Der Prozess gegen die drei Betreiber eines Kitzinger Pflegedienstes liefert nach vier Wochen am Landgericht Nürnberg-Fürth wichtige Einblicke. Im Zentrum stand zuletzt die Frage, wie sorgsam die Qualität der Arbeit solcher ambulanter Dienste überwacht wird.
Im Zeugenstand sagten dazu nach Angaben von Gerichtssprecherin Tina Haase jetzt Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes aus.
Was wusste der Medizinische Dienst von Zuständen beim Pflegedienst in Kitzingen?
Von den Zeugen erhofft sich das Gericht Aufklärung darüber, welche Mängel es bei dem ambulanten Dienst in Kitzingen gab. Von Interesse ist auch die folgende Frage: Wussten die Krankenkassen schon vor der Razzia der Staatsanwalt im vorigen September, dass sie in Kitzingen jahrelang Millionen Euro für die Versorgung pflegebedürftiger alter Menschen zahlten, ohne dass die Leistungen wirklich erbracht wurden?
Angeklagt sind ein Ehepaar aus Würzburg und sein Sohn, die den ambulanten Pflegedienst "Theresa" betrieben. Laut Anklage sollen sie mit einem Minimum an tatsächlicher Leistung maximal abkassiert haben.
Zwischen 2018 und 2022 sollen das Ehepaar im Alter von 47 und 57 Jahren und sein 27-jähriger Sohn in mehr als 1000 Fällen Leistungen unrechtmäßig abgerechnet und dadurch knapp 3,5 Millionen Euro eingestrichen haben. Das Geld habe unter anderem dazu gedient, den "luxuriösen Lebensunterhalt der Familie" zu bezahlen, sagte Oberstaatsanwalt Philip Engel bei der Anklageverlesung.
Haben Krankenkassen vor der Razzia in Kitzingen immer wieder ein Augen zugedrückt?
Nun bestätigte eine Zeugin aus eigener Anschauung, dass die Krankenkassen seit Jahren wussten, dass es bei dem Würzburger Pflegedienst keine gesetzlich vorgeschriebene, kompetente Pflegekraft gab, die über die Qualität der Versorgung wachte.
Mehr noch: "Immer deutlicher verfestigt sich durch abgehörte Telefongespräche, Dokumente und Zeugenaussagen der Eindruck, dass die Kassen sich immer wieder vertrösten ließen, weil sie froh waren, dass sich überhaupt jemand gefunden hatte, der sich um die Versorgung der Pflegebedürftigen zu kümmern schien", sagte einer der Verteidiger.

Dazu erhält das Gericht in den nächsten Verhandlungstagen weitere Aussagen von zahlreichen Zeugen, die Einblicke in die Situation in Kitzingen bekamen: Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes, Polizisten und Mitarbeiter der Krankenkassen sollen jetzt aussagen, wie Tina Haase, die Sprecherin des Gerichts, bestätigte.
Zeugin: Pflegebetriebe können kritische Vorgänge leicht verschleiern
Der Medizinische Dienst berät und begutachtet die Pflege im Auftrag der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und ist für zehn Millionen Versicherte im Freistaat zuständig. Eine erste Zeugin erklärte laut Bayerischem Rundfunk vor Gericht in Nürnberg: Pflegebetriebe wie der des Würzburger Ehepaares und seines Sohnes könnten kritische Vorgänge ohne Weiteres verschleiern. Denn Kontrollen würden stets angekündigt.
Die Pflegedienste selbst dürfen laut ihrer Aussage mitentscheiden, bei welchen Patienten stichprobenartig geprüft wird. Erst wenn der Pflegedienst alle Überprüfungen ablehne, gebe es eine sogenannte "Strukturkontrolle".
Mängel bei der Pflege an Kassen-Dienst weitergeben und vertröstet
Die Zeugin sagte, sie habe das Fehlen der vorgeschriebenen Pflegedienstleitung in dem Betrieb in Kitzingen angemahnt. Man habe sie vertröstet: Eine Fachkraft würde zeitnahe eingestellt.

Die Ergebnisse der Überprüfung leite der Medizinische Dienst an die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen (ARGE) weiter, schilderte die Zeugin. Anders als der Medizinische Dienst könne die ARGE auf festgestellte Missstände reagieren. Wie oft sie das angesichts der ohnehin angespannten Situation in der Pflege auch macht, blieb offen.
Urteil im Prozess zum Pflegebetrug erst im Herbst
Mit einem Urteil im Betrugsprozess ist wohl nicht so schnell zu rechnen. "Derzeit sieht es so aus, als ob auch die August-Termine für wichtige Zeugen und die weitere Beweisaufnahme benötigt werden", sagte die Pressesprecherin des Gerichts auf Anfrage.
Danach müssen sich die drei Angeklagten wohl in Würzburg einem weiteren Prozess stellen. Die Ermittler fanden bei ihrer Razzia fünf Senioren in erbarmungswürdigem Zustand vor. Dazu hat die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung ihre Ermittlungen abgeschlossen, sagt Pressesprecher Thorsten Seebach. Eine Anklage ist in Vorbereitung.