Ein sonniger Frühlingsmorgen im Jahr 2005. Mehr als 50 000 begeisterungsfähige und begeisterungswillige Menschen campieren seit Stunden am Flughafen von Toulouse in Frankreich. Auf Grills brutzeln Steaks und Würste, Rotwein- und Bierflaschen kreisen unter azurblauem Himmel. Volksfeststimmung. Als sich die Hangartore öffnen und der Flugzeugkoloss A380 mit behäbiger Langsamkeit und erstaunlich leise schnurrenden Triebwerken zur Startbahn rollt, brandet Applaus unter den Zaungästen auf. Um 10.30 Uhr wächst sich der Jubel zu ohrenbetäubendem Geschrei aus, als das größte Passagierflugzeug, das jemals geflogen ist, mühelos in den Himmel abhebt. Drei Stunden später bei der Landung gleichen sich die Szenen. Jubel, Trubel, Heiterkeit, der Giganten-Airbus wird am Himmel zum Maß aller Dinge.
Als der erste Linienflug eines A380 zwei Jahre später im Dienste von Singapore Airlines im australischen Sydney landet – die Passagiere ersteigerten ihre Tickets bei einer Online-Auktion für wohltätige Zwecke –, wittert die Lokalzeitung „The Morning Herald“ den Beginn einer neuen Ära der Luftfahrtgeschichte und titelt: „Die Zukunft ist in Sydney gelandet“.

Bis heute sind die Menschen auf den Flughäfen der Welt fasziniert, wenn der Koloss landet, startet oder einfach nur am Terminal steht und auf seinen nächsten Flug wartet. Aus einfachem Grund: Wie kein anderes Flugzeug ist der doppelstöckige Gigant ein Sinnbild für die Eroberung des Himmels. Alle Grenzen des Erdballs können mit ihm in wenigen Stunden überwunden werden. Das trifft den Nerv und den Geschmack der Zeit. Ein Wow-Effekt des Gigantismus. Der A380 ist Kult geworden.
158 Exemplare sind unterwegs
Zahlreiche Airlines haben mittlerweile den Riesenvogel in Betrieb genommen, 158 Exemplare sind derzeit weltweit am Himmel unterwegs und transportieren jeden Monat mehr als zwei Millionen Passagiere. Jeder Flügel des Flugzeugs ist 850 Quadratmeter groß und würde Parkplätze für 75 Autos oder Stehplätze für etwa 2800 Menschen bieten.
Legendär sind inzwischen die unterschiedlichen Ausstattungen des Vogels bei verschiedenen Fluggesellschaften, beispielsweise die Dusche in der First Class bei Emirates. Die Idee, an Bord einmal kurz unter einen erfrischenden Wasserstrahl zu hüpfen, hat durchaus ihren Charme. Allerdings sollte man dabei nicht an ausschweifendes Dauerduschen denken. Die Zeit ist auf fünf Minuten bemessen, der Countdown kann über eine LED-Farbanzeige, die von Grün nach Rot wechselt, verfolgt werden. Spätestens, wenn das Lichtlein auf Gelb wechselt, sollte man schleunigst das Shampoo ausspülen, sonst sitzt man bei der Landung zwar erfrischt, aber mit Seife im Haupthaar auf seinem Komfortsitz. Die Duschkabine kann inklusive Vorbereitung, Abtrocknen und Reinigung genau zwanzig Minuten von jedem der 14 möglichen First-Class-Passagiere genutzt werden.

Weiteres Highlight bei Emirates ist ein eigener Barbereich im hinteren Teil des Upper Decks für Business- und First-Class-Kunden. In der Mitte der Kabine steht ein halbrunder Tresen, hinter dem ein Flugbegleiter seinen Dienst als Barkeeper versieht. Genau 30 Sekunden, nachdem die Passagiere aufstehen dürfen, soll die Bar gemäß den internen Anweisungen besetzt und zum Ausschank bereit sein. An der Seite des kleinen Raumes hat die Airline Sitzbänke einbauen lassen, auf denen jeweils drei Passagiere bequem Platz finden. Sollte es einmal Turbulenzen geben, könnten sie sich dort sogar anschnallen.
Bei der australischen Fluggesellschaft Qantas hat man auf die Dusche verzichtet und dafür gleich drei Bars für alle drei Klassen eingebaut, die auf der Ultra-Langstrecke nach Down Under für Kommunikation, Unterhaltung und letztendlich auch Frohsinn sorgen. Beim A380 von Korean Air ist ebenfalls eine Art Barbereich vorhanden, der allerdings eher als eine Art stylische Lounge in Blau-Weiß-Tönen wirkt. Die asiatische Airline ist die einzige mit einem Duty-free-Shop an Bord.
Den Vogel schoss vor kurzem die jüngste Airline im erlesenen Kreis der A380-Familie ab: Etihad Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Carrier hat auf dem Oberdeck für zahlungskräftige Kunden zwei luxuriöse Appartements einbauen lassen, die „Residences“. Die knapp zwölf Quadratmeter großen Wohnungen im ersten Stock des Riesenfliegers sind ausgestattet mit Dusche, Lounge, Doppelbett, Butler und eigenem Koch. Ganz billig ist der Spaß nicht. Das begehrte Ticket auf der Strecke Abu Dhabi – London kostet 20 000 US-Dollar, one Way, allerdings für das gesamte Appartement, also für zwei Personen.
Etihad-Chef James Hogan ist sich sicher, mit dieser Neuerung Maßstäbe im internationalen Flugverkehr gesetzt zu haben. „Wir wollen mit unserem A380-Produkt nicht zur größten Airline der Welt werden, aber zur besten“, stichelt der gebürtige Australier in Richtung des Konkurrenten Emirates aus Dubai. Die Fakten scheinen ihm recht zu geben, die schnuckligen Appartements sind für die nächsten Monate ausgebucht.
Lufthansa verzichtet bei ihren 14 A380-Maschinen auf solchen Luxus. Dafür sind die Bordtoiletten in der First-Class mit Urinalen ausgestattet, wo männliche Passagiere dann ungestraft im Stehen pinkeln können. Wer's braucht, wird selig.

Ansonsten ist allen Maschinen eine verblüffende Eigenschaft gemein, die jedem Fluggast, der zum ersten Mal mitfliegt: Das Starten der Triebwerke ist in der Kabine fast nicht zu hören. Wenn der Gigant auf der Starbahn beschleunigt, dann bemerkt man an Bord vom Lärm der drei Meter hohen Turbinen bestenfalls ein Schnurren von der Lautstärke einer Nähmaschine. Zudem ist von der Wucht der Beschleunigung wenig zu spüren. Der Gigant der Lüfte ist ein sanfter, und ebenso hebt er ab – langsam, gemächlich, behutsam. Um den Komfort an Bord für alle Klassen zu erhöhen und dem berüchtigten Jetlag auf der Langstrecke entgegenzuwirken, wurde zudem ein „Moodlight-System“ installiert, das den Tageslicht-Rhythmus farblich nachbildet. Das bedeutet, dass – wie bei einem Sonnenuntergang – das Kabinenlicht von Weiß, nach Gelb, Orange, Rot bis hin zu einem satten Tiefblau während des Nachtfluges gedimmt wird. Bei einigen Airlines, wie bei Etihad, verwandelt sich zudem die Kabinendecke durch LED-Lichter in einem Sternenhimmel. Diese Lichtregie wird vor der Landung wieder umgekehrt. Durch den behutsamen Lichtwechsel soll die Ausschüttung das körpereigenen Schlafhormons Melatonin bei den Passagieren stimuliert werden.
Keine einzige Bestellung für 2014
Zum zehnten Jahrestag häufen sich allerdings auch die Meldungen über wirtschaftliche Turbulenzen beim A380. Im vergangenen Dezember spekulierte der Airbus-Finanzvorstand offen über ein Ende des Riesenvogels nach 2017. Im Moment lasten zwar noch 161 Bestellungen in den Auftragsbüchern die Produktionslinien voll aus. Nur für die Zukunft nach 2017 schaut es derzeit alles andere als gut aus. Für 2014 waren ursprünglich immerhin 30 Bestellungen einkalkuliert. In der mausgrauen Wirklichkeit gab es keine Einzige.