Eigentlich wollte Thomas Stamm als Bürgermeister von Marktheidenfeld den persönlichen Kontakt suchen, nah an den Menschen sein. Corona hat es ihm vermiest. Nach gut 100 Tagen im Chefsessel im Rathaus zieht Stamm dennoch eine erste positive Bilanz.
Frage: Herr Stamm, sind Sie nach 100 Tagen angekommen im Amt?
Thomas Stamm: Es gibt nach 100 Tagen natürlich immer noch viel Neues. Am 4. Mai, meinem ersten Tag im Amt, saß ich hier, und auf einmal war es ernst: Plötzlich hat man die komplette Verantwortung für 240 Beschäftigte, Wasserwerk, Kläranlage und vieles mehr. Die Verwaltung unterstützt mich aber sehr, ich arbeite eng mit dem Geschäftsleitenden Beamten Matthias Hanakam zusammen. Ich bin also ziemlich schnell angekommen.
Gibt es in der Stadtverwaltung Parallelen zum Finanzamt? Ticken alle Behörden gleich?
Stamm: Im Finanzamt ist alles viel klarer eingegrenzt – die Aufgabenbereiche und auch die Arbeitszeiten. In der Stadtverwaltung muss beispielsweise ein Bauamtsleiter neben seiner täglichen Arbeit am Schreibtisch noch zu Außenterminen, in Ausschüsse und Stadtrat und zu unseren internen Teamsitzungen.
Auch die Grenzen des Bürgermeisteramts mussten Sie schon kennenlernen: Ihre Idee für eine neue Zufahrt zum Mainkai-Parkplatz erwies sich bald als nicht machbar, weil sonst Fördergelder an den Freistaat hätten zurückgezahlt werden müssen. Dämpfen solche Rückschläge Ihre Motivation?
Stamm: Ich bin da nicht unbedingt an eine Grenze gestoßen, das sind ganz normale Prozesse. Das Projekt Mainufer-Gestaltung wird an diesem kleinen Baustein nicht scheitern. Im Ausschuss für Stadtentwicklung haben wir beschlossen, dass wir das Mainufer vom Felsenkeller bis zur Neuen Mainbrücke gemeinsam mit den Bürgern gestalten wollen. Alle Pläne müssen verwaltungstechnisch geprüft werden. Da gibt es Dinge, die gehen und Dinge, die gehen nicht. Auch zur Gestaltung des Busbahnhofs gab es Ideen in den Haushaltsberatungen, aber den können wir nicht einfach umgestalten, weil er Teil eines Förderprogramms ist. Meine Motivation dämpft das nicht.

Gab es schon enttäuschte Stimmen, die von Ihnen erwartet haben, dass sie alles umkrempeln?
Stamm: Ich höre immer wieder mal Sätze wie "Wir setzen auf dich bei dem Thema" – aber niemand ist so vermessen zu erwarten, dass ich Marktheidenfeld in drei Monaten komplett verändere. Im Moment arbeiten wir noch an vielen Projekten, die der alte Stadtrat beschlossen hat. Zum Beispiel die Entwicklung des Gewerbeparks Söllershöhe oder der Neubau der Feuerwache.
Auch der Stadtrat hat sich nach der Wahl sehr verändert mit nun fünf Fraktionen und zehn neuen Ratsmitgliedern. Wie sehen Sie Ihre Rolle in diesem Gremium?
Stamm: Das ist natürlich ein neuer Rat, der sich gerade findet. Jetzt zu Beginn sehe ich mich vor allem als Moderator. Ich denke, die Arbeit im Stadtrat muss von allen 24 Stadträten plus Bürgermeister getragen werden. Ich gehe mit meinen Ideen in das Gremium, aber die Stadträte können trotzdem entscheiden, dass wir etwas ganz anders machen. Ich bin ja keine One-Man-Show. Letztlich geht es immer um das Wohl der Stadt Marktheidenfeld.
Wird man als Bürgermeister nicht automatisch zur One-Man-Show, wenn man zum Beispiel jeden zweiten Tag mit Foto in der Zeitung steht?
Stamm: Diese Öffentlichkeit bin ich ein bisschen gewohnt durch mein Ehrenamt im Sport, das ich jetzt aufgeben werden – dadurch war ich dann eben im Straubinger Tagblatt oder der Passauer Neuen Presse zu sehen. Ich denke, das erwarten die Menschen auch: einen Bürgermeister, der präsent ist und sich kümmert.
Sie sind als parteiloser Bürgermeister an den Start gegangen, aber mit Unterstützung der CSU. Ist das für Sie schon einmal Vor- oder Nachteil gewesen?
Stamm: Ich persönlich denke parteilos, unabhängig und übergeordnet. Wenn ich im Stadtrat mal mit der CSU stimme, dann kommt natürlich die Frage auf, wo denn meine Unabhängigkeit geblieben ist. Aber auch ich muss entscheiden. Im Stadtrat sitze ich ja auch als Chef der Verwaltung, damit ergibt sich oft noch ein ganz anderer Blick auf die Dinge.

In 100 Tagen im Amt haben Sie sich viel mit Corona beschäftigen müssen. Was ist Ihr Eindruck – wie geht es der Marktheidenfelder Wirtschaft?
Stamm: Erst vor kurzem war ein Unternehmer bei mir, der echte Existenzängste hat. Viele kleine Unternehmen stecken zur Zeit in solchen Schwierigkeiten. Als Stadt haben wir leider wenig Möglichkeiten, zu helfen. Wir können keine direkte Wirtschaftsförderung betreiben. Das Wonnemar konnten wir immerhin bei der Freibaderöffnung unterstützen und den Einzelhändlern und Gastronomen haben wir durch den Erlass der Sondernutzungsgebühren ein wenig geholfen. Viel mehr war nicht möglich.
Gab es schon Momente in denen Sie dachten "Was hab' ich da gemacht"?
Stamm: Keine Minute. Ich bin im Moment viel hier, von 8 Uhr am Morgen bis spät am Abend. Der Tag ist durchgetaktet, es gibt viel zu tun, immer wieder neue Themen. Ich bin sehr gerne hier.