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ESTENFELD: So wird das eigene Haus altersgerecht

ESTENFELD

So wird das eigene Haus altersgerecht

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    _ Foto: ANGIE WOLF

    Altwerden – häufig beschäftigt man sich erst damit, wenn es schon passiert ist. Wenn in den eigenen vier Wänden auf einmal gefährliche Stellen lauern, die vorher noch nicht da waren: Treppensteigen wird mühsam, in die Badewanne zu steigen ist anstrengend, der Teppich im Flur wird zur Stolperfalle.

    Die Szenarien kennen Elisabeth Kahr und Tobias Konrad von der Wohnberatung des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg zu genüge. Regelmäßig kommen sie in Häuser oder Wohnungen, in denen ältere oder pflegebedürftige Menschen auf sich alleine gestellt nicht mehr leben können, ohne dabei an körperliche Grenzen zu stoßen.

    Als altersgerechter Umbau braucht Zeit

    Das Problem: „Wir werden meistens erst gerufen, wenn das Kind schon im Brunnen liegt“, sagt Tobias Konrad. Der Grund: „Ganz klar Verdrängung, denn über später machen sich die Wenigsten Gedanken.“ In solchen Fällen sind er und seine Kollegin oft die letzte Rettung, um die Wohnsituation der Betroffenen noch irgendwie zu verbessern. Doch ein altersgerechter und umfassender barrierefreier Umbau, egal ob in einer Wohnung oder in einem Haus, braucht Zeit. Zeit die häufig fehlt.

    Um also schon vorher anzusetzen und Menschen schon jetzt auf später vorzubereiten, haben die beiden ein – laut Konrad in Unterfranken bisher einzigartiges – Projekt ins Leben gerufen: ein Musterhaus, in dem barrierefreies Wohnen für jeden hautnah begreifbar werden soll. „Wir wollen sensibilisieren und informieren, denn es gibt noch viele Unsicherheiten darüber, was barrierefreies Wohnen überhaupt bedeutet“, sagt Konrad.

    Die beiden Wohnberater wollen die Stolperfallen des Alltags authentisch und nachvollziehbar aufzeigen. Sie gingen auf Haussuche – und mit der Gemeinde Estenfeld zusammen fiel die Wahl auf ein mehrmals umgebautes, altes Bauernhaus in der Ortsmitte. „Denn das“, sagt Konrad, „ist die Realität.“

    Rampe und Treppenlift

    Und die macht sich schon bemerkbar, noch bevor Tobias Konrad und Elisabeth Kahr das Grundstück überhaupt betreten und zwar in Form einer unscheinbaren, niedrigen Schwelle vor dem Eingangstor. Aufgrund der Sturzgefahr müsste sie durch eine Rampe ersetzt werden, sind sich die Wohnberater einig. Durch das Hoftor durch warten auf dem Weg zur Haustür gleich die nächsten beiden Baustellen: die Treppe zur Haustür und eine Rampe, die vom Hof ebenfalls zur Haustüre führt.

    Beide zu steil und damit nicht für Rollstuhlfahrer geeignet. Abhilfe schaffen könnte ein Treppenlift, sagt Tobias Konrad, der würde mit rund 20 000 Euro zu Buche schlagen. Direkt an der Haustür müsste dann noch die hohe Stufe in eine Rampe umgebaut werden. Auch das kostet. Nur für den Weg ins Haus müssten Hausbesitzer bisher schon viel Geld in den barrierefreien Umbau investieren.

    Im Inneren ist der Charme der 60er Jahre noch lebendig: bunte Blümchentapeten, weiße Spitzenvorhänge, knallige Wandfließen. Doch um in Nostalgie zu schwelgen, bleibt nur wenig Zeit. Die Wohnberater entdecken schon die nächste kritische Stelle, die auf den ersten Blick kaum auffällt. „Das Fenster ist viel zu hoch“, sagt Tobias Konrad und geht in die Hocke. Durch den Perspektivwechsel wird deutlich, dass Rollstuhlfahrer hier nicht einmal nach draußen schauen können. Er empfiehlt deshalb mindestens ein bodenniedriges Fenster im Haus.

    Das Badezimmer ist oft ein Problem

    Richtig kritisch wird es an der Treppe, die in den ersten Stock führt, denn die ist steil und schmal. Zudem wartet kurz vor der Stufe mal wieder eine hohe Schwelle. An einem Treppenlift führt also kein Weg vorbei. Den planen die Wohnberater für den Umbau fest ein, denn viele „wissen gar nicht, wie ein Treppenlift überhaupt funktioniert“, sagt Tobias Konrad. Wo hat das Gestänge Platz und wie fühlt es sich überhaupt an, einen Lift zu benutzen? All das sollen Besucher im Musterhaus hautnah erleben.

    Der persönliche „Höhepunkt“ von Elisabeth Kahr und Tobias Konrad folgt schließlich im ersten Stock: das Badezimmer. „Der Genickbruch für jeden Pflegebedürftigen“, sagt der Wohnberater – auch im Musterhaus: die Badewanne ist nicht ebenerdig, das Waschbecken ist für Rollstuhlfahrer nicht unterfahrbar und der Raum ist insgesamt viel zu klein. Ein Sturz könnte hier fatale Folgen haben.

    Musterhaus in Estenfeld

    Gerade weil das Badezimmer in 90 Prozent der Beratungsfälle, zu denen die Wohnberater gerufen werden, die meisten Gefahren für pflegebedürftige Menschen birgt, soll es laut Tobias Konrad im Musterhaus weitestgehend im Originalzustand bleiben. Wie auch einige andere Räume, in denen in Zukunft eine Ausstellung über das barrierefreie Wohnen informieren und der Umbau des Hauses mittels Vorher-Nachher-Fotos gezeigt werden soll.

    Ist das Zuhause barrierefrei? Ist die Dusche bodengleich? Sind Teppiche und Läufer stolperfrei verlegt? Gibt es ausreichend Lichtquellen und sind die Arbeitsflächen in der Küche in der richtigen Höhe? Für das Estenfelder Musterhaus haben die beiden Wohnberater inzwischen Fördermittel beantragt. Spätestens Mitte 2018 soll mit dem Umbau begonnen werden, damit das Haus Ende des Jahres für die Bevölkerung zugänglich ist. Elisabeth Kahr und Tobias Konrad hoffen so, dass Hausbesitzer und zukünftige Hausbauer nützliche Tipps mitnehmen, „um ihren Lebensabend so angenehm wie möglich zu gestalten“.

    Informationen, Hilfe und Hausbesuche bietet der Wohnberater des Landkreises Würzburg Tobias Konrad an. Kontakt: Tel. (0931) 804 42-58 Mail: tobias.konrad@kommunalunternehmen.de

    „Wir werden meistens erst gerufen, wenn das Kind schon im Brunnen liegt.“

    Tobias Konrad, Wohnberater

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