Eigentlich ist der Termin für die Bewerbung abgelaufen. Christoph Tacke entdeckt die Ausschreibung auf den letzten Drücker: Für die Volkacher Vogelsburg, die kurz zuvor von der Stiftung Juliusspital übernommen worden ist, wird ein neuer Pächter gesucht.
Das war an Ostern vor zwei Jahren. Ein halbes Jahr später trifft am Chiemsee ein Brief aus Würzburg ein. Darin die Zusage: Christoph Tacke hat den Zuschlag als Betreiber. Neben der Vogelsburg als perfekten Ort ist es für den gebürtigen Eibelstädter auch der perfekte Zeitpunkt: Nachdem er nach seiner Ausbildung im damaligen Hotel Victoria in Bad Mergentheim hinaus in die Welt gegangen war, um Erfahrungen zu sammeln und sich auszuprobieren, schien jetzt, mit Anfang 30, die Zeit für eine Rückkehr gekommen. Tacke will in der Heimat eine Herausforderung annehmen. Will sesshaft werden. Um neben der eigenen Karriere auch die Familienplanung vorantreiben.
Wenig später steht Christoph Tacke zusammen mit seiner Frau Anna-Lena im Rohbau des künftigen Hotels. Baustellenbesichtigung. Man kann es erahnen: Der verträumte Ort, an dem die Zeit stehengeblieben scheint, schickt sich an, den Weg in die Zukunft anzutreten. Noch bedurfte es einiger Fantasie, um sich vorzustellen, was hier entstehen würde. Gleichzeitig war da auch diese Wehmut: War es nötig, das Dornröschen-Dasein zu beenden? Würde ein Neubau etwas von dem nehmen, was den Reiz dieser begnadeten Erhebung über dem Volkacher Altmain ausmacht?
Nach der Rohbau-Besichtigung gingen die Tackes noch dahin, wo alle Vogelsburg-Besucher hingehen: An die Mauer zum Weinberg mit Blick auf den Altmain, Nordheim und Escherndorf. Das Ehepaar spürte genau das, was die Gäste spüren: ein magischer Ort, voller Faszination. Wenn es so etwas wie Sehnsuchtsorte gibt, ist die Vogelsburg einer davon. Für die neuen Betreiber war spätestens jetzt klar: Alles richtig gemacht, hier hatten sie ihre Lebensaufgabe gefunden.
Neben dem Panoramablick ist es die über 1100-jährige Tradition, die das Vogelsburg-Gefühl ausmacht. Ein Gefühl, das mit Spiritualität zu tun hat und 50 Jahre lang von der Gemeinschaft der Augustinusschwestern geprägt wurde. Sie bewirtschafteten die Vogelsburg, bauten früh wie sonst kaum einer Öko-Wein an und hielten, so lange es ging, die Tradition aufrecht.
Das nächste Kapitel in der Geschichte des 845 erstmals erwähnten Siedlungsortes schlug die Stiftung Juliusspital auf. Nach der Übernahme des Areals von den verbliebenen vier Schwestern, die auf der Vogelsburg weiterhin ihren Altersruhesitz haben, begann im Herbst 2013 eine Grundsanierung samt Neubau, die sich über drei Jahre hinziehen und acht Millionen Euro kosten sollte. Eine Art Vogelsburg 2.0.
Das Ganze geschah etappenweise: Zunächst wurde die Vogelsburg für 20 Monate gesperrt. Eine schwere Zeit für die eingefleischten Vogelsburg-Fans. Viele kamen vorbei, um sich an den Bauzäunen wenigstens die Nase platt zu drücken.
Nach der Teileröffnung im Juli 2015 – mit über 1000 Besuchern an einem Tag – gingen die Arbeiten neun Monate an der eigenen Vogelsburg-Kirche „Mariä Schutz“ sowie im angrenzenden Burggebäude weiter. Anfang Juni dieses Jahres war es dann vollbracht und die Komplettsanierung der Vogelsburg abgeschlossen.
Ergebnis dieser Aktivitäten: Ein Hotel mit 28 Doppelzimmern, ein Restaurant mit 80 Sitzplätzen, ein Weingarten mit 250 Plätzen sowie Tagungs- und Veranstaltungsräume für 100 Personen, ganzjährig geöffnet. Und: Es gibt nun auch eine neue Aussichtsplattform, die sehr zur allgemeinen Verzückung der Besucher ein Stück in den Weinberg ragt – inklusive Selfie-Fließbandproduktion.
Kaum in Vollbetrieb, setzte sich der Ansturm fort, der auch schon am Bauzaun zu erleben war: Mitte Juni gab es die erste Hochzeit auf der Vogelsburg mit 110 Gästen. Gebucht wurde schon während des Umbaus – und das weit im Voraus. Wer auf der Vogelsburg heiraten und feiern will, bekommt bis Mitte Oktober keinen Termin mehr. Und bis auf Einzeltermine auch nicht für 2017. Gebucht wird gerade für 2018. Bleibt nur die Zeit von November bis März. Dass der Touristenstrom im Winter nicht wie bisher schlagartig abreißt, ist momentan die letzte Baustelle, an der die Betreiberfamilie arbeitet.
Ansonsten spielt sich auf der Vogelsburg 2.0 gerade alles ein. Das neue Leben an dem geschichtsträchtigen Ort betrifft auch die eigene Familie – bei den Tackes ist inzwischen das erste Kind da.