Es ist nur ein kurzer Moment, leichte Selbstüberschätzung trifft auf glitschigen Untergrund, und schon rutscht die Reporterin ein Stück auf den Knien im Schlamm. Trotz guten Schuhwerks. Aber macht das den Volkacher Dschungelpfad zu einem gefährlichen Wanderweg? Zu einem, der dringend abgesperrt gehört, um die Menschen vor ihrem eigenen Leichtsinn zu schützen und weitere Rettungsaktionen dort zu verhindern? Oder muss dieses schöne Stück Wald entlang des Mains vor allem vor den Menschen geschützt werden angesichts seines Wertes als Naturschutzgebiet?

Viele Fragen rund um einen schmalen Waldweg von gerade mal 1,1 Kilometern Länge. Um dorthin zu gelangen, an das Mainufer zwischen Volkach und dem Weiler Kaltenhausen (Lkr. Würzburg), ist ab dem Parkplatz in Astheim erst einmal ein 2,5 Kilometer langer Marsch nötig. Der Nebel verschluckt an diesem Samstag im November das Leuchten der bunten Weinberge auf der anderen Mainseite, doch die Streuobstwiesen halten dagegen.
Der Bürgermeister steht als Wanderführer bereit
Volkachs Bürgermeister Heiko Bäuerlein spielt an diesem Vormittag den Wanderführer für die Reporterin, begleitet von Ehefrau Inka und Hündin Tessa. Beim Bürgermeister ist es selbst eine Weile her, dass er auf dem Dschungelpfad unterwegs war. Einheimische, so hört man in Gesprächen immer wieder, seien schlau genug, den Weg nach Regentagen zu meiden. Aber nun ja, der Termin war nun mal abgemacht. "Und wenn's nicht geht, drehen wir einfach um", sagt Bäuerlein.

Also weiter geht's in der feuchten Herbstluft, vorbei an Zwetschengenbäumen, die so spät noch schwere Lasten tragen. Vorbei auch an an Heinz Wagenhäuser, der mit seinem Sohn Karl gerade auf seiner Streuobstwiese arbeitet.
Den Dschungelpfad einfach absperren geht nicht
Die Diskussion rund um den Dschungelpfad kennen die beiden gut. Vater Heinz beobachtet regelmäßig die Wanderer, die mit "Schläpple" an den Füßen bei ihm vorbeikommen. Sohn Karl hilft als Mitglied der Wasserwacht dann bei deren Rettung. So wie bei dem Unfall Ende Oktober, bei dem sich ein 58-Jähriger schwer verletzt hat.

Ob ein Schild oder eine Schranke nicht helfen könnten, die Unvorsichtigen zu stoppen, will Heinz Wagenhäuser wissen. Und: "Werden die Leute dann zur Kasse gebeten?" Fragen, die nicht nur er sich stellt. Aber so einfach ist das alles nicht.
Antworten darauf finden sich im Bayerischen Naturschutzgesetz und im Bayerischen Feuerwehrgesetz. In Erstem heißt es, dass "der Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur jedermann gestattet" sei. Zudem seien "der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen".

Die Eigentumsverhältnisse sind beim Dschungelpfad ohnehin kompliziert. Ein Großteil ist Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, weil er im Uferbereich des Mains als Bundeswasserstraße liegt. Weitere Flächen gehören den Kommunen Volkach und Eisenheim oder sind in Privateigentum. Nicht nur deswegen sagt Bäuerlein kurz vor dessen Beginn, dass er den Dschungelpfad "nicht zugittern" wolle. Er wolle auch nicht, dass alle darunter leiden müssen, weil Einzelne ausrutschen – oder falsche Schuhe tragen.
Rettungen von Menschen und Tieren sind kostenfrei
Womit man wieder beim Feuerwehrgesetz wäre. Und darin heißt es, dass Rettungen von Personen oder Tieren bei akuter Gefahr immer kostenfrei sind. So erläutert es Wilfried Schober, Pressesprecher des Bayerischen Gemeindetags. Außer jemand habe sich "vorsätzlich oder grob fahrlässig" in Gefahr begeben.

Aber das hat Moritz Hornung, Pressesprecher der Volkacher Feuerwehr, bei den Einsätzen am Dschungelpfad bislang nicht erlebt. Aus Sicht der Rettungskräfte könne man "keinem der bisher Verunfallten grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorwerfen, nur weil er beim Wandern unglücklich stürzt oder zur falschen Zeit am falschen Ort einen Herzinfarkt bekommen hat". Denn nicht immer seien Stürze der Grund für Rettungseinsätze auf diesem Weg gewesen.
Der Dschungel entpuppt sich als Wald
Nun aber hinein in den vermeintlichen Dschungel. Welsh-Terrier-Hündin Tessa flitzt voraus, die Zweibeiner kommen gut hinterher. Der Pfad entpuppt sich als schöner Waldweg, anfangs leicht zu laufen. Aber als am Steilhang der matschige Untergrund unter dem bunten Laub hervorschaut, ist Vorsicht geboten. Und an der zweiten kniffligen Stelle sind die Füße dann ganz schnell in der Luft. Doch selbst Schuld: Die ausgestreckte Hand Bäuerleins war greifbar – seine Frau Inka ist schlauer.

Weiter geht's über Wurzeln durch den Wald und direkt am Mainufer entlang. Und ehe man sich versieht, ist die kurze Wanderung durch das mehrfache Schutzgebiet schon vorbei. Als solches ist der Mainhang an der Vogelsburg ein sensibler Bereich und als Naturschutz-, Vogelschutz und Flora-Fauna-Habitat-Gebiet ausgewiesen. Was Heiko Bäuerlein positiv auffällt: Taschentücher oder gar Müll sind nirgends zu sehen. Darauf scheinen die Leute immerhin besser zu achten als manche auf die Wahl der richtigen Wanderschuhe.

Sind aber die letzten rutschigen Matschwege geschafft, öffnet sich das Gelände auf eine weite Wiese Richtung Kaltenhausen. Der Landkreis Würzburg ist erreicht. Einmal umgedreht ist nun auch das Schild des Marktes Eisenheim zu sehen. "Begehen auf eigene Gefahr", liest man dort. Doch auch ein solches Schild sei "nur ein Hinweis mit belehrendem Charakter", klärt Wilfried Schober vom Gemeindetag auf. Man könne es zwar aufstellen, "es begründet aber keine Haftung". Einen ausgerutschten Wanderer zur Kasse zu bitten, geht also nicht.
Was der Reporterin bleibt nach diesem Ausflug, ist neben einer schmutzigen Hose die Erkenntnis: Der Dschungelpfad ist im nassen November keine gute Idee; gutes Schuhwerk und die richtige Ausrüstung sind dort aber zu jeder Jahreszeit ein Muss. Und noch eines wurde deutlich: Die Natur dort muss sicher mehr vor dem Menschen geschützt werden als der Mensch vor der Natur.
Einsätze am DschungelpfadDie Rettungseinsätze am Dschungelpfad ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich, auch weil daran neben der Feuerwehr meist die Wasserwacht Volkach, das THW Kitzingen und der Rettungsdienst beteiligt sind. Wie die Statistik der Volkacher Wehr (jeweils Stand 10. November) zeigt, machen diese aber nur einen Bruchteil aus. Einsätze am Dschungelpfad: 2017: 1, 2018: 0, 2019: 1, 2020: 1, 2021: 3. Einsätze gesamt: 2017: 84, 2018: 104, 2019: 89, 2020: 92, 2021: 90.Runder Tisch: Über das weitere Vorgehen in punkto Dschungelpfad beraten Anfang Dezember Vertreterinnen und Vertreter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes, der Kommunen Volkach und Eisenheim, des Landratsamtes und dessen Unterer Naturschutzbehörde sowie der örtliche Jagdpächter.Quelle: Moritz Hornung (FFW Volkach), bh