Endlos lange Schlangen an militärischen Fahrzeugen verlassen in verschiedenen Gruppen den Volkacher Bundeswehrstandort in Richtung Autobahn. An jeder Kreuzung stehen Soldaten als Sicherungskräfte und warnen den zivilen Verkehr. Das Ziel von mehr als 300 Soldaten und 100 Fahrzeugen aller Kategorien ist der Truppenübungsplatz Senne bei Paderborn.

Die alarmierende Lage: "Das Land 'Obsidia' hat Gebietsansprüche an den Nato-Partner 'Altaverdo' angemeldet. Kriegshandlungen sind nicht mehr auszuschließen!" Glücklicherweise sind beide Staaten und das geschilderte Geschehen fiktiv. Doch wie schnell so ein Szenario Wirklichkeit werden kann, zeigen die Kriegsereignisse in der Ukraine.

Der Volkacher Kommandeur Holm Schreiter erklärt den Übungseinsatz in den fiktiven Ländern: Die Nato hat hierzu den Bündnisfall ausgerufen. Dazu wird jetzt die "NRF" (Nato Response Force) alarmiert. Zu Deutsch: Nato-Reaktionsstreitkräfte oder auch "Schnelle Einsatzgruppe" der Nato. Das Volkacher Logistikbataillon stellt dazu im Rahmen seines militärischen Auftrages Soldaten und Gerät für das gesamtdeutsche Kontingent. Diese Einheit kommt nun mit weiteren Einheiten aus dem Bundesgebiet in Senne zum Einsatz. Insgesamt sind 500 Soldaten und 230 Fahrzeuge an der Übung beteiligt.

"Die Ereignisse in der Ukraine zeigen uns, dass wir kriegstauglich werden müssen. Und diese Übung ist ein Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel", sagt Oberst Kai Häußermann, Chef der deutschen Logistiktruppen. Bei Übungshalbzeit waren neben einer Gruppe von jungen Offiziersanwärtern und Offiziersanwärterinnen auch Bürgermeister und eine Bürgermeisterin der Patengemeinden der Volkacher Garnison eingeladen, um sich vor Ort ein Bild von der Situation machen zu können: Elisabeth Drescher (Sommerach), Heiko Bäuerlein (Volkach) und Herbert Fröhlich (Frankenwinheim), alles aus dem Landkreis Kitzingen, verfolgten die Übung interssiert.

Kernaufgabe dieses Verbandes sei es, so Oberstleutnant Holm Schreiter, eine bei dieser Übung nur imaginär eingesetzte deutsche Luftwaffeneinheit zu unterstützen. Seine Truppe ist dafür verantwortlich, dass die Luftwaffe alles erhält, was sie braucht, damit die Flugzeuge in die Luft kommen. "Das ist wie am Frankfurter Flughafen: alles was sie davor oder dahinter sehen, macht das Bataillon!"
Damit dies funktioniert, ist eine gewaltige logistische Leistung erforderlich. Die Einheiten kommen aus Walldürn, Husum und Volkach. Es gibt eine Nachschub -, Instandsetzungs-, Stabs- und eine Transportkompanie. Zählt man die einzelnen Fahrleistungen der eingesetzten 230 Fahrzeuge zusammen, kommt man auf knapp 400.000 km.

Die jeweiligen Funktionsgruppen der Logistiker sind in dem fast endlos weiten Areal des Truppenübungsplatzes im Abstand von durchschnittlich zehn Kilometer verteilt. Ihre Unterkünfte und Werkstätten sind in Form von Modulen zusammengesetzt und mobil in kürzester Zeit verlegbar. Permanent fahren Transport-Lkw zu den einzelnen Standorten, um Ware abzuholen und von Punkt A nach B zu bringen. Ein verwirrender Kreislauf, der aber seine exakte militärische Ordnung hat.
Herzstück ist die Operationszentrale (OPZ). Zehn Tage dauert die Übung und verlangt den Soldaten und Soldatinnen in sengender Sommerhitze alles ab. Geschlafen wird in Zelten oder direkt auf den Ladeflächen der Lkw. Wo es eben gerade passt. Und in viel zu geringer Anzahl gibt es noch, ebenfalls mobil aufgestellt, sanitäre Einrichtungen. Essen kommt durch eine Versorgungseinheit. Manchmal ist da das berühmte "EPA" (Ein-Mann-Versorgungspaket) dabei.

Viel Zeit zum Schlafen bleibt nicht, es gilt ein Drei-Schichten-Dienst: Acht Stunden Arbeiten, acht Stunden Sicherungsdienst (Wache schieben) und acht Stunden Ruhen. "Wir steuern auf einen Krieg zu und müssen uns auf diesen 'Worst Case' einstellen," sagt Logistik-Chef Kai Häußermann. "Die Zeiten, in denen man sich in Ruhe auf Einsätze vorbereiten konnte, auch im privaten Bereich, sind vorbei." Das Verteidigungsministerium hat mittlerweile die Reaktionszeit der NRF-Einsatzgruppen von 30 Tagen auf sieben Tage zurückgeschraubt. Die derzeitige aktuelle politische Lage, die in der Alarmierungskategorie als "sehr ernst" eingestuft wird, erfordere dies, so Oberst Häußermann.