaufs Sohn Nikolaus machte sich besonders für die Expansion im Osten stark. Dafür wurde er 2018 von der russischen Regierung auszeichnet. Außerdem war Nikolaus Knauf jahrelang ehrenamtlicher Honorarkonsul Russlands. Von dieser Position trat er kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen Ukraine zurück. Heute ist der Knauf-Konzern nach eigener Darstellung mit 14 Fabriken und 4000 Beschäftigten "der größte deutsche Investor in der Baubranche in Russland". Auch in der Ukraine, Belarus, Kasachstan, Georgien, Usbekistan, Aserbaidschan, Armenien, Kirgisistan, der Mongolei, Tadschikistan und Turkmenistan ist der Baustoff-Anbieter geschäftlich aktiv. aug

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