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"Ich leide hin und wieder"

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"Ich leide hin und wieder"

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    Aus dem Praktikum bei Mama Concerts, damals Konzert-Agentur von u. a. Tina Turner und Michael Jackson, wird mehr: Liebscher, der gelegentlich als DJ jobbt, bricht sein Studium im fünften Semester ab, um dort eine Lehre als Bürokaufmann zu beginnen. Nach erfolgreichem Abschluss wird er freier Mitarbeiter beim Konzert-Veranstalter Target Music. Parallel dazu arbeitet Liebscher im Promotion-Büro Rough Trade und gründet ein Veranstaltungsmagazin für den Münchner Raum. Von der ersten Stunde an ist er Manager der Sportfreunde Stiller, die 2000 ihr erstes Album veröffentlichen und mittlerweile zu den beliebtesten Pop-Bands der Republik gehören. Sein Label Blickpunkt Pop (

    e) verlegt u. a. Bands wie Virginia Jetzt! und Roman Fischer. Marc Liebscher ist verheiratet und wohnt in München.

    Frage: Dirk Nowitzki dribbelt in Dallas, der Kabarettist Frank Markus Barwasser amüsiert München, auch den Film-Paten Leo Kirch zog es aus Würzburg in die Landeshauptstadt. Was macht Würzburg denn falsch?

    Marc Liebscher: Bei mir zog es die Familie aus beruflichen Gründen nach München. Ganz hinter mir habe ich Würzburg nicht gelassen: Ein paar Mal im Jahr besuche ich meinen Vater, der noch dort wohnt.

    Dann kannst Du den Test Deiner Heimat-Kenntnisse wagen: Hast Du eine Ahnung, wie viele Straßenbahn-Linien es in Würzburg gibt?

    Liebscher: Da muss ich passen. Ich kenne die Talavera, wenige Orte wie das Café Cairo oder das akw! und ein paar Bands. Früher habe ich mir hin und wieder ein Spiel der Würzburger Kickers und des SV Heidingsfeld angeschaut, aber das ist auch vorbei.

    Es ist ungewöhnlich, dass eine Band ihren Manager öffentlich als offizielles Ensemble-Mitglied bezeichnet; trotzdem tun es die Sportfreunde Stiller. Könntest Du auch Andrea Berg managen, die im Juli auf Platz Eins der deutschen Album-Charts gestanden hat?

    Liebscher: Nein, das würde nicht funktionieren. Die Sportfreunde und ich haben eine lange gemeinsame Geschichte, die uns verbindet. Ich bin bei jedem Konzert dabei, bin von der Musik begeistert. Von Andrea Berg oder anderen Künstlern kann ich das nicht sagen. Das wäre eben reines Geschäft. Und dann zählen dabei auch ganz andere Dinge . . .

    . . . wie zum Beispiel Geld?

    Liebscher: Vielleicht denke ich in zehn Jahren anders darüber, immerhin bin ich erst 35. Die Manager von den Fantastischen Vier oder den Ärzten sind viel älter und einfach erfahrener. Bei denen kann ich mir nicht vorstellen, dass sie bei jedem Konzert mitreisen. Wer weiß, ob ich nicht auch irgendwann sage: geil, Andrea Berg, super Sache.

    In Sachen Finanzen dürfte man doch auch als Manager der Sportfreunde wenig zu meckern haben. Landet bei Dir eigentlich Monat für Monat ein festes Gehalt auf dem Konto?

    Liebscher: Formell gesehen bin ich Bandmitglied der Sportfreunde. Im Großen und Ganzen teilen wir uns die Einnahmen zu gleichen Teilen. Ich schreibe der Band keine Rechnung und sie mir keine. An den GEMA-Einnahmen bin ich allerdings nicht beteiligt.

    In der Münchner Szene wirst Du auch schon mal als "Musik-Papst" tituliert. Das Atomic Café dort platzt seit sieben Jahren jeden Freitag aus allen Nähten, wenn Du auflegst. Du bist eng mit Mehmet Scholl vom FC Bayern befreundet. Wie tief bist Du in der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft schon versumpft?

    Liebscher: Gar nicht, ehrlich. Ich war bisher einmal in meinem Leben im P1 (Münchner Promi-Diskothek; Anm. d. Red.) und gehe auch sonst nicht tanzen. In Clubs gehe ich nur, wenn ich mir Konzerte anschaue.

    Du bist bekennender Fan des FC Bayern, warst aber trotz Beziehungen noch nie in den VIP-Räumen?

    Liebscher: Nein, noch nie. Aber es würde mich natürlich sehr interessieren. Der Mehmet könnte das bestimmt möglich machen.

    War das jetzt eine indirekte Aufforderung an Deinen Bayern-Spezi?

    Liebscher (lacht): Das kann man sehen, wie man will. Irgendwann will ich auch mal mit Peter von den Sportfreunden zu einem Auswärtsspiel fahren, etwa für ein Wochenende nach Hamburg. Da schreien dann zwar auch unsere Frauen, dass das total irrsinnig ist, aber diese Dekadenz wollen wir uns einmal leisten - zeitlich und finanziell.

    Der Würzburger Fußball in tiefen Niederungen verstrickt, dazu die Schmach der verpassten Meisterschaft des FC Bayern in der vergangenen Saison. Wie leidensfähig wird man als Fußball-Fan?

    Liebscher: Ich leide hin und wieder, aber nicht wegen Fußball. Dafür nehme ich das zu locker. Ich freue mich allerdings schon, wenn sich alle Leute über den Erfolg des FC Bayern aufregen. Es amüsiert mich, dass sich 1860-Fans mehr mit ihrem großen Konkurrenten in der Stadt als mit ihrem eigenen Verein beschäftigen. Jeder weiß doch: Der FC Bayern ist der beste, erfolgreichste, sympathischste Verein. Und wenn sie jetzt einmal Zweiter werden - dann werden sie eben danach wieder Meister. Das sehe ich ganz arrogant.

    Zu dieser Bayern-gemäßen Grundarroganz passt es aber gar nicht, als erfolgreicher Manager mit Handynummer im Münchner Telefonbuch zu stehen.

    Liebscher: Das wusste ich gar nicht! Den Hörer nehme ich allerdings nur selten ab, ich bin ein echter Telefon-Muffel. Viel lieber beantworte ich E-Mails, weil ich dabei besser den Überblick behalte.

    Für welchen Mercedes hat es denn bisher gereicht?

    Liebscher: Ich fahre einen Ford Fiesta. Hätte ich Geld ohne Ende, würde ich mir ein anderes Auto kaufen. Aber ich setze andere Prioritäten, versuche mir ein finanzielles Polster aufzubauen. Ich bin selbständig und kann nicht in die Zukunft schauen. Was ist in ein, zwei Jahren? Die Sportfreunde sind in diesem Jahr oft auf Tour. 2005 wird das anders sein. Und wenn das neue Album kommt, muss das ja nicht zwangsläufig ein Erfolg werden.

    Als der Indie-Plattenvertrieb EFA Insolvenz anmeldete, ging Deinem Label Blickpunkt Pop ein fünfstelliger Betrag verloren. Rührt auch daher Deine konservative Finanzplanung?

    Liebscher: Aus diesem Reinfall habe ich viel gelernt. Damals habe ich viel zu spät reagiert, zig Plattenlieferungen blieben unbezahlt. Natürlich prägen einen solche Erfahrungen, ich bin vorsichtiger geworden.

    "Setzt Drachen am Rhein aus, wir brauchen wieder wahre Helden": Das hat Tobias Kuhn, der Sänger von Miles, jüngst in einem Interview gefordert. Du bist gut mit ihm befreundet, er kommt ebenfalls aus Würzburg. Was waren die Helden deiner Kindheit?

    Liebscher: Musikalisch waren es Barclay James Harvest und die Beatles. Die musikalische Grundlinie der Beatles hat sich bis heute fortgesetzt: Auch die Sportfreunde machen Songs, die eingängig sind und deren Texte jeder schnell mitsingen kann.

    Wie muss man sich den "Arschloch-Papa" Marc vorstellen, wie Sportfreund Rüdiger neulich Deine Rolle augenzwinkernd beschrieben hat? Darf der vierte Sportfreund kein Stiller sein?

    Liebscher: Sicherlich muss ich manchmal etwas kritischer mit unserer Arbeit umgehen als die drei anderen. Da spiele ich auch den grantigen Spaßverderber, etwa wenn auf Tour die After-Show-Party lockt und gleichzeitig der Bus wartet. Ich versuche, wenigstens einen Hauch von Disziplin zu bewahren.

    Politisch hast Du nie Stellung bezogen, obwohl das unter Musikern modern ist. Darf man sich auf einen Anti-Hohlmeier-Song freuen oder den Soundtrack zu Montagsdemonstrationen?

    Liebscher: Ich gehe zwar wählen, bin aber eher unpolitisch. Zum Glück muss ich meine Meinung nicht öffentlich kundtun wie die Sportfreunde, die öfter dazu befragt werden. Wir vertreten da übrigens sehr unterschiedliche Positionen.

    Bei aller Liebe für das Managen: Juckt es Dich nicht doch manchmal, mit auf der Bühne zu stehen und diese Begeisterung noch direkter zu erleben?

    Liebscher: Nein, mit der Aufgabenverteilung kann ich super leben. Die ganze öffentliche Aufmerksamkeit wäre nichts für mich. Ich traue mich ja noch nicht einmal ein Handtuch auf die Bühne zu legen, wenn mein Vater im Publikum stehen könnte.

    Karten für das Konzert der Sportfreunde am 10. Dezember in Würzburg (s.Oliver-Arena) gibt es
    unter Tel. (0 18 05) 60 70 70 oder argo-konzerte.de 

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