Früher war längst nicht alles besser, aber manches einfacher: die Wahlergebnisse zu verstehen zum Beispiel. Damit gemeint ist jetzt nicht das große Rad an Interpretationen und möglichen Koalitionen nach der Bundestagswahl, sondern das Ergebnis einzelner Orte und Stadtteile. Nicht nur das Gesamtergebnis von Kitzingen, Volkach und Dettelbach war spannend, und in der Zeitung als Tabelle zu finden, sondern auch die Stimmenverteilung in Effeldorf, Mainsondheim und Schnepfenbach.
Genau diese Ergebnisse sind heutzutage allerdings wenig aussagekräftig und sogar mit Vorsicht zu genießen. Grund dafür ist die Briefwahl, die sich schon lange großer Beliebtheit erfreut. Seit 2008 muss man nicht mehr begründen, warum man diese Form der Wahl bevorzugt, und seitdem nutzten sie immer mehr Menschen.
Briefwahlergebnisse lassen sich nicht dem Wahllokal zuordnen
Rund 40 bis 50 Prozent der Berechtigten entschieden sich diesmal für die Briefwahl, ergaben Stichproben in Unterfranken. Die bayernweite Quote wird laut dem Landesamt für Statistik erst mit dem endgültigen Wahlergebnis am 11. März veröffentlicht. In Kitzingen haben von den 14.858 Wahlberechtigten 6257 Briefwahl beantragt, eine Quote von 42,11 Prozent. In Sickerhausen lag diese mit knapp 54 Prozent am höchsten.
Geht es ans Auszählen, werden die Briefwahlunterlagen jedoch nicht dem Stadtteil oder Ortsteil zugeordnet, sondern kommen in eine große Kiste oder werden auf mehrere Briefwahlbezirke aufgeteilt. In Kitzingen waren das 13 an der Zahl. Deren Ergebnisse unterscheiden sich zum Teil sehr deutlich von denen der Urnenwähler am Sonntag.
Bei der AfD ist der Unterschied zwischen Briefwahl und Urne groß
Das auffälligste Beispiel: Die in Teilen rechtsextreme AfD erreichte bei den Zweitstimmen der Kitzinger Briefwähler zwischen 12,0 und 17,9 Prozent. Im Wahllokal Siedlungsschule I kam sie hingegen auf 41,6 Prozent der Zweitstimmen (Erststimmen: 42,9 Prozent), die CSU nur auf rund die Hälfte (20,3 und 23,3). Ein exakter Gesamtwert für den Wahlbezirk Siedlungsschule I lässt sich aus der Kombination beider Stimmabgaben nicht ermitteln, der Trend hin zu Rechtsaußen ist dennoch sichtbar.

Über 40 Prozent schaffte die AfD sonst nirgends im Landkreis, aber auch in Kirchschönbach (jeweils 37,1 Prozent bei den Zweit- und Erststimmen), Wiesentheid III (38,1 und 36,6 Prozent) und Michelfeld (39,3 und 35,7 Prozent) waren die blauen Werte der im Wahllokal abgegeben Stimmen enorm hoch.
Rechte schüren den Mythos von der gefälschten Briefwahl
Die Beliebtheit der Briefwahl ist bei den AfD-Wählern offensichtlich weniger stark ausgeprägt. Das könnte auch an der Lüge von möglichen Wahlmanipulationen bei der Briefwahl liegen, die Rechtspopulisten in mehreren Ländern verbreitet haben. Eine Strategie, die auch Donald Trump gewählt hatte, um Zweifel am Gesamtsystem zu schüren. Diesen Vorwurf widerlegt unter anderem ein Faktencheck der Deutschen Welle.
Die Frage, warum der blaue Balken der Ergebnisgrafik in manchen Gemeinden – wie Rüdenhausen insgesamt oder Ortsteilen wie der Kitzinger Siedlung – besonders lang war, ist damit jedoch nicht beantwortet.