Selbst Weltrekord-Fahrer kann mal ein dringendes Bedürfnis überkommen. Aber daran soll der neue Weltrekordversuch nun wirklich nicht scheitern. Nicht umsonst gibt es so ausgeklügelte Erfindungen wie den Urinal-Beutel.
Auch sonst sind Stefan Seemann und Benji le Fakir alias Frank Rößler bestens vorbereitet. Zwei Wochen Training zum „warm werden“ mit täglich acht Stunden im Boomerang im Freizeitland Geiselwind liegen hinter ihnen. Mit Beginn des Ernstfalles fährt das Duo jedoch nicht nur Achterbahn, sondern isst, trinkt und schläft in Deutschlands einziger Looping-Achterbahn mit Vorwärts- und Rückwärtsfahrt.
Wo genau die Rekord-Jäger ausharren, lässt sich schnell erkennen: Wehende Deutschland-Fahnen, Stofftiere, ein paar Extra-Polsterungen – im letzen Wagen tobt der Durchhalte-Kampf. Ganz hinten der Herausforderer, der Titelverteidiger hat den Platz direkt davor. Weil die Tuchfühlung gar so eng ist und weil man als Dauer-Achterbahnfahrer in gewisser Weise wohl auch ein Spaßvogel sein muss, wurde auf den Schlusslicht-Wagen in weißen Buchstaben „Just married“ (frisch verheiratet) gepinselt.
Unter solchen Umständen bekommt die Hochzeitsnacht eine völlig neue Bedeutung – allzu lange dürften sich der 35-jährigen Rekord-Inhaber aus Hirschau (Oberpfalz) und sein fünf Jahre älterer Kontrahenten aus Pforzheim darüber jedoch nicht amüsiert haben. Zu der Frage, wo oben und wo unten ist, kam am Wochenende auch die Wetter-Frage: Würde es jemals wieder aufhören zu regnen? Ein leichter Auftakt sieht anders aus.
Seit dem Start am Samstag, 9.18 Uhr, als der rote Zug zum ersten Mal von der 38 Meter hohen Startrampe losgelassen wurde, ist der letzte Wagen so etwas wie das Wohnzimmer der beiden Rekord-Jäger. Nach jeder 90-Sekunden-Fahrt hält der Boomerang maximal vier Minuten – und schon geht es wieder von vorne los. Eine Herausforderung nicht nur für Mensch, sondern auch für Material. Weshalb jeweils zwei Techniker im Drei-Schicht-System den Boomerang bedienen und genau im Auge haben. Außerdem stehen zwei Helfer der Johanniter sowie zwei eigene Ärzte bereit, um das Risiko in Grenzen zu halten.
Dass trotzdem immer noch genügend Gefahr mitfährt, zeigt eine sich regelmäßig wiederholende Prozedur: Thrombose-Spritzen sind Pflicht. Nachts, wenn die Besucher den Park längst verlassen haben und Ruhe eingekehrt ist, gibt es zudem Helme. Falls trotz des Gerüttels doch jemand eine Mütze Schlaf abbekommt, soll wenigstens der Kopf geschützt sein.
Das 14-Tage-Duell
Außer, dass sich pro Stunde fünf Minuten Zeitguthaben ansammeln, um die Achterbahn wenigsten mal kurz verlassen zu können, hält sich das Regelwerk in Grenzen. Es geht zunächst einmal darum, die neuneinhalb Tage aus dem Vorjahr zu knacken. Und dann sollte möglichst auch irgendwann der Kontrahent klein beigeben. Weil sich das hinziehen kann, geht Michael Mensinger, Geschäftsführer des gastgebenden Freizeitparkes, von einem 14-Tage-Duell aus, an dessen Ende womöglich 7000 Fahrten absolviert sein werden.
Ein langes und zähes Ringen sagt auch Dagmar Rößler voraus. Die Ehefrau des Herausforderers kann ebenso wie ihr Mann einen schönen Künstlernamen vorweisen. Lady Kara verdient sich ihren Lebensunterhalt als Wahrsagerin. Karten legen und pendeln – damit will sie der Zukunft auf die Schliche kommen. Und zwar mit dieser Mischung: „Die Karten machen 80 Prozent aus. Der Rest ist spirituell.“
Genau diese 80:20-Verhältnis hat Lady Kara auch im Falle des Weltrekord-Versuchs für die MAIN-POST zum Einsatz gebracht. Nachdem die 32 Karten als so genanntes keltisches Kreuz gelegt waren, stand der Name des Siegers fest und wanderte in einen verschlossenen Briefumschlag. Der befindet sich – und damit beginnt die nächste verrückte Geschichte – in der Redaktion und wird erst geöffnet, wenn das Duell tatsächlich zu Ende ist.
Weitere Infos im Internet:
- www.der-fakir.eu
- www.freizeitpark-weltrekord.de
- www.karas-tarotkarten.de