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MÜNSTERSCHWARZACH: Willigis Jäger im Porträt: Der leidenschaftliche Gottsucher

MÜNSTERSCHWARZACH

Willigis Jäger im Porträt: Der leidenschaftliche Gottsucher

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    Kontemplation: Der Mönch und Zen-Meister Willigis Jäger lehrt seine Schüler, durch schweigende Versenkung zu Gott und sich selbst zu finden.
    Kontemplation: Der Mönch und Zen-Meister Willigis Jäger lehrt seine Schüler, durch schweigende Versenkung zu Gott und sich selbst zu finden. Foto: Fotos: Daniel Peter, Benediktushof

    Alt werden ist eine Lebensaufgabe, wie auch das Sterben. Es ist die Vollendung der Geburt. Die Form, die ich vor 90 Jahren angenommen habe, löst sich irgendwann wieder auf und sinkt zurück in den Ozean des Daseins, von dem sie niemals getrennt ist, wie die Welle niemals vom Meer getrennt ist.“ Das sagt Willigis Jäger, Benediktinermönch, Zen-Meister und Gründer des spirituellen Zentrums Benediktushof in Holzkirchen. Er wird an diesen Samstag 90 Jahre alt.

    Es sind Äußerungen wie diese, die den Geistlichen in Konflikt mit der katholischen Kirche gebracht haben. Seine mystische Deutung von Gott als dem „leeren Grund, aus dem alles fließt“ hat ihm nicht nur viele Anhänger, sondern 2002 auch ein vom Vatikan verhängtes Schweige- und Lehrverbot eingetragen. Ob zu Recht oder zu Unrecht, darüber gingen und gehen nicht nur im katholisch geprägten Unterfranken die Meinungen auseinander.

    Jägers berühmter Münsterschwarzacher Mitbruder, der Benediktiner Anselm Grün, beispielsweise meint dazu: „Das Redeverbot entsprang einem Missverständnis. Es hätte sich bei einem besseren Zugehen aufeinander vermeiden lassen.“ Er sagt über Jäger: „Ich schätze Pater Willigis als einen leidenschaftlichen Gottsucher, als einen Mann mit viel Energie und großer Weite.“

    Es wirft ein besonderes Licht auf Jägers Charakter, dass er das über ihn verhängte Redeverbot ignorierte, weiterhin in Kirchen auftrat, Vorträge hielt und eine lange Reihe von Büchern herausgab. Damit nicht genug gründete er 2003 den Benediktushof in Holzkirchen als „Zentrum für spirituelle Wege“, zog dort ein und lebt seitdem mit Gleichgesinnten im Aalbachtal.

    Ermöglicht hat dies vor allem eine langjährige Weggefährtin und Schülerin Jägers, die 93-jährige Kosmetik-Unternehmerin Gertraud Gruber aus Rottach-Egern. Sie kaufte die heruntergekommene Klosteranlage im westlichen Landkreis Würzburg und investierte etliche Millionen in Sanierung und Neubauten.

    Inzwischen gilt der Benediktushof als Europas größtes Zentrum für Zen und Meditation. 8000 Gäste finden pro Jahr den Weg dorthin, versenken sich in kontemplatives Schweigen oder belegen Kurse wie „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“, „Mandalamalen und Meditation“ oder „Initiatische Schwertarbeit“.

    Interviews mag Willigis Jäger im Vorfeld seines Geburtstags nicht geben – zu schlecht ist inzwischen sein Hörvermögen, und auch seine Konzentration lässt wohl ein wenig nach. Also hat die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Mitarbeiterin Monika Pres-tel im Benediktushof anlässlich von Jägers 90. Geburtstag eine Pressemappe herausgegeben, die seinen Lebensweg beleuchtet.

    Geboren wird er 1925 in Hösbach bei Aschaffenburg als Wunibald Jäger. Er wächst auf in einer katholischen Familie mit sechs Geschwistern, treibt gern Sport, vor allem als Fußballer. Schon früh verspürt er eine Neigung zum Religiös-Geheimnisvollen. Er spürt: Hinter dem Vordergründigen liegt etwas Eigentliches, vollkommen Stilles, das manchmal – beim gleichförmigen Beten etwa oder auch beim Fußballspielen – erfahrbar wird.

    Es kommt der Krieg, in den er als 18-Jähriger eingezogen, zum Jagdflieger ausgebildet und schließlich als Fallschirmjäger eingesetzt wird. „Es war eine schlimme Zeit, die ich im Grunde nur zufällig überlebt habe, weil ich zum richtigen Zeitpunkt nicht in der Feuerlinie lag wie vier Fünftel meiner Einheit, die an einem einzigen Tag umkamen. Ich selbst erhielt einen Lungensteckschuss, kam ins Lazarett, und damit war der Krieg für mich im März '45 zum Glück aus“, beschreibt Jäger seine Kriegserfahrung. Es sei diese Todesnähe gewesen und die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens, die ihn 1946 ins Benediktinerkloster Münsterschwarzach eintreten ließen. In der Klosterbibliothek studiert er die Schriften christlicher Mystiker wie Johannes vom Kreuz und Teresa von Avila. Er meditiert, versenkt sich in Kontemplation und macht dabei mystische Erfahrungen. 1952 wird er zum Priester geweiht, beendet in Würzburg sein Studium der Philosophie und Theologie.

    Als Präfekt des Internats und an der Schule der Abtei gibt er Unterricht. Anselm Grün erinnert sich: „Pater Willigis war schon in meiner Jugend mein Religionslehrer, Sportlehrer und Stenolehrer. Wir Schüler hatten ihn sehr gerne, weil er offen war und Verständnis für uns hatte.“ Mit Jugendlichen hat Jäger auch als Referent für Mission und Entwicklung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend zu tun – eine Tätigkeit, bei der er seine Spontaneität unter Beweis stellt. Für die Aktion Missio kommt er in der Welt herum.

    Anfang der 70er Jahre lernt Jäger den fernöstlichen Zen-Weg kennen, begegnet in Japan dem Zen-Meister Yamada Ko-un Roshi, dessen Schüler er 1972 wird. Der ernennt ihn 1980 zum Zen-Lehrer, 1996 wird er als Zen-Meister bestätigt. Jäger trägt jetzt neben seinem Ordensnamen Willigis den Zen-Namen „Kyo-un Roshi“. Kyo-un heißt „Leere Wolke“, so heißt auch die Zen-Linie, die Jäger 2009 gründet. Jäger wird zum west-östlichen Grenzgänger, für den Religions- oder Konfessionsschranken keine Rolle spielen. Er leitet von 1983 bis 2001 das Meditationszentrum der Münsterschwarzacher Benediktiner, das „Haus St. Benedikt“ in Würzburg, hält Kurse in christlicher Kontemplation und Zen und wird zum Bezugspunkt für viele Menschen.

    Dann kommt der Bruch: Unter der Überschrift „Zen-Meister in Konflikt mit Rom“ berichtete diese Zeitung am 24. Januar 2002, dass die Glaubenskongregation des Vatikans ein Verfahren gegen Jäger eingeleitet habe. Man kann darüber spekulieren, ob dafür am Ende auch ein Gastbeitrag Jägers in der Heiligabendausgabe 2001 dieser Zeitung den Ausschlag gegeben hat, der einige für Katholiken provokante Passagen enthielt. So schrieb Jäger, dass die Jungfrauengeburt ein in vielen Religionen wiederkehrender Topos sei. Es gehe an Weihnachten nicht darum, „die Geschichtlichkeit der Geburt Jesu zu beweisen oder zu feiern“. Weihnachten sei „die Feier unserer Geburt aus Gott und die Feier des Kosmos aus Gott“.

    Was auch immer den Ausschlag gegeben haben mag, jedenfalls endete das Verfahren für Jäger damit, dass ihm „zum Schutze der Gläubigen“ alle öffentlichen Tätigkeiten – Vorträge, Meditationskurse, Veröffentlichungen – untersagt wurden. Daraufhin bat er um eine Beurlaubung vom Kloster. In dem Buch „Willigis Jäger – Das Leben ist Religion“, das anlässlich seines 80. Geburtstags 2005 erschienen ist, kommentierte Jäger den Vorgang folgendermaßen: „Die ganze Auseinandersetzung erzeugt in mir nur Trauer und Scham. Aggressionen gegen die Glaubenskongregation kommen nicht auf, nur Trauer, weil so viele Menschen zutiefst in ihrem christlichen Selbstverständnis getroffen und verwirrt werden – und Scham, weil ich mich einer Institution schäme, die sich nach außen hin für Menschenrechte einsetzt, in ihren eigenen Reihen aber dagegen verstößt.“

    Jägers Gedanken und Bücher mögen sich nicht mit dem römischen Dogmatismus decken, treffen aber offenbar einen Nerv der Zeit. Er spricht nicht von Gott, Himmel oder Hölle, sondern von einem „Urgrund“, einer „Urwirklichkeit, die wir Gott nennen“. Beim Zen und in der christlichen Mystik gehe es um das, „was hinter der Egozentrik unserer Ich-Struktur unser Menschsein ausmacht: eine Ebene, die das Rationale und Personale übersteigt“.

    Was dem Christentum die Mystik, sei dem Islam der Sufismus, dem Judentum die Kabbala, im Buddhismus das Zen und im Hinduismus verschiedene Yogaformen. Alle fünf Religionen führen nach Ansicht von Jäger „hinaus in eine transkonfessionelle Erfahrungsebene, wo ich mehr begreife, was diese Urwirklichkeit, die wir Gott nennen, eigentlich ist“.

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