Eigentlich ging es am Montagnachmittag am Amtsgericht Gemünden darum, dass ein 21-Jähriger im Mai vergangenen Jahres in einem Regionalexpress in Gemünden eine Zug-Überwachungskamera und einen Fahrraddynamo gestohlen hatte. Aber Richter Volker Büchs wollte zur Einschätzung des jungen Mannes aus dem Raum Gemünden wissen, was er bisher so in seinem Leben gemacht und welche Pläne er hat. Dabei kamen interessante Dinge zur Sprache, die den Angeklagten in den Augen des Richters unreif erscheinen ließen.
Nach der Schule und einer abgebrochenen Ausbildung jobbte er und verlor nach eigener Aussage "viel Geld mit Strukturvertrieb". Richter Büchs konnte sich unter "Strukturvertrieb" wenig vorstellen. Auf Nachfrage erläuterte der 21-Jährige, dass er ein Produkt über Empfehlungen an Bekannte vertreiben wollte. "Das klassische Schneeballsystem", stellte der Richter fest. Um welches Produkt es ging? "Kryptowährung." Dafür hatte sich der Angeklagte damals mehrere Tausend Euro von Familie und Bekannten geliehen, aber auf einmal sei die Firma im Internet von der Bildfläche verschwunden gewesen, das Geld war futsch.
Wenn der Richter zum Lebensberater wird
Etwas skeptisch reagierte Richter Büchs auch auf die "Ausbildung", die der Angeklagte gerade macht. Die koste monatlich 500 Euro, laufe komplett übers Internet und habe mit Digitalisierung zu tun. Welche Bezeichnung die Ausbildung genau hat, konnte der junge Mann nicht sagen. Er möchte sich jedenfalls selbstständig machen und "ein Team aufbauen". Der Richter empfahl dem Mann, das Ganze noch einmal zu hinterfragen und vielleicht auch mal mit dem Vater zu bereden. Vielleicht wäre doch eine klassische Ausbildung der bessere Weg?
Zu den ihm vorgeworfenen Diebstählen im Zug sagte der Angeklagte, dass er damals mit Freunden in Würzburg zum Feiern war und morgens mit dem ersten Zug wieder nach Hause fuhr – betrunken. Er habe sich wieder einmal "Frust weggetrunken". Er schäme sich für die dumme Aktion. Er war einmal bei der Jugendgerichtshilfe vorstellig, war danach aber nicht mehr zu erreichen. Die festgesetzte Strafe von 400 Euro zahlte er nicht, weshalb er jetzt vor Gericht erscheinen musste. An eine Verurteilung wegen Betrugs im November konnte er sich zunächst nicht erinnern, erst als die Staatsanwältin sagte, dass es um ein Taxi ging, dämmerte es ihm. Die Strafe habe er bezahlt.
"Ihm fehlt anscheinend die Fähigkeit, Dinge kritisch zu hinterfragen", befand die Staatsanwältin und plädierte auf die Anwendung von Jugendstrafrecht. Das sah auch Richter Büchs so und verurteilte den Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht wegen zweifachen Diebstahls zu 40 Sozialstunden bei einer gemeinnützigen Einrichtung. Außerdem kommen für ihn die Kosten des Verfahrens dazu.