„Mit jedem Einatmen atmest du Entspannung ein . . . mit jedem Ausatmen lässt du Anspannungen los . . .“, leitet Gerhard Schmidt (57) die Hypnose ein. Die sieben Teilnehmer des Kurses „Wohlfühlgewicht durch Hypnose“ der Volkshochschule Karlstadt liegen bequem auf roten Kunststoffmatten auf dem Boden, Kissen unter den Köpfen, Decken über den Körpern.
„Die Atmung wird in der Hypnose ruhiger, Blutdruck und Körpertemperatur sinken“, sagt Gerhard Schmidt. Schläft man dabei ein, sei die Hypnose nicht wirkungslos – „Das Unterbewusstsein wird die Suggestionen annehmen.“ Suggestionen sind prägnante, positive Sätze, die direkt auf das jeweilige Problem gerichtet sein sollten, beispielsweise „Meine Abneigung gegen Süßes wächst täglich, ich ernähre mich gesund“. Es sind Angebote an das Unterbewusstsein, um das unerwünschte Verhalten zu ändern – in diesem Fall das Essverhalten. Dafür müsse man sich ganz darauf einlassen.
„Die Basis sind das Vertrauen zum Therapeuten, zur Methode und zu sich selbst sowie der eigene Wille, das Verhalten zu ändern“, sagt Gerhard Schmidt. „Der beste Motivator ist die Lebensfreude.“ Prinzipiell sei (fast) jeder hypnotisierbar.
Für eine maximale Wirkung sollte der Klient versuchen, der Stimme des Hypnotiseurs zu folgen. Und das tun die Teilnehmer: Im Hintergrund gluckert die Heizung, von irgendwo hört man gedämpfte Schritte. Über all dem liegt die ruhige, entspannende Stimme des Hypnotiseurs, die die Klienten mit Worten erst in der Einleitung über eine bunte Blumenwiese geleitet, dann in der Vertiefungsphase eine fünfstufige Treppe hinunter schickt und im Hauptteil der Hypnose zu einem schönen Haus führt. Hier nimmt man man die Suggestionen des Hypnotiseurs auf.
Offen für Suggestionen
Diese – klinische – Hypnose ist nicht wie in Fernsehshows. Es ist ein tiefer, angenehmer Entspannungszustand; eine Trance, in der die Aufmerksamkeit auf innere Prozesse fokussiert wird und das Unterbewusstsein offen für die Suggestionen des Hypnotiseurs ist.
An diesem Tag findet die zweite von drei Sitzungen statt. Die Teilnehmer zeigen sich selbst überrascht von den Erfahrungen, die sie in der Woche nach der ersten Hypnose gemacht haben. In dieser Woche sollten sie sich allabendlich ihre individuellen Suggestionen, möglichst ausgesprochen und nicht nur im Kopf, selbst sagen – der erste Schritt der Selbsthypnose. Die täglichen Wiederholungen verstärken die Wirkung der Gruppensitzung.
„Ich habe im Restaurant das erste Mal im Leben einen Teil der Portion zurückgehen lassen“, sagt etwa eine Teilnehmerin zu Beginn, als sie ihre Wochenerfahrung in der Gruppe austauschen. „Bei einem Geburtstag habe ich ganz bewusst nur ein kleines Stück Kuchen gegessen“, erzählt eine andere, „während alle anderen anderthalb mal so große Stücke hatten.“ Schwer gefallen sei das nicht, es sei kein Gefühl des Verzichts gewesen.
„Es ist wichtig, das Essen zu genießen und sich nicht unter Druck zu setzen“, sagt Gerhard Schmidt. „Seid zufrieden mit dem, was ihr erreicht habt. Es geht um die Lebensqualität.“ Ein Ziel und eine Frist dafür solle man aber haben. „Es muss ein realistisches Ziel sein“, betont er, „und der Termin darf nicht zu weit in der Zukunft liegen.“
Die tägliche Selbsthypnose ist wichtig für den Erfolg der Thera-pie: „Unser Unterbewusstsein ist auf Wiederholung programmiert“, sagt Schmidt. Auch Tagebuch sollen die Teilnehmer führen, um Erfolge und Erlebnisse festzuhalten. Nächster Schritt der Selbsthypnose: Sich zusätzlich zwei, besser dreimal am Tag an einen ruhigen Ort zurückziehen, um die Selbsthypnose zu üben.
„Die Hypnose-Therapie ist eine sehr effektive Möglichkeit, um Veränderungen wie beispielsweise Gewichts- oder Stressreduktion, Rauchentwöhnung oder Abbau von Ängsten zu erreichen“, so Gerhard Schmidt. „Außerdem hat sie keine Nebenwirkungen.“ Sie sei jedoch nur eine von vielen Methoden. „Man muss spüren, ob es die Richtige für einen ist“, sagt er.
Hypnose-Therapie
Hypnose als Heilverfahren wird seit vielen tausend Jahren angewendet und ist heute auch wissenschaftlich anerkannt. Sie kommt in vielen Bereichen zum Einsatz: in der Medizin etwa bei akuten und chronischen Schmerzen, in der Anästhesie bei Unverträglichkeit von Narkosemitteln und auch im Hochleistungssport oder im schulischen und beruflichen Leistungsbereich. Auch bei seelischen Konflikten (wie Ängsten, Zwängen, mangelndem Selbstbewusstsein) kann Hypnose helfen oder bei Verhaltensänderungen wie Rauchentwöhnung und Gewichtsreduktion. Bei medikamentösen (etwa Cortison) oder körperlichen Gründen (etwa Schilddrüsenunterfunktion) ist sie jedoch oft wirkungslos.