Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kitzingen
Icon Pfeil nach unten

Kitzingen: Verärgerte Bauern lassen Dampf ab: Waren die Bienen nur ein Vorwand für das Volksbegehren der Naturschützer?

Kitzingen

Verärgerte Bauern lassen Dampf ab: Waren die Bienen nur ein Vorwand für das Volksbegehren der Naturschützer?

    • |
    • |
    Die Artenvielfalt geht stark zurück. Was wurde durch das Volksbegehren "Rettet die Bienen" erreicht, um diese Entwicklung zu verlangsamen? Darum ging es in einer Podiumsdiskussion in Kitzingen.
    Die Artenvielfalt geht stark zurück. Was wurde durch das Volksbegehren "Rettet die Bienen" erreicht, um diese Entwicklung zu verlangsamen? Darum ging es in einer Podiumsdiskussion in Kitzingen. Foto: Sven Hoppe/dpa

    Wie viele Stühle es wohl im Publikum braucht für die Podiumsdiskussion "5 Jahre Volksbegehren 'Rettet die Bienen' – Zwischenbilanz und Ausblick", zu der Landesbund für Vogelschutz (LBV), Ödp und Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Kitzingen eingeladen hatten? Etwa 100 Männer und Frauen folgten der Einladung ins Kitzinger Stadtteilzentrum und damit mehr, als die Organisatoren erwartet hatten. Das Interesse war groß, aber auch die Kluft, die zwischen den Beteiligten herrscht.

    Die Emotionen kochten hoch, Moderator Jürgen Gläser äußerte sich "überrascht und erschrocken" über die Fronten, die sich auftaten. Schon bei der ersten Wortmeldung aus dem Publikum wurde klar: Das Vertrauen zwischen den Landwirten auf der einen sowie Politik und Vertretern von Verbänden auf der anderen Seite ist noch immer nachhaltig gestört. 

    Worum ging es beim Volksbegehren "Rettet die Bienen"?

    Das Volksbegehren im Jahr 2019 war das erfolgreichste bislang in Bayern: Über 1,7 Millionen Bürger haben unterschrieben. Es gilt als "Meilenstein" für den Naturschutz im Freistaat. Ein neues Naturschutzgesetz wurde verabschiedet, wobei der Ministerpräsident teilweise deutlich über die Forderungen des Volksbegehrens hinausgegangen sei, erinnerte LBV-Landesvorsitzender Dr. Norbert Schäffer in seinem Impulsvortrag. Darin zeigte er auf, wie dramatisch sich der Vogelbestand in den vergangenen Jahrzehnten verringert hat. In der Agrarlandschaft habe man über die Hälfte der Arten verloren. Das sei kein Vorwurf an die Landwirte; kein Landwirt habe etwas Illegales getan. Er beschreibe als Biologe die Ausgangssituation, die herrschte, als es vor fünf Jahren hieß, so könne es nicht weitergehen und das Volksbegehren initiiert wurde.

    Was wurde bislang erreicht?

    Ein Erfolg: Fünf Millionen Streuobstbäume sollen erhalten, eine Million neue gepflanzt werden.
    Ein Erfolg: Fünf Millionen Streuobstbäume sollen erhalten, eine Million neue gepflanzt werden. Foto: Steffen Kahl  (Archivbild)

    Als bislang größten Erfolg bezeichnete Schäffer den Streuobstpakt. Streuobstberater wurden eingestellt, die fünf Millionen noch vorhandenen Streuobstbäume sollen erhalten, eine Million neue nachgepflanzt werden.  Zehn Prozent der Staatswälder wurden aus der Nutzung genommen. Weitergekommen sei man auch beim Grünland und den Gewässerrandstreifen – die Landwirte müssen jetzt mit ihrer Bewirtschaftung mehr Abstand halten. Langsamer komme man beim Ökolandbau voran. Und bei den Biotopverbünden, zusammenhängenden Flächen, die einem besonderen Schutz unterliegen, sei noch nicht viel passiert. Dabei hält Schäffer dieses Ziel für wichtiger als alle anderen zusammen.

    Was sagen die Vertreter der Politik?

    Wie die Ödp-Landesvorsitzende Agnes Becker, eine der Initiatorinnen des Volksbegehrens, sagte, sei es nie darum gegangen, ob sich die Sache politisch lohne. Die Krefelder Insekten-Studie habe aufgeschreckt. Demnach hat die Biomasse flugaktiver Insekten in Naturschutzgebieten in 27 Jahren um über 75 Prozent abgenommen. Man habe etwas gegen das Artensterben tun müssen. Die Menschen seien durch das Volksbegehren auf das Artensterben aufmerksam geworden, sagte Patrick Friedl, MdL Bündnis 90/Die Grünen. Dass sich die Gesetzeslage geändert habe, sei ein Erfolg. Teilweise seien die Ziele aber hoch gesetzt – da stelle sich die Frage, ob überhaupt ernsthaft politische Schritte unternommen werden, um sie wirklich zu erreichen. Diese Ernsthaftigkeit vermisse er.  

    Was sagen die Landwirte?

    Was hat das Volksbegehren "Rettet die Bienen" gebracht und wie geht es weiter? Bei der Diskussion in Kitzingen gab es teilweise sehr emotionale Debatten, insbesondere mit dem Publikum.
    Was hat das Volksbegehren "Rettet die Bienen" gebracht und wie geht es weiter? Bei der Diskussion in Kitzingen gab es teilweise sehr emotionale Debatten, insbesondere mit dem Publikum. Foto: Daniela Röllinger

    In den Aussagen auf dem Podium und im Publikum wurde deutlich, dass die Landwirte noch immer sehr verärgert sind. "Auf uns wurde projiziert, wir hätten die Schuld an der Misere", sagte der stellvertretende Kitzinger BBV-Kreisobmann Helmut Schmidt. Den Landwirten sei gesetzlich viel übergestülpt worden, was zuvor freiwillig schon geleistet und über das Kulturlandschaftsprogramm (KuLaP) gefördert worden sei. Manches könnten die Bauern noch gar nicht umsetzen. Beispielsweise bei den Gewässerrandstreifen habe es uralte Pläne gegeben und erst jetzt, nach fünf Jahren, lägen neue Kartierungen vor. Einer der Kritikpunkte der Landwirte ist noch immer, die Biene sei für das Volksbegehren instrumentalisiert worden, dabei sei die Honigbiene ein Haus- und kein Wildtier. Es gehe um den Lebensraum, erwiderte Agnes Becker darauf und der sei bei Honig- und Wildbienen gleich. 

    Was fordern die Landwirte?

    Die Landwirtschaft leiste schon viel für den Arten- und Naturschutz, sagte Pascal Böhnlein, Landwirt aus Dimbach bei Volkach, unter anderem über das KuLaP. Wenn die Landwirte einen Beitrag für die Gesellschaft erbringen, müsse dieser Aufwand auch vergütet werden. Dabei sei wichtig, dass die Regelungen nicht nur ein paar Jahre gelten und dann wieder über den Haufen geworfen werden, fügte Helmut Schmidt an. Am Beispiel Ökolandbau und dem zwischenzeitlichen Preisverfall für Ökoprodukte erklärte Böhnlein, es sei nicht richtig, wenn für einen höheren Aufwand und ein hochwertigeres Gut weniger Geld gezahlt werde. "Das Problem ist der Verbraucher." Würde der sein Kaufverhalten tatsächlich umstellen, wären mehr Bauern bereit, auf biologischen Anbau umzustellen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung nannte Friedl: Öffentliche Kantinen müssten mehr Bio- und regionale Produkte kaufen. Den Ruf der Landwirte nach mehr Verlässlichkeit nannte er nachvollziehbar.

    Wie ist das Fazit?

    Artenschutz und die Frage, was dafür zu tun ist, ist letztlich nicht nur ein agrarpolitisches, sondern ein gesellschaftliches Problem, sagten sowohl Dr. Otto Hünnerkopf, ehemaliger Landtagsabgeordneter, der eine kleine landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet und als "Grüner" innerhalb der CSU gilt, als auch Edith Sachse von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. "Lassen Sie uns die Misere anerkennen und gemeinsam nach Lösungen suchen", appellierte Norbert Schäffer. Ob dieser Abend ein Schritt dahin war? Zumindest verließ nach Ende der Veranstaltung kaum einer gleich den Saal, vielmehr standen die Menschen noch eine ganze Zeit lang in Gruppen zusammen und diskutierten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden