Der erste Lohrer Kunstpreis und die als Sieger hervorgegangene knorrige Schneewittchenskulptur des Künstlers Peter Wittstadt haben auf unfreiwillige Art ihr Ziel erreicht: Lohr und sein Schneewittchen sind in aller Munde. In der Stadt wird wie nie zuvor über Kunst diskutiert.
Vorläufiger Schlusspunkt war am Dienstagabend eine Diskussionsrunde im Pfarrheim St. Michael. Zu ihr hatten Vertreter der im sozialen Netzwerk Facebook existierenden und rund 800 Mitglieder zählenden Gruppe „Ob Mopper oder Schnüdel, du bist ein echter Lohrer, wenn ...“ eingeladen.
Den 45 Diskutanten gelang erwartungsgemäß zwar keine umfassende Definition dessen, was Kunst ist, kann oder kosten darf, aber immerhin eine dreistündige angeregte und respektvolle Diskussion rund um die Kunst und den Kunstpreis.
Es war weniger dessen Ergebnis, sondern der holprige Verfahrensverlauf, der im Mittelpunkt der meisten Wortbeiträge stand. Moderator Roland Pleier erinnerte eingangs an Kritikpunkte wie die fehlende Kostenobergrenze, die Jurybesetzung, herablassende Künstleraussagen einerseits oder verletzende Schmähkritik andererseits. Problematisch sei auch die Nichtbeachtung der öffentlichen Meinung gewesen. Die Erwartungshaltung der Lohrer sei so „schmählich enttäuscht worden“, sagte Pleier.
Deutliche Kritik am Kunstpreis-Verfahren übte einer, der als Jurymitglied direkt daran beteiligt war: Roland Schaller. Ihm sei schleierhaft, weswegen die Stadt beispielsweise die Kostenobergrenze gekippt habe, die in der Ausschreibung enthalten gewesen sei, die er dem Rathaus als Muster besorgt habe, sagte der Lohrer Künstler.
Ihm widersprach Brigitte Riedmann, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Stadtrat. Schaller habe selbst dem kleinen Zirkel angehört, der die Kostenobergrenze gekippt habe, um die Künstler nicht in ihrer Gestaltungsfreiheit zu beschneiden, berichtete Riedmann aus einem Treffen, das sie als damalige Zweite Bürgermeisterin geleitet habe.
Nach Riedmanns Ansicht hätte die gekippte Kostenobergrenze jedoch gar keine teuren Folgen haben müssen: „Spätestens bei der Jury-Entscheidung hätte der damalige Bürgermeister nur sagen müssen: 'Hoppla, das übersteigt meine finanzielle Kompetenz'“, sagte Riedmann.
Ex-Minister Eberhard Sinner hingegen war der Ansicht, dass der Verlauf des Lohrer Kunstpreises der „absolute Normalfall“ gewesen sei. Der Stadtrat habe nun „Gott sei Dank den Mut“ besessen, trotz der heftigen Kritik an der Skulptur Wittstadts festzuhalten. „Wenn unsere Vorfahren nicht den Mut zur Kunst gehabt hätten, dann wären unsere Städte heute Wüsten“, so Sinner. Kunst sei gewöhnungsbedürftig und dazu da, die Fantasie anzuregen. Vor diesem Hintergrund solle man Wittstadts Skulptur einfach akzeptieren, auch wenn sie vielleicht nicht gefalle.
Während Karlheinz Djoharian die Meinung vertrat, dass es nicht Aufgabe einer Kommune sei, „so viel Geld für ein Kunstwerk auszugeben“, sahen etliche andere die Stadt sehr wohl in der Pflicht, wenn es um die Kunstförderung geht, beispielsweise bei der Bereitsstellung von Ausstellungsräumen. „Kunst gehört zum Leben“, sagte Mathilde Lembach. Diana Pechlaner ergänzte, dass eine Stadt gerade im Alltag achtsamer mit Ästhetik umgehen müsse.
Bürgermeister Mario Paul erklärte, dass Kunst keine Frage nach dem Warum brauche, sondern zum Nachdenken und Diskutieren anregen solle. Unter diesem Aspekt sei Wittstadts Schneewittchen „äußerst erfolgreiche Kunst“.
Die Art und Weise, wie der Künstler sein Werk der Bevölkerung erklärt beziehungsweise nicht erklärt hat, wurde am Dienstag mehrfach kritisiert, von Roland Schaller ebenso wie von Matthias Mehling. Letzterer fühlte sich durch Wittstadts Erklärungen „veralbert“ und durch Aussagen wie die vom Baumarktgeschmack der Lohrer „herabgewürdigt“. Neben Wittstadt habe jedoch auch die Lohrer Presse durch aufhetzende Berichterstattung die Eskalation der Kunstpreisdiskussion befeuert, so Mehlings Ansicht.
Rückendeckung für Wittstadt gab der Fotograf Thomas Kohnle. Wenn ein Künstler etwas erschaffe, interessiere es diesen nicht, ob sein Werk gefalle oder nicht. Wittstadts Skulptur sei „ganz toll“ und habe Strahlkraft. Ludwig Hegel vermutete, dass die Kritik an der Siegerskulptur aus einem verkehrten Frauenbild resultiere. Man müsse doch bedenken, dass es „auch Frauen gibt, die Fuchteln sind“.
Trotz aller Turbulenzen sei das Ergebnis des ersten Lohrer Kunstpreises ein Gewinn für Künstler und Stadt gleichermaßen, so SPD-Stadtrat Franz Wolf abschließend. Beide seien nun bundesweit bekannt: „Eine klassische Win-Win-Situation.“
Diskussion um den Standort
Gesprochen wurde noch über den möglichen Standort für das Wittstadt-Schneewittchen. Der Lohrer Künstler Roland Schaller hielt den ins Auge gefassten Standort an der neuen Stadthalle für absolut untauglich. Die Skulptur wirke vor dem „Monumentalbau“ wie ein „Spargel“. Schaller schlug stattdessen den Platz vor der Kulturhalle an der Gärtnerstraße als Standort vor.