Es ist 16.15 Uhr an einem Tag im vergangenen September, ein Nachmittag in einem Kitzinger Restaurant. Zwei dort angestellten Frauen fällt auf, dass ihr Kollege nicht zur Arbeit erschienen ist. Eigentlich hätte der 28-Jährige bereits vor einer Dreiviertelstunde seinen Dienst antreten sollen. Und eigentlich, so werden sie später vor dem Kitzinger Amtsgericht aussagen, sei er immer pünktlich und zuverlässig. Deshalb machen sich die beiden Frauen Sorgen und beschließen, ihn anzurufen.
Den Videocall nimmt der Mann zwar entgegen, doch auf dem Bildschirm ihres Smartphones erkennen die Frauen sofort, dass etwas nicht stimmt. Sichtlich blutend erzählt er den beiden, dass er auf dem Weg zur Arbeit vom Fahrrad gestürzt sei. Seine Kolleginnen erkennen, dass er sich in der Alemannenstraße aufhalten muss, und sie entschließen sich, ihm zur Hilfe zu eilen.
Nachdem sie ihn zur gemeinsamen Arbeitsstelle gebracht haben, wirkt er benommen. Die Frauen machen sich weiter Sorgen und kontaktieren den Chef, der für seinen Mitarbeiter einen Krankenwagen ruft. Die beiden hinzugezogenen Polizisten lassen noch im Krankenhaus eine Blutprobe anordnen. Mit dem Ergebnis: 1,66 Promille Blutalkohol. Gegen den 28-Jährigen wird Strafbefehl erlassen. Wegen Trunkenheit im Straßenverkehr soll er 20 Tagessätze à 70 Euro zahlen.
Beschuldigter nimmt die Strafe nicht an und legt Einspruch ein
Dagegen legt er Einspruch ein. Der Prozess vor dem Amtsgericht Kitzingen dreht sich nun deshalb um die Frage, ob der Beschuldigte tatsächlich während der Fahrt gestürzt ist, oder das Rad etwa lediglich geschoben hat und anderweitig gestürzt ist. Die beiden Frauen sowie die beiden Polizisten können im Zeugenstand nicht mehr genau sagen, ob der Beschuldigte davon gesprochen hatte, selbst gefahren zu sein.
Und der Mann selbst schweigt, will während des gesamten Prozesses keine Angaben machen. Einzig die Frage von Richterin Ilka Matthes danach, wie lange der Heilungsprozess seiner Wunden gedauert habe, beantwortet er: "ungefähr zwei Wochen".

Die Wunden – darunter starke Schürfwunden an Kopf, Händen, den Armen und am linken Oberkörper – sowie die Kratzer an der linken Lenkerseite des Fahrrads, sprechen für die Richterin eine eindeutige Sprache. Da es keine unmittelbaren Zeugen des Unfalls gab, handele es sich in diesem Fall um einen Indizienprozess.
Indizien sprechen laut Richterin Matthes eine eindeutige Sprache
Somit könne sie sich keine denkbare Option ausmalen, in der ähnliche Verletzungsmuster bei einem Fahrradunfall entstehen würden, bei dem der Betroffene nicht selbst das Rad gefahren hätte: "Es ist grün wie ein Frosch, es sieht aus wie ein Frosch, also wird es wohl ein Frosch gewesen sein", sagt sie sinnbildlich.
Der Verteidiger des Beschuldigten bemerkt offenbar die Richtung, in die sich der Prozess bewegt und beantragt eine kurze Unterbrechung. Als er mit seinem Mandanten wieder in den Saal zurückkehrt, erklärt er, dass dieser einlenkt und den Einspruch zurückzieht. Der Strafbefehl ist damit rechtskräftig.