Die vielen Kirchtürme in Franken, die unter Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn entstanden sind, bieten ein einheitliches Bild: Die Helme sind achteckig, sehr spitz und oft leicht in sich verdreht. Und sie ragen hoch über die verwinkelten Dachlandschaften der Dörfer hinaus, sind schon von Weitem erkennbar. So soll es auch sein. Ein sichtbares Zeichen des katholischen Glaubens.
Anders schaut das bei der Betrachtung des Fürstbischofs selbst aus. Seine Person ist umstritten. Das zeigte sich auch bei der ersten, vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Tagung zum Echter-Gedenkjahr, das eigentlich erst 2017 beginnt. Am 13. September jährt sich der Todestag Echters zum 400. Mal. Die Tagung war jedoch der Auftakt – oder die Ouvertüre, wie es Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann bezeichnete. „Verehrt, verflucht, verkannt?“ lautete die übergeordnete Frage. Alles trifft zu, könnte die Antwort lauten. Echter hatte und hat Gegner wie Anhänger.
Untrennbar ist sein Name mit der Gegenreformation verbunden. Er gilt als unerbittlichen Vertreiber von Glaubensgegnern und unbarmherziger Hexenverfolger. Darüber hinaus als großzügiger Bauherr – nicht nur von Kirchtürmen. So stiftete Julius Echter 1579 das Juliusspital. Es war für alle Kranke gedacht, egal ob arm oder reich, alt oder jung, ebenso für Pilger und Waisen. Allerdings ließ der Fürstbischof das Spital auf dem Gelände des jüdischen Friedhofs errichten. Proteste gab es, genutzt haben sie nichts.
Manche Vorbehalte werden bleiben, andere müssen aufgrund neuer Erkenntnisse revidiert werden. Einige Fragestellungen zur Person Julius Echters werden sich jedoch nie vollständig lösen lassen.
Im 19. Jahrhundert wurde Kritik gegen Echters Persönlichkeit und Wirken laut, sagt Wolfgang Weiß, Professor für Fränkische Kirchengeschichte und Kirchengeschichte der neuesten Zeit an der Universität Würzburg. „Hintergrund war ein Kulturkampf“, so Weiß, mit der eher liberal ausgerichteten und für die Aufklärung aufgeschlossenen Universität auf der einen und konservativ-katholischen Strömungen auf der anderen Seite. „Es taten sich Gräben auf.
“ Mit der Gründung der katholisch orientieren Deutschen Zentrumspartei 1870 beziehungsweise der Bayerischen Patriotenpartei sei der Konflikt hoch politisch geworden. „Und Julius Echter war eine Symbolfigur für gegenseitige Vorwürfe und unterschiedlicher Geschichtsbetrachtung.“
Für die Katholiken blieb Echter weiterhin bis in die 1960er Jahre eine Identifikationsfigur, eine Lichtgestalt. Bis sich das Blatt drehte. „Ich bezeichne das als kollektiven Ablöseprozess – von einer Kirche, die nur schwer in der Gegenwart ankam, und von einer Figur wie Echter, die diese konservative Haltung, den alten Katholizismus repräsentierte.“
Der Fürstbischof stammt aus einer dem alten Glauben fest verbundenen Adelsfamilie. Er kam am 18. März 1545 im Wasserschloss Mespelbrunn zur Welt. Als zweitgeborener Sohn war für ihn – wie damals üblich – eine geistliche Laufbahn vorgesehen. Johannes Merz, Direktor des Archivs und der Bibliothek des Bistums Würzburg sowie Kanzler der Diözese, beschreibt den Fürstbischof als einen hervorragend gebildeten Intellektuellen. Er habe durch sein Elternhaus und seine Schulung durch die Jesuiten „in Lehre und persönlicher Lebensführung eine zeitgemäß streng katholische Haltung“ an den Tag gelegt.
„Er war durchaus fromm, aber kein Theologe, vielmehr ein Jurist und Verwaltungsmann“, betont Wolfgang Weiß.
Nach langen intensiven Studienjahren in den Niederlanden, Frankreich und Italien wurde Julius Echter 1569 ins Würzburger Domkapitel aufgenommen und mit 28 Jahren Bischof. Auf seine Weihe im Jahr 1573 hat er sich laut Professor Merz mit über 30 Tage dauernden Exerzitien und körperlicher Selbstzüchtigung vorbereitet. Dazu gehörten auch Selbstgeißelungen.
Bis zu seinem Tod im Jahr 1617 regierte der Fürstbischof sein geistliches und weltliches Herrschaftsgebiet – das Bistum und das Hochstift Würzburg. Die Grenzen verliefen nicht deckungsgleich. Grenz- und Interessenkonflikte waren deshalb an der Tagesordnung.
Echter lernte jedoch früh, so Johannes Merz, „alle Register von der Schmeichelei bis zur kalten herrschaftlichen Arroganz“ zu ziehen. „Er war offensichtlich die Spinne im Netz, von der alle Planungen und Aktionen ausgingen“ – nicht immer mit Erfolg.
So beteiligte sich Echter 1576, drei Jahre nach seinem Herrschaftsantritt, an dem Aufruhr gegen den Fürstabt von Fulda. Balthasar von Dernbach hat sich mit seinen gegenreformatorischen Maßnahmen in seinem überwiegend protestantischen Gebiet vor allem bei den Ritterständen unbeliebt gemacht. Er musste unfreiwillig abdanken. Echter kooperierte und wurde zum Nachfolger erklärt. Papst Gregor XIII. sprach ein Machtwort, drohte Echter mit dem Kirchenbann. In Fulda wurde ein kaiserlicher Statthalter eingesetzt. Die Auseinandersetzung endete erst 1602 – mit einem Gerichtsurteil zum Nachteil Echters. Der „Fuldaische Handel“ war gescheitert.
Erfolgreicher war er bei der Neugründung der Universität Würzburg 1582. Sie war Teil seiner am katholischen Glauben ausgerichteten Bildungsreform. Er wollte Einfluss auf die Bildungsinhalte nehmen, die Kontrolle über die Ausbildung künftiger Kleriker haben.
Unverrückbar schien bis vor kurzem das Bild Echters als „Hexenbrenner“. Die Hexenverfolgung zählt zu den dunkelsten Facetten in seiner Karriere. Mittlerweile sind neue Quellen aufgetaucht. Der Würzburger Historikers Robert Meier fand vor zwei Jahren im Wertheimer Staatsarchiv, das im Kloster Bronnbach lagert, unbekannte Prozessakten, Verhörprotokolle sowie den Schriftwechsel zwischen der Kanzlei des Hochstifts Würzburg und den Amtsleuten im Zentamt Remlingen. Darin werden Vorgänge in Neubrunn bei Würzburg von 1612 und 1616 aufgezeigt, in denen Echter Hinrichtungen nicht angeordnet, sondern verhindert hat. Es waren vielmehr die Dorfbewohner, die ihre Nachbarinnen denunzierten. Der Druck kam also dort nicht von oben, sondern von unten.
Auch ein anderes Bild – das des Judenvertreibers – kann laut Kirchenhistoriker Weiß in dieser einseitigen Fixierung auf Echter nicht so stehenbleiben. „Der Judenerlass wurde vor Echter unter seinem Vorgänger Friedrich von Wirsberg erlassen.“ Und es sei vor allem auch immer der Wunsch der Würzburger Bürger gewesen, Juden nicht als Nachbarn zu haben. „Echter hat aber diese Linie fortgesetzt.“
Homogene Untertanenverbände erschienen den Herrschenden damals grundlegend. Pluralismus gehörte nicht zur Staatsvorstellung, vielmehr ein konfessionell einheitlicher Staat. „Dieses Phänomen gibt es leider auch heute noch – weltweit.“
Eine Brücke zur Gegenwart will Professor Weiß jedoch nicht vorschnell schlagen. Sein Anliegen ist eine ausgewogene historische Betrachtung der Figur Echters. Wissenschaftlich gesehen müsste es noch zusätzliche Detailstudien geben, um das Bild noch weiter abzurunden. Eine Echter-Monografie dagegen ist seiner Meinung nach „fast etwas Unmögliches“. Weiß möchte vielmehr noch weiter hinter die vielen Lobsprüche und die Polemiken schauen, um so den „echten Echter“ ein wenig mehr zu erkennen.
Das wird jedoch schwierig bleiben. Denn der Fürstbischof reihe sich ein in die Herrscherfiguren aus dem 16. Jahrhundert, „die für uns schon immer schwer verdaulich sind“, so Weiß. Dazu gehöre zum Beispiel auch Elizabeth I., von 1558 bis 1603 Königin von England. „Das sind rätselhafte Persönlichkeiten, die sich nicht in die Karten schauen ließen und dann oft schlagartig und konsequent vorgingen.
“ Das sei gängige Herrschermentalität und Herrscherkompetenz gewesen. „Heute erscheint uns das eigenartig und oft auch despotisch, aber Echter war eben ein Herrscher seiner Zeit, und deshalb agierte er auch so.“
Wichtig ist für Wolfgang Weiß auch die Antwort auf die Frage, wie es sein kann, dass sich 400 Jahre nach seinem Tod noch immer Vorbehalte gegen ihn entwickeln. Eine Erklärung hat der Würzburger Professor: „Es gibt einen Unterschied zwischen einer sachlichen historischen Bewertung und nichtaufgearbeiteten emotionalen Konflikten in der fränkischen Landschaft.“ Diese seien bis heute spürbar und hätten sogar eine existenzielle Qualität. „Echter wird dann zu einer Reizfigur, wenn man die aktuelle Wirklichkeit mit seiner Figur in einen Zusammenhang bringt – etwa persönliche Probleme mit der katholischen Kirche.“
Veranstaltungen im Echter-Gedenkjahr 2017
Die nächste Veranstaltung zum Echter-Gedenken findet bereits 2016 statt: am 18./19. November. Das Kolloquium des Würzburger Diözesangeschichtsvereins hat das Thema „Die Stadt Würzburg in der Echterzeit“ (Ort: Diözesanarchiv, Domerschulstraße 17, Würzburg).
Professor Sabine Ullmann (Uni Eichstätt) wird am 4. April 2017 über das Thema „Motive und Funktionen der Judenfeindschaft Bischof Julius Echters im Kontext seiner Konfessions- und Territorialpolitik“ referieren. Der Ort wird noch bekannt gegeben.
Bischof Friedhelm Hofmann eröffnet am 22. Juni 2017 um 18 Uhr die diözesane Ausstellung zu Julius Echter. Bis zum 17. September 2017 werden im Museum am Dom in Würzburg authentische Objekte aus der Echter-Zeit präsentiert. Die Leihgaben stammen zum Beispiel aus London oder Paris.
Die Tagung „Bischöfe und Bischofsamt im Heiligen Römischen Reich 1570 – 1620: Ideal und Praxis“ findet am 22. bis 24. Juni 2017 in der Neubaukirche sowie im Diözesanarchiv statt.
Noch ohne festen Termin ist das historische Wandertheater zur Echter-Thematik. Es wird im Frühsommer in Gerolzhofen aufgeführt.
Das Seelenamt für Julius Echter ist im nächsten Jahr am Sterbetag des Fürstbischofs: am 13. September in der Juliusspitalkirche. Infos im Internet: www.echter2017.de
cj/Quelle: Diözese Würzburg
„Das sind rätselhafte Persönlichkeiten, die sich nicht in die Karten schauen ließen.“
Professor Wolfgang Weiß über Herrscherfiguren des 16. Jahrhunderts