"Willst du schon einmal eine Scheibe Gelbwurst?", fragt Lena Bausewein. An der Theke der Metzgerei Bausewein stehen mehrere Kunden, hinter der Theke laufen eine Verkäuferin, Oma Christa, Tante Ricarda und Enkelin Lena hin und her, schneiden Wurst auf, verpacken, kassieren ab. Im Familienbetrieb, eine kleine Metzgerei in Prichsenstadt, 3162 Einwohner, hat die 22-jährige Lena Bausewein vor drei Jahren ihre Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin abgeschlossen. Auch im Trubel des Donnerstagnachmittags hält sie den Klassiker aller Verkaufsfragen in der Metzgerei mit einem Lächeln parat und schon beißt ein Nachwuchs-Kunde in die Gelbwurstscheibe.
Um Nachwuchs hinter der Theke ist es allerdings nicht so gut bestellt. Im Landkreis Kitzingen sind derzeit laut Handwerkskammer vier Ausbildungsstellen im Fleischereifachverkauf frei, unterfrankenweit sind es 77. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der neuen Auszubildenden im Lebensmittelhandwerk stark rückläufig, im Bereich der Fleischerei hat sich die Anzahl von 2011 bis 2021 halbiert.
"Ich muss mal ganz ehrlich sein: Wenn ich den Betrieb hier nicht hätte, weiß ich nicht, ob ich überhaupt auf die Idee gekommen wäre", sagt Bausewein über die Wahl ihrer Ausbildung. Die Freundinnen aus der Realschule sind nach dem Abschluss auf die Fachoberschulen gewechselt. Doch Bausewein entschied, die Ausbildung zu machen – und will zusammen mit ihrer Schwester Hanna (24) den Familienbetrieb weiterführen.
Zwischen Theke und Partyservice-Beratung

"Einfach nur den Verkauf. Nicht viel mehr und nicht viel weniger", das stellen sich Bauseweins Erfahrung nach andere unter ihrem Beruf vor. Dabei spielt sich auch einiges in den Räumen hinter der Theke ab. "Was ich so faszinierend fand: Dass es ohne Vorbereitung gar nicht geht", sagt sie über ihre Arbeit als Verkäuferin.
Opa Hans schneidet jeden Freitag und Samstag den Aufschnitt – eine Arbeit, die in anderen Betrieben auch die Fachverkäufer noch vor Ladenöffnung erledigen, weiß Bausewein. Viel Arbeit stecke auch im Partyservice: Meist zum Wochenende hin bereitet Bausewein Fingerfood für Hochzeiten, Geburtstage oder Firmenveranstaltungen vor. Wie sie Kundinnen und Kunden für solche besonderen Anlässe beraten kann, gehörte ebenfalls zur Ausbildung, erklärt die 22-Jährige.
In der Ausbildung geht es auch um Vegetarisches
"Im Partyservice ist schon ein Umdenken da. Das ist auch überhaupt kein Problem", sagt Bausewein über den Trend zur vegetarischen und veganen Ernährung. Zusammen mit Schwester Hanna hat sie sich eine vegane Avocadocreme ausgedacht. Die spritzt sie zu gleichmäßigen Krönchen auf kleine Portionen Tomatensalat und platziert obendrauf vorsichtig ein Blatt Sauerampfer. Welche Kräuter wann gut passen, seien Erfahrungswerte von Oma Christa. Ideen von den anderen Verkäuferinnen im Betrieb nehme Bausewein ebenfalls gern an.

Vegane Küche gehörte Bausewein zufolge genauso zum Berufsschulunterricht wie verschiedene Unverträglichkeiten. Die Familienmetzgerei reagiert ebenfalls bereits auf die Ernährungstrends: Vater Volker kümmert sich beispielsweise um die Herstellung des hausgemachten Grillkäse. "Es ist wirklich nicht das Hauptgeschäft, muss man gleich sagen. Aber man hat auf jeden Fall immer etwas da", sagt Lena Bausewein. Und: "Die eine oder andere Freundin ist jetzt Veganerin"– die Freundschaft sei trotzdem geblieben.
Dass es deshalb noch weniger Azubis gibt, glaubt Bausewein nicht: "Das Problem gibt's seit über zehn Jahren, dass der Nachwuchs extrem zurück gegangen ist. Das macht das Kraut auch nicht mehr fett." Sie findet sogar, dass das Umdenken ein Vorteil sein könnte für die Metzgerei, weil bewusster eingekauft wird. Die Höfe, von denen Bauseweins ihr Fleisch beziehen, schaut sich zwar ihr Vater als Betriebsleiter an. "Aber jede Verkäuferin weiß, woher das Fleisch kommt" – und die Kundinnen und Kunden würden auch vermehrt danach fragen.
Vertrauen in die Zukunft auf die Probe gestellt
Um den Betrieb in Zukunft gemeinsam führen zu können, wollen die beiden Schwestern eine Weiterbildung dranhängen: den Meister. Einen eigenen Meistertitel für den Fleischereifachverkauf gibt es nicht, aber mit einer Weiterbildung zur Verkaufsleitung sei es möglich, eine Filiale zu leiten. Die beiden Schwestern zählen außerdem die unterschiedlichsten Fortbildungen auf: Ernährungsberatung, Wild- und Schinkensommelier, oder Fachwirt und Betriebswirtin. Lena Bausewein hat einen Abschluss als Fleischtechnikerin drangehängt, mit dem sie beispielsweise auch in der Lebensmittelindustrie arbeiten könnte.

Durch die Aussicht auf die Betriebsleitung müssen sich die beiden Schwestern besonders viel Gedanken um die Zukunft der Metzgereien machen. "In Baden-Württemberg schließt zurzeit jede Woche eine Metzgerei" – diese Aussage hat Bausewein auf einer Versammlung des Fleischereiverbands Anfang Oktober gehört und sie ist ihr im Gedächtnis geblieben. "Viele würden ausbilden, finden aber derzeit keine Leute", sagt sie. Der Personalmangel sei ein großer Grund für Betriebsaufgaben, aktuell kämen dazu noch die gestiegenen Energiekosten. "Bei einem Bekannten ist es wirklich schon der Fall, dass sie nur noch bis 15 Uhr öffnen können", weiß Bausewein.
Andere für den Beruf begeistern

In Sachen Personal haben Bauseweins Glück, neben der Familie arbeitet ein Metzgerazubi im Betrieb und kürzlich schulte eine junge Frau zur Fachverkäuferin um. Doch die Industrieküche im Hinterraum steht voller technischer Geräte, die alle Energie brauchen fürs Kühlen, Räuchern, Trocknen. Die Metzgerei hängt am Gas – das Gebäude im Ortskern steht Bausewein zufolge unter Ensembleschutz. Erst vor kurzem begann das bayerische Kabinett, das Denkmalschutzgesetz im Hinblick auf Photovoltaik-Anlagen zu lockern. "Immer, wenn es schon zu spät ist", sagt Bausewein.
"Es gibt schon junge Leute, die dann sagen: Das traue ich mir jetzt nicht mehr zu." Um den Beruf attraktiver zu machen und damit sich andere etwas darunter vorstellen können, engagiert sich Bausewein in der Nachwuchsarbeit. Mit der Fleischernationalmannschaft tritt sie bei Wettbewerben an und richtet selbst auf Fleischermessen Wettbewerbe für Azubis aus.
Neue Ideen sind gefragt
"Von den Arbeitszeiten her kann ich es echt empfehlen", sagt sie über den Verkauf im Handwerksbetrieb. "Man muss Lust haben auf Lebensmittel allgemein, kreativ sein und im Team arbeiten könnnen." Im Familienbetrieb war sie die jüngste, mit großem Abstand zu den anderen Verkäuferinnen. "Das sollte man sich echt nicht davon abschrecken lassen", sagt sie, "zum Beispiel die Oma ist so modern und macht alles mit", sagt Bausewein.
Die junge Fachverkäuferin bestreicht gerade Braten mit einer Kräuterkruste; auf die Idee sei Oma Christa gekommen. Um Plastik oder Aluminium einzusparen, hat die 74-Jährige außerdem wiederverwendbare Bambusschälchen für die Braten bestellt. Dass den beiden Schwestern auch in Zukunft etwas einfallen wird, egal, wohin die Nachfrage sich entwickelt, da ist sich Bausewein sicher.