Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Franken
Icon Pfeil nach unten

GAIBACH: Ein Fest für die Demokratie

GAIBACH

Ein Fest für die Demokratie

    • |
    • |
    Die Konstitutionssäule in Gaibach (Lkr. Kitzingen) erinnert an die Einsetzung der bayerischen Verfassung vor 200 Jahren.
    Die Konstitutionssäule in Gaibach (Lkr. Kitzingen) erinnert an die Einsetzung der bayerischen Verfassung vor 200 Jahren. Foto: Foto: Johannes Kiefer

    Die Demokratie feiern wollen Staatsregierung, Landtag und der Verein „Bayerische Einigung“ am Donnerstag, 17. Mai, an der Konstitutionssäule im Volkacher Ortsteil Gaibach (Lkr. Kitzingen). Dabei hat der Anlass, zu dem Franz Erwein von Schönborn-Wiesentheid die Säule bauen ließ, die Einsetzung der bayerischen Verfassung vor 200 Jahren, gar nicht so viel mit dem zu tun, was wir heute unter Demokratie verstehen. Es ging dabei nämlich nicht um Freiheit und Mitbestimmung. „Das Hauptinteresse des neuen, vergrößerten Königreichs Bayern war, das Land durch einheitliche Gesetze regierbar zu machen“, sagt Monika Conrad aus Kleinlangheim. Die Gästeführerin hat mit Unterstützung des Landratsamtes und eines Kreises von Geschichtsinteressierten und fachlich Erfahrenen einen Initiativkreis gegründet, der sich mit dem Konstitutionsjubiläum befasst, und der viele Puzzleteile zu einem Bild der damaligen Zeit zusammengesetzt hat.

    Franken war damals, ganz anders als Altbayern, in besonders viele Herrschaften aufgeteilt, die auch noch konfessionell unterschiedlich waren. Leibeigene Bauern lebten in armen Dörfern. Manche Orte im ursprünglichen Fürstbistum Würzburg wechselten zudem fast monatlich die Herren oder hatten gar mehrere seit Napoleons Sieg über das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ 1800 und der Säkularisation von Kirchenbesitz 1803. Die Befreiungskriege mit durchmarschierenden Truppen zwischen Ost und West belasteten die Region. Dann war 1816 auch noch ein Hunger-Jahr ohne Sommer, bedingt durch einen weltweit folgenschweren Vulkanausbruch in Indonesien. Es sei vieles zusammen gekommen, was die Menschen in Franken beutelte, schildert Monika Conrad. Kein Wunder, dass sie offen waren für Neues, das für sie nur besser sein konnte als das Alte.

    Frühe Diskussionskultur

    Dazu kamen historische Erfahrungen aus den Zeiten der Kleinstaaterei, die schon demokratische Techniken förderten: Schultheißen mussten sich beispielsweise zusammentun und diskutieren, wenn sie ein bisschen Infrastruktur schaffen wollten, erzählt Conrad. Und es kamen Menschen hinzu, die gebildet und mit den richtigen Leuten vernetzt waren, wie Franz Erwein von Schönborn-Wiesentheid, der bei dem Verfassungsrechtler und Würzburger Bürgermeister Wilhelm Josef Behr studiert hatte, mit ihm und Kronprinz Ludwig, dem späteren König Ludwig I. befreundet war. Die Gebrüder August Friedrich und Carl Crämer aus Kleinlangheim, wie auch Ernst Schmidt aus Ebern gingen das Thema dagegen eher von unten an, als Freiheitskämpfer, denen es um bürgerliche Rechte nicht nur in Bayern ging.

    Schönborn war weit gereist und hatte in England die konstitutionelle Monarchie und die neue Bau- und Gartengestaltung kennen gelernt, die für ihn als Zeitgeist zusammen gehörten. Er hielt den Feudalismus für überholt, ein Überbleibsel der Barockzeit, sagt Conrad. Zusammen mit Behr konnte er Ludwig I. für die Verfassung begeistern. Er ließ also nicht nur die Konstitutionssäule bauen, die Grundsteinlegung mit einem großen Gemälde dokumentieren und den Konstitutionssaal im Schloss gestalten. Das Haus Schönborn-Wiesentheid habe maßgeblichen Einfluss auf das Zustandekommen der bayerischen Verfassung am 26. Mai 1818 gehabt, ist auf der Homepage der Familie zu lesen.

    Bei der Entwicklung der Verfassung wirkte freilich keine Volksvertretung mit, und die Gleichheit aller Untertanen war kein Thema. Adel und Grundbesitzer bekamen besondere Rechte. Das Parlament war eine Ständeversammlung nach englischem Vorbild: In der „Kammer der Reichsräte“ saßen Adel und Geistlichkeit, diejenigen, die der König politisch entmachtet hatte, sagt Monika Conrad. In der „Kammer der Abgeordneten“ saßen vom Volk Gewählte. Allerdings galt Zensuswahlrecht, das heißt, je reicher jemand war, desto mehr Gewicht hatte seine Stimme, informiert der Landtag auf seiner Internetseite. „Das war ebenfalls ein elitärer Verein“, sagt Conrad. „Aber es war ein erster wichtiger Schritt in Richtung Demokratie.“

    Frondienste blieben erhalten

    Die Leibeigenschaft wurde abgeschafft, aber Frondienste für die regionalen Adligen blieben zusammen mit weiteren Privilegien bei Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt – auch für die Schönborns. Da habe Franz Erwein von Schönborn seine Ideen nicht in letzter Konsequenz umgesetzt, sagt Conrad.

    Die Menschen in der Region hätten allerdings gedacht, mit der Verfassung käme die große Freiheit. Und ihr Widerspruchsgeist war geweckt. Die Wiesenbronner Bauern kamen beispielsweise nicht mehr zur Fronarbeit, mussten die Leistung allerdings finanziell ablösen und nahmen dafür ihre Armut in Kauf. Freiheitskämpfer aus der Studentenschaft wie die Crämers und Schmidt hatten erkannt, dass Umwälzungen nur funktionieren, wenn die Menschen auf dem Land mitmachen und luden nach Gaibach, auf den Schwanberg und ins mittelfränkische Vach zu Revolutionsveranstaltungen, die als Feste getarnt waren. „Die Menschen gingen auf die Barrikaden, viele emigrierten in die USA“, sagt Conrad.

    Die Konstitutionssäule, das Verfassungsdenkmal, das Franz Erwein von Schönborn-Wiesentheid vom Architekten des bayerischen Kronprinzen, Leo von Klenze, im englischen Garten seines Gaibacher Schlosses bauen ließ, war für die Demokratiebewegten ein Mahnmal. Die Grundsteinlegung am 26. Mai 1821 ließ von Schönborn durch ein Ölgemälde dokumentieren, das das Museum für Franken auf der Würzburger Festung aus Anlass des Verfassungsjubiläums jetzt besonders präsentiert.

    Konferenzen im Konstitutionssaal

    Der Konstitutionssaal, den Schönborn im Schloss gestalten ließ, gehört nun zum Franken-Landschulheim Schloss Gaibach. Der Direktor des dazu gehörigen Gymnasiums, Wolfgang Kremer, erzählt, dass der Saal eine Rolle im Geschichtsunterricht spielt und früher Abiturprüfungen in der historischen Kulisse stattfanden. Heute wird er für Konzerte, Empfänge und große Konferenzen genutzt.

    Erbauer Schönborn war als Mitglied der Kammer der Reichsräte und zeitweise deren Vize-Präsident weiter engagiert für die Entwicklung der Demokratie. Und er wurde enttäuscht. Sein Freund Ludwig sah als König das Volk nicht als Bürger, sondern als Untertanen und gebärdete sich autoritär. Er führte ein System der Bespitzelung und Zensur ein. 1832 kam es zum Eklat und bald nahm von Schönborn nicht mehr an den Landtagssitzungen teil.

    1828, bei der Einweihung der Konstitutionssäule, sollen 30 000 Menschen die Gaibacher Straßen gesäumt haben. Jährlich wurde danach am 27. Mai an der Säule gefeiert und die revolutionäre Stimmung gepflegt. 1832 schließlich brodelte es bei den Demokratiebewegten. Und es gab gleich drei Feste – außer in Gaibach eines in Vach, organisiert vom Kleinlangheimer August Friedrich Crämer, und das Hambacher Fest. Das gilt wichtiges Ereignis der deutschen Demokratiegeschichte und der europäischen Einigung. Die Versammelten forderten damals nämlich nicht nur die nationale Einheit Deutschlands, sondern ein „conföderiertes republikanisches Europa“, Presse-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit, die Gleichberechtigung der Frauen, heißt es auf der Internetseite des Hambacher Schlosses.

    Truppen gegen den Fortschritt

    Schauplatz des Festes war nämlich das Schloss in der Rheinpfalz. Diese gehörte seit dem Ende der Napoleonischen Herrschaft 1815 nicht mehr zur freiheitlicheren französischen Republik, sondern zu Bayern. Als Ludwig I. Zeitungen zensieren, Liberale maßregeln und die Vereins- und Versammlungsfreiheit einschränken ließ, brach sich der Protest kreativ Bahn. Die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth gründeten den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“, der schnell 5000 Mitglieder hatte. Der lud anlässlich des bayerischen Verfassungstags auf die Hambacher Schlossruine zum politischen Fest. Zehntausende kamen zu Glockengeläut, Geschützdonner, Freudenfeuer, Festzug mit Musik, schwarz-rot-goldene Fahnen und natürlich Festrednern, die Freiheit und Einheit forderten.

    Der bayerische König ließ in der Pfalz Truppen einmarschieren und die fortschrittlichen Bestrebungen unterdrücken. Flucht und Verurteilung waren die Folgen für viele Beteiligte.

    Beim kleinen Gaibacher Fest forderten mehrere tausend Teilnehmer ebenfalls demokratische Reformen. Der Würzburger Bürgermeister, Staatsrechtler und Mitglied der Kammer der Abgeordneten, Wilhelm Joseph Behr, hielt die Rede zum Fest, in der er die Weiterentwicklung der Verfassung forderte, und wurde daraufhin wegen Hochverrats und Majestätsbeleidigung zu Festungshaft verurteilt. Erst 1848 kam er frei. Ludwig I. habe da nicht nur an seinem früheren Freund ein Exempel für die Demokratiefreunde statuiert, sondern auch mit der eigenen Vergangenheit abgerechnet, sagt Monika Conrad. Franz Erwein von Schönborn sei auf Distanz zum König gegangen. Er habe den Ort der Konstitutionssäule verlassen und vor allem in Schloss Reichartshausen im Rheingau gelebt.

    Und so ist die Gaibacher Konstitutionssäule für Monika Conrad ein Mal dafür, dass Demokratie Bewegung ist und nie als selbstverständlich hinzunehmen. „Ich habe gerade richtig Sorge um Europa und die Rechtsstaatlichkeit“, sagt sie.

    „Ich habe gerade richtig Sorge um Europa und die Rechtsstaatlichkeit“

    Gästeführerin Monika Conrad

    „Das Hauptinteresse des Königreichs Bayern war, das Land regierbar zu machen“

    Monika Conrad über die Ursprünge der Verfassung

    Bayern feiern Zum Bürgerfest am Donnerstag, 17. Mai, an der Konstitutionssäule im Volkacher Stadtteil Gaibach (Lkr. Kitzingen) laden Staatsregierung, Landtag und der Verein „Bayerische Einigung“ ein. Das Motto: „Bayern feiern“ Der Hintergrund: Seit 100 Jahren gibt es den Freistaat Bayern, seit 200 Jahren die bayerische Verfassung. Das Fest beginnt um 18.15 Uhr mit einem Festzug der Verbände, Vereine und Ehrengäste – neben anderen Ministerpräsident Markus Söder, Landtagspräsidentin Barbara Stamm, und der Präsident der „Bayerischen Einigung“, Florian Besold – vom Schloss Gaibach zur Konstitutionssäule. Betrieb im Festzelt auf dem Sonnenhügel ist bereits ab 17.45 Uhr. Der Festabend im Zelt an der Konstitutionssäule beginnt um 19 Uhr. Angekündigt sind ein Standkonzert der Bayerischen Stämme, eine historische Rückschau von König Ludwig I (gespielt von Hans Jürgen Stockerl), Festansprachen, kabarettistisch moderiert von Volker Heißmann und Martin Rassau. Für die musikalische Umrahmung sorgt am Abend die unterfränkische Musikgruppe „Häisd'n'däisd vomm mee“. Ein Feuerwerk beendet das Fest in Gaibach. Eine Übersicht über alle Veranstaltungen und weitere Informationen zum Jubiläumsjahr 2018 „Wir feiern Bayern“ gibt es im Internet unter www.wir-feiern.bayern Zum Jubiläum der bayerischen Verfassung rückt das Museum für Franken in der Würzburger Festung das Bild „Die Grundsteinlegung der Gaibacher Konstitutionssäule 1821“ in den Vordergrund, heißt es auf der Internetseite des Museums. Peter von Heß malte es 1823 im Auftrag Franz Erwein von Schönborns. Der Graf wollte als Bauherr der Gaibacher Konstitutionssäule deren Grundsteinlegung damit dokumentieren. Die neue Präsentation des Werks ist in der stadtgeschichtlichen Sammlung des Museums für Franken zu sehen. Über eine interaktive Medienstation gibt es Hintergrundinformationen zum Werk, zu den dargestellten Personen und historischen Bezügen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden