Wer denkt, dass sich im Weiler Neuhof, mitten im Hochspessart gelegenen und zur Gemeinde Fellen gehörend, Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen, hatte zumindest am vergangenen Wochenende die Rechnung ohne die gegenwärtig zehn Einwohner gemacht: Mit etwa 70 Gästen feierten die Neuhofer das 300-jährige Bestehen ihres Weilers. Samt Mini-Festzug und der in Kopie vorliegenden Chronik des ehemaligen Hofguts.
Kreisheimatpfleger Bruno Schneider aus Gemünden konnte in diesem Dokument nämlich nachweisen, dass zwischen den Jahren 1721 und 1724 die ersten Ställe und Wohngebäude unter dem Auftrag des Grafen von Neusitz erbaut wurden. Dieser erhoffte sich weitere Einnahmen aus der Schafzucht.
Eines dieser ersten Gebäude war das Haus von Heidi Kranz, das im Jahr 1722 gebaut wurde und den Anlass zum 300-jährigen Fest gab. "Die ersten Bauabschnitte dauerten ja bis 1724, so waren wir jetzt mit der Feier flexibel", erklärt die 78 Jahre alte pensionierte Lehrerin, die betont, dass es sich bei dem Jubiläum um keine offizielle Feier, sondern eher um ein groß angelegtes Familienfest handelt.

Vor 52 Jahren erwarb Kranz' Vater Heinrich Becker das ehemalige Forsthaus und zog mit Töchtern und Schwiegersöhnen ein. "Für mich ist das Leben hier Freiheit pur", sagt ihre Schwester Marlis Stoffels. Durch einen Zufall seien beide Familien zu "Neuhöfern" geworden, erinnert sich die 83-Jährige ehemalige Lehrerin: "Mein Mann wollte eigentlich nur ein Wochenendhaus im Spessart erwerben, als wir dann auf dieses Forsthaus gestoßen sind." Seit 50 Jahren bewohnen die beiden Schwestern die Nachbargrundstücke.
An die jahrzehntelangen täglichen 30-minütigen Fahrten zur Schule nach Lohr denkt die rüstige und wortgewandte Dame schmunzelnd zurück: "Ich kann mich während meiner kompletten Berufszeit an keinen einzigen Stau erinnern und durch diese Landschaft zu fahren, hat mich immer entspannt." Fünf Kinder zogen die beiden Familien im Weiler groß, der durch das mittlerweile nur noch auf Anfrage geöffnete Gasthaus "Zum Waldfrieden" bekannt war.

Auch wenn Marlis' Sohn Holger Stoffels seit langem in Lohr lebt, berichtet er trotz Spaß und Vergnügen in seiner Kindheit auch von Einsamkeit. Ideenreichtum war gefragt: "Die vielen Hütten, die ich im Wald gebaut habe, konnte ich irgendwann nicht mehr zählen." Der 54-Jährige organisierte die 300-Jahr-Feier mit seiner Schwester Anke und Schwager Klaus. So entstand auch die Idee, ehemalige Bewohner von Neuhof und Besitzer von Ferienhäusern mit einzuladen: "Diesen runden Geburtstag wollten wir natürlich dann auch gebührend feiern."
Ein Festzug mit Umzugswagen und Musik, der sich über Dorfstraße und Hohlweg schlängelte, durfte dabei nicht fehlen. Die wohl am weitesten angereisten Gäste durften wohl Annegret und Josh Larsen mit ihren drei Söhnen gewesen sein, die gegenwärtig in Holland leben. Josh, gebürtiger Australier, heiratete die Tochter von Heidi Kranz. Keine Frage also, dass die Larsens, die neben den Niederlanden und Australien auch in England lebten, den Festzug auf einem kleinen Trecker anführen durften.
Geschichten aus und über den idyllischen Weiler Neuhof hatten sich die vielen Gäste bei Lagerfeuer und in der Bar des umgebauten Stalles, in dem es auch eine Geisterbahn zu bestaunen gab, sicherlich genügend zu berichten.