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Durch alle Wüsten der Welt

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Durch alle Wüsten der Welt

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    Saudi-Arabien
    Saudi-Arabien Foto: michael martin

    Michael Martin wurde in Gersthofen bei Augsburg geboren. Hier hat er mit 15 Jahren auch seinen ersten Dia-Vortrag gehalten. Mit den Jahren sind über 1000 – mehrfach ausgezeichnete – weitere und Bildbände dazugekommen. Gerade tourt der 52-jährige Geograf und Völkerkundler mit den Bildern seines Projekts „Planet Wüste“ durch Deutschland. Martin hat zwei Kinder und lebt in München und Markdorf am Bodensee.

    Frage: Sie haben mal gesagt, man braucht keine zwei Unterhosen, wenn man in die Wüste fährt. Sind Sie mit schmalem Gepäck ins Eis gereist?

    Michael Martin: (lacht) Stimmt, in der Wüste trocknet alles sehr schnell Mein Prinzip, das Gepäck auf das Notwendigste zu reduzieren, musste ich für das Eis aber komplett revidieren.

    Wie rüstet man sich für eine Polar-Expedition aus?

    Martin: Man muss viel anziehen. Thermounterwäsche, eine Lage Fleece, Funktionswäsche, dann Daune. Man braucht ein sturmsicheres Zelt. Abgesägte Skistöcke, die mit dem Zelt vertäut und ins Eis gerammt werden, um dieses noch einmal zu sichern. Man schläft auf zwei übereinander liegenden Isomatten. Schläfsäcke. Handschuhe et cetera am besten doppelt, man verliert ja auch mal was. Dazu ein GPS-Satellitentelefon, Top-Thermoskannen und in der Arktis sicherheitshalber eine Waffe, falls ein Eisbär angreift.

    Wie lange dauert es, wenn Sie packen?

    Martin: Ich bin in einer halben Stunde fertig. Wenn ich verreise, arbeite ich bis mittags im Büro. Dann gehe ich in den Keller meines Reihenhauses, der voll ist mit sämtlichen Ausrüstungsgegenständen für kalt und warm, hole raus, was ich brauche und fahre los. Ich bin ein sehr strukturierter Mensch.

    Was ist härter: Wüste, wie wir sie gemeinhin verstehen, oder das Eis?

    Martin: Beide Regionen sind extrem lebensfeindlich. Ein nackter Mensch würde in einem arktischen Schneesturm höchstens zehn Minuten überleben. In der sengenden Hitze der Sahara vielleicht einen Tag. Das Eis ist wesentlich härter. Da kannst du nicht spaßen. Ich habe mir mehrfach die Nase angefroren. Freunde, die mich begleitet haben, haben Erfrierungen und Frostbeulen im Gesicht erlitten.

    Sie haben 40 Mal die Sahara bereist, Hitze ist für Sie unterwegs Routine. Wie war Ihr erstes Erlebnis im Eis?

    Martin: Ich war total geschockt. Ich dachte, man muss das Eis ja auch kalt erleben und bin im Hochwinter nach Spitzbergen gereist. Minus 40 Grad. Ich hab?s mir gleich richtig gegeben und war extrem überrascht, wie hart das alles ist. Man kann sich ja nirgends Mal aufwärmen. Da ist Weite und sonst nichts. Versuch da mal eine Schraube anzuziehen . . .

    Wie organisiert man eigentlich so ein gigantisches Projekt? Sie haben innerhalb von vier Jahren nicht nur alle trockenen Wüsten der Erde bereist, sondern auch sämtliche Eiswüsten.

    Martin: Ich war an insgesamt 800 Tagen immer im Zwei-Wochen-Rhythmus unterwegs. Nur durch dieses episodische Reisen kann ich meine vier Lebensbereiche verzahnen. Das weltweite Reisen, die deutschen Autobahnen, wenn ich zu meinen Vorträgen unterwegs bin, das Büro und mein privates Leben mit Familie. Ich bin kein Aussteiger.

    Sie sind Deutschlands bekanntester Vortragsreisender. Dazu Geograf, Völkerkundler, Fotograf und Buchautor. Sie sind ein Reiseunternehmer der anderen Art geworden. Wie hat eigentlich alles angefangen?

    Martin: Mit 15 Jahren habe ich meinen ersten öffentlichen Dia-Vortrag gehalten. Auf der „Straße nach Süden“ lautete der Titel und erzählte von meiner Radtour, die ich in den großen Ferien von Augsburg nach Berwang unternommen habe. Acht Zuhörer waren gekommen. Mit 17 bin ich zum ersten Mal in den Sommerferien mit dem Mofa in die Wüste Marokkos gereist. Reisen, darüber berichten, Geld verdienen, wieder verreisen – das ist das Prinzip meines Lebens.

    Am Südpol standen Sie genau hundert Jahre nach Entdecker Roald Amundsen. Das muss ein großes Gefühl gewesen sein.

    Martin: Ja, das war es. Mir ist aber auch bewusst geworden, wie unterschiedlich unsere Pole sind. Am Südpol steigt das Eis auf einer Landfläche auf bis zu 3000 Meter an. Am Nordpol liegt das Eis im Meer bis zu 4000 Meter tief.

    In ihrem Vortrag spielt auch Ernest Shackleton eine Rolle. Der britische Polarforscher unternahm, nachdem sein Schiff vom Packeis zerdrückt wurde, schier Unvorstellbares, um seine Mannschaft zu retten.

    Martin: Ja, das ist der eigentliche Held. Ich war in seiner Hütte. Alles ist noch so, wie er es verlassen hat. Die Heinz-Ketchupflasche steht noch da, seine Socken hängen an der Leine. Das war ein besonderer Moment. Die Wüste, egal ob Eis oder Sand, hat ein Gedächtnis. Hier bewahrt sich alles.

    Wie haben Sie sich eigentlich auf Ihre Expeditionen vorbereitet?

    Martin: Mir wurde geraten, mit Beton gefüllte Autoreifen als Training durch den Wald zu ziehen. Das war mir schnell zu blöd. Ich habe es mit normaler Konstitution und eisernem Willen geschafft.

    Wenn Sie unterwegs sind, wie sieht dann Ihr Tag aus?

    Martin: Mein Tag muss mit Kaffee beginnen. Ich stehe sehr früh auf. Ich bin getrieben von der Fotografie. In den Tagesrandzeiten ist das Licht am schönsten. Oft habe ich schon 500 Bilder gemacht, ehe ich frühstücke. Das ist ein tolles Gefühl. Und dann muss ich sehen, dass es weitergeht. Ich muss auf Reisen sammeln, sammeln, sammeln. Das ist etwas rastlos, entspricht aber meinem Naturell.

    Dennoch haben Sie viele intensive Begegnungen.

    Martin: In der Fußgängerzone geht man ja grußlos an den Menschen vorbei. Wenn man in der Wüste nach Tagen jemandem begegnet, dann unterhält man sich und trinkt vielleicht etwas zusammen.

    Die Menschen auf Ihren Porträts, etwa die Tschuktschen, die im äußersten Nordosten Russlands leben, wirken so bei sich.

    Martin: Wüstenbewohner sind permanent herausgefordert. Sie wissen, was sie zu tun haben. Ich empfinde sie als starke Menschen, das ist auch auf meinen Bildern zu sehen. Es ist ein großes Privileg, die Welt in all ihren Parallelwelten kennenzulernen.

    In Ihrem Buch erwähnen Sie den Klimawandel immer wieder als Ursache für veränderte Lebensräume.

    Martin: Einen Klimawandel gibt es, keine Frage. Aber die Auswirkungen sind nicht so gravierend, wie es häufig behauptet wird. Auch nicht in der Arktis. Den Kulturwandel empfinde ich viel ausgeprägter und folgenreicher.

    Was verstehen Sie darunter?

    Martin: Wenn etwa in der Wüste Namib die Himbas nicht mehr Leder als Kleidung tragen, sondern stolz auf ihre Kleidung aus China sind. Auf der Erde verschwinden die letzten Kulturen. Ich will kein Ethnomuseum. Aber diese allgegenwärtige Vereinheitlichung, das macht mich traurig. Es geht viel verloren, das habe ich in den gut 35 Jahren, in denen ich die Welt bereise, erfahren. Die Doktrin des ewigen Wachstums macht vieles kaputt. Alle Fotos: Michael Martin

    Michael Martin ist auch in der Region unterwegs. Am Sonntag, 15. November, um 17 Uhr kommt er mit seiner Multivisions-Show in die Mainfrankensäle Veitshöchheim (Lkr. Würzburg).

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