Der Esoterik-Markt wird immer vielfältiger. Es werden wahre Wunder angekündigt, neue Denkmuster angepriesen, Heilkräfte aktiviert, Selbstverwirklichung, spirituelles Wachstum sowie die Vorhersehung und Beeinflussung von Ereignissen garantiert. „Esoterische Angebote klingen verlockend. Vor allem auch deshalb, weil sie häufig versprechen: Es geht schnell und mühelos.“ Alfred Singer, Leiter des Referats für Weltanschauungs-, Religions- und Sektenfragen der Diözese Würzburg, berät Menschen, die sich von esoterischen Praktiken abhängig gemacht haben, oder Angehörige, die ratlos und überfordert sind.
Theologe Singer beurteilt Esoterik nicht pauschal als schlecht oder gut. Wenn Menschen sich auf eine ehrliche Suche nach Lebenshilfe, Lebenssinn, Erfüllung und Glück begeben, dürfe man das nicht abwerten. Singers Beurteilungskriterium für esoterische Angebote und Praktiken: „Ist es harmlose Spielerei, echte Lebenshilfe, eine Methode, mit der ein großer Realitätsverlust verbunden ist – oder schlichtweg Seelenfängerei?“ Wenn Menschen durch hochwirksame psychologische Methoden manipuliert werden und ihre Bodenhaftung verlieren, „dann wird es gefährlich“.
Eine Ursache, warum Menschen mit Pendeln, Wahrsagen, Kartenlegen, Engelsbotschaften, Geistheilern oder magischen Ritualen ihren Lebensplan entwerfen, ist laut Singer der Zwiespalt zwischen Orientierungslosigkeit und gleichzeitigem Misstrauen gegen Institutionen. „Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagt der Theologe. Alle Lebensbereiche und die Lebensstile würden immer vielfältiger, die Individualisierung immer stärker. Deshalb suchen viele Menschen, so Singer, häufig außerhalb der klassischen Einrichtungen, die als zwanghaft und vereinnahmend angesehen werden, nach einem Halt, nach Hilfsmöglichkeiten für die Bewältigung des Alltags, nach Sinnfindung und Lebensgestaltung.
Der Esoterik-Markt hat die Zeichen der Zeit erkannt und darauf reagiert. Er verspricht schnelle Hilfe und einfache Lösungen. Die Angebote werden in klangvolle Namen verpackt, die dazu verführen, sich von jedem etwas herauszupicken. „Schmetterlings-Mentalität“ nennt der Würzburger Weltanschauungs-Experte dieses Verhalten. „Man hüpft von Blüte zu Blüte, nascht da und dort ein bisschen Nektar.“
Alfred Singer rät dazu, kritisch zu sein und hinter den schönen Schein zu blicken. Sinnsuche sei keine schnelle Sache, vielmehr lebenslange Übung. „Dieser Mühe möchten sich allerdings viele Menschen nicht mehr aussetzen.“ Der Trend gehe eher zum Glück auf Knopfdruck. Er sieht die Ursache dazu beispielsweise in der US-amerikanischen Neugeist-Bewegung, die in übersteigerter Form „Positive Thinking“, Positives Denken, als Lösung für alle Probleme propagiert: Der Mensch ist, was er denkt. Wer nicht glücklich, erfolgreich und gesund ist, denkt nicht richtig. Der Geist prägt alles, was geschieht – so beschreibt Singer deren Konzept. Der Theologe bezeichnet Esoterik als „Wohlstands-Phänomen“. Untersuchungen hätten ergeben, dass mehr Frauen zu Esoterik neigen als Männer. Die jeweiligen Personen sind meist zwischen 30 und 50 Jahre alt, gebildet, gut situiert, allein stehend. „Verunsicherte Menschen lassen sich ebenfalls gerne von esoterischen Kreisen einfangen, weil ihnen dort ein Teil der Verantwortung für ihr Leben abgenommen wird.“ Dass sie einer anderen Person Macht über sich geben, wird oft erst spät erkannt, der Rat von Freunden oder Angehörigen nicht angenommen, ist die Erfahrung des Fachmanns.
Die andere Seite der Esoterik repräsentieren Menschen, die behaupten, übernatürliche Kräfte zu besitzen. Dafür interessiert sich der Würzburger Wissenschaftler Dr. Rainer Wolf. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seiner Freizeit esoterischen Behauptungen auf den Grund zu gehen. „Natürlich gibt es zwischen Himmel und Erde viele Dinge, die noch nicht in den Lehrbüchern stehen. Aber es gibt auch viele Dinge, die in Büchern stehen, die es zwischen Himmel und Erde nicht gibt“, sagt der Dozent am Biozentrum der Universität Würzburg, Mitglied im Vorstand und Wissenschaftsrat der vor 20 Jahren gegründeten Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) – den so genannten Skeptikern. Was ist dran an Wünschelrutengehen, Psychokinese (Fähigkeit, durch Gedankenkraft Gegenstände zu bewegen), Ferndiagnose und Fernheilung oder der astrologischen Vorhersage von bestimmten Ereignissen? Nichts, lautet die Antwort von Dr. Wolf. „Keines dieser Phänomene ist wissenschaftlich nachgewiesen.“
Der Würzburger Biologe, der sich vor allem mit Wahrnehmungstäuschungen beschäftigt, hat in den letzten drei Jahren bei den „Würzburger PSI-Tests“ mit wissenschaftlichen Methoden überprüft, ob es Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten gibt (PSI steht für Para Sensual Intelligence; englisch für außersinnliche Wahrnehmung). Bei diesen Tests innerhalb der Aktion „Deutschland sucht den PSI-Star“ ging es für die Kandidaten auch um eine Million Dollar Preisgeld im Falle eines positiven Testergebnisses. Diese Summe hat der US-amerikanische Zauberkünstler James Randi ausgeschrieben (Internet: www.randi.org). Niemand hat bislang den Preis gewonnen.
Auch in Würzburg waren alle Testergebnisse der 21 Kandidaten lediglich Zufallstreffer. Damals wollte eine Kandidatin anhand von Fotos feststellen, ob die darauf abgelichteten Personen herzkrank sind. Andere Kandidaten behaupteten, sie könnten den Geschmack von Wasser durch energetische Behandlung mit ihren Händen verbessern oder mit einem Schlüsselbund-Pendel die Magnetfeld-„Aura“ einer Pflanze erspüren, die unter einem von zehn Behältern versteckt war. Die Versuchsanordnungen waren streng, die mehrfach wiederholten Tests doppelblind aufgebaut. Das heißt, die Versuchshelfer, die den Kandidaten begleiteten, kannten die richtige Lösung nicht. Ansonsten hätten sie durch Körpersprache der Testperson unbewusst Hinweise geben können. Zudem errechneten Statistiker, mit welcher Trefferrate die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Kandidaten tatsächlich die behauptete paranormale Fähigkeit besitzen. Auch wenn dies bei keiner Testperson der Fall war: „Wir wollten niemand blamieren“, sagt Dr. Wolf.
Er bezeichnet die Tests als unvoreingenommen und die wissenschaftliche Methodik als die sicherste, um zu objektiver Erkenntnis zu kommen. Für ihn sind die damaligen Kandidaten keine Scharlatane oder ihre Behauptungen bloßer Humbug. „Diese Menschen sind davon überzeugt, dass sie Recht haben. Und damit täuschen sie nicht nur sich selbst, sondern auch eventuelle Kunden, die zum Beispiel für einen Blick in die Zukunft viel Geld bezahlen.“ Der Würzburger Skeptiker schließt nicht aus, dass jemand eines Tages den Randi-Preis gewinnen könnte. Allerdings wohl nicht mit Pendeln, denn das funktioniert tatsächlich, so Dr. Rainer Wolf. „Das Pendel schlägt immer so aus, wie das der Pendler bewusst oder unbewusst erwartet.“
Er beeinflusst die Richtung der Pendelbewegung also selbst. In der Fachsprache wird dies als ideomotorisches Gesetz beschrieben: als selbst ausgelöste, durch bloße Vorstellung unbewusst ausgeführte Bewegung. Verbreiteter ist dafür die Bezeichnung Carpenter-Effekt, benannt nach seinem Entdecker, dem englischen Naturwissenschaftler William B. Carpenter (1813 – 1885). Pendeln ist also keine Zauberei – aber durchaus eine Form der Entscheidungs- und damit Lebenshilfe, „weil man sich dadurch klar werden kann, was man bewusst nicht weiß, aber unbewusst erwartet“, sagt der Würzburger Skeptiker.
Im Blickpunkt
Die Skeptiker im Internet: www.gwup.org Das Referat für Weltanschauungs-, Religions- und Sektenfragen der Diözese Würzburg ist zu erreichen unter Tel. (09 31) 3 86 - 63 731