In der vergangenen Woche wurden erneut 24 afghanische Flüchtlinge aus Bayern abgeschoben. Ursprünglich sollte in der Maschine nach Kabul auch ein 22-Jähriger aus dem Landkreis Miltenberg sitzen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, wurde dessen Abschiebung jedoch im letzten Moment verhindert.
Appell an den Innenminister
Der junge Mann, der in einer Altenpflegeschule im unterfränkischen Erlenbach (Lkr. Miltenberg) eine Ausbildung absolviert, sei vergangenen Montag während des Unterrichts abgeholt und vorübergehend in Abschiebehaft genommen worden, berichtet Schulleiterin Beate Höltermann, die sich daraufhin mit einem dringlichen Appell an Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wandte.
"Er wird hier gebraucht."
Beate Höltermann, Schulleiterin
In ihrem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, fordert sie eine Einzelfalllösung für den 22-Jährigen, dessen Asylantrag schon endgültig abgelehnt wurde. Nur so könne er seine Ausbildung in Deutschland fortsetzen. "Er wird hier gebraucht", heißt es in dem Brief. Höltermann beschreibt den jungen Mann als geduldig, geschickt und empathisch. Seit er 2015 nach Deutschland gekommen ist, habe er den Hauptschulabschluss nachgeholt, Praktika absolviert, Deutsch gelernt und eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer begonnen.
Für die Abschiebung hat Höltermann wenig Verständnis: Es gebe in der Pflege mittlerweile einen so gravierenden Personalmangel, dass Fachkräfte aus dem Ausland geholt werden müssen. "Dieser Mensch ist schon hier, er möchte hier arbeiten und sich ausbilden."
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Kritik kommt unterdessen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Es könne nicht sein, dass Schüler direkt aus dem Unterricht abgeschoben werden, betont Jörg Nellen, Geschäftsführer im Bezirk Unterfranken. "Die internationale Menschenrechtskonvention steht über jedem nationalen Asylrecht, auch dem bayerischen." Laut dem Auswärtigen Amt sind Abschiebungen nach Afghanistan jedoch generell möglich.
Welche Rolle Barbara Stamm spielte
Dass der 22-Jährige kurz vor dem Abflug noch von der Liste gestrichen wurde, hat er auch dem beherzten Eingreifen von Barbara Stamm (CSU) zu verdanken. Die ehemalige Landtagspräsidentin hat vom Schicksal des junges Mannes erfahren und kurz vor knapp bei Innenminister Herrmann angerufen, um die Abschiebung zu verhindern. Als die Maschine am Dienstagabend von München aus gen Kabul startete, war der junge Afghane nicht mit an Bord.
"Ich habe mir aber die Unterlagen angeschaut und gedacht: Da kann es sich nur um einen ordentlichen jungen Mann handeln", sagt Stamm gegenüber dieser Redaktion. Sie verweist außerdem auf ein Schreiben des Innenministers, wonach gerade bei Asylbewerbern, die eine Ausbildung in der Pflege machen, genau hingeschaut werden müsse. Das Innenministerium teilt derweil mit, dass man sich grundsätzlich nicht zu Einzelfällen äußere.
Kritik von der Lehrergewerkschaft
Insgesamt wurden vergangenen Dienstag 44 Personen aus verschiedenen Bundesländern abgeschoben – darunter elf rechtskräftig verurteilte Straftäter. Alle anderen hatten lediglich gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen.
Herrmann hatte vor etwa einem Jahr angekündigt, mehr abgelehnte afghanische Asylbewerber abzuschieben. Seitdem organisiert der Freistaat Bayern eigene Charterflüge, die von speziell geschulten Polizisten begleitet werden. Die Maßnahme ist Teil des bayerischen Asylplans, den die Staatsregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kurz vor der Landtagswahl auf den Weg gebracht hatte.
Wie viele Menschen derzeit ausreisepflichtig sind
Seit Ende 2016 fanden insgesamt 30 Sammelabschiebungen nach Afghanistan statt. Aus Bayern wurden in dieser Zeit 445 Afghanen in ihr Heimatland zurückgeführt. Derzeit leben etwa 31 000 ausreisepflichtige Personen im Freistaat – von denen jedoch 22 000 geduldet sind. In diesen Fällen ist eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich.
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