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Gemünden/Wiesenfeld: Akte zu Wiesenfelder Mordfall 175 Jahre später überraschend wieder aufgetaucht: Sie war im Dachgeschoss des Amtsgerichts Gemünden

Gemünden/Wiesenfeld

Akte zu Wiesenfelder Mordfall 175 Jahre später überraschend wieder aufgetaucht: Sie war im Dachgeschoss des Amtsgerichts Gemünden

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    Die wiedergefundene Akte zum Doppelmord des Heinrich Schuhmann aus Hofstetten aus dem Jahr 1850 liegt im Staatsarchiv Würzburg.
    Die wiedergefundene Akte zum Doppelmord des Heinrich Schuhmann aus Hofstetten aus dem Jahr 1850 liegt im Staatsarchiv Würzburg. Foto: Björn Kohlhepp/Staatsarchiv Würzburg

    Es ist fast schon eine kleine Sensation: Im Amtsgericht Gemünden wurde die Ermittlungsakte zum Wiesenfelder Doppelmord des Steinfelders/Hofstetteners Heinrich Schuhmann im Jahr 1850 wiedergefunden. Die dicke Akte lagerte offenbar jahrzehntelang in einem Schrank im Obergeschoss. Der Raum, in dem diese und weitere alte Akten schon vor drei Jahren gefunden wurden, diente früher als Asservatenkammer und ist laut Amtsgerichtsdirektor Volker Büchs aktuell ohne Nutzung. Daraufhin rückten zwei Fachleute des Staatsarchivs Würzburg an, holten die Schätze ab, sichteten sie und ordneten sie in vorhandene Bestände ein. Die Ermittlungsakte ist die derzeit einzige erhalten gebliebene des ehemaligen Königlichen Landgerichts Karlstadt, das von 1802 bis 1862 bestand.

    Es ist sowohl unklar, seit wann sich die Akte im Schrank des Amtsgerichts befand, als auch, weshalb sie im Gegensatz zu vielen anderen erhalten blieb. Dr. Andreas Hutterer vom Staatsarchiv kann nur vermuten, dass etwas spektakulärere Akten wie diese einst ins Zimmer des Amtsvorstandes gelangten und vielleicht gelegentlich zum Vorzeigen hervorgeholt wurden. So mögen sie in einem Schrank gelandet und vergessen worden sein. Wahrscheinlich ist die Akte im Zuge der Gebietsreform 1973 vom damals aufgelösten Amtsgericht Karlstadt an das nun für ganz Main-Spessart zuständige Amtsgericht Gemünden gekommen. Hutterer berichtet, dass es schon Anfang 2021, kurz vor dem Wiederauffinden der Akte, einen externen Hinweis gab, dass diese irgendwo noch vorhanden sein muss.

    Vermutlich bewahrte der frühere Amtsgerichtsdirektor die Akte in seinem Amtszimmer auf

    Eine mögliche Erklärung, warum die Akte am Amtsgericht blieb, hat die Gemündenerin Gerlinde Krutsch, die bis 2013 am Amtsgericht als Justizverwaltungsinspektorin tätig war. Sie tat fast durchgängig seit 1965 dort Dienst und bestätigt die Vermutung des Archivars. Sie weiß auf Anfrage zu erzählen, dass der frühere Amtsgerichtsdirektor Anton Brimer, der die Behörde von 1973 bis 1996 leitete, sehr an alten Akten interessiert war. Diese habe er in einem verschlossenen Schrank in seinem Dienstzimmer aufbewahrt und darauf geachtet, dass sie nicht beschädigt wurden. Sie vermutet, dass diese Akten nach seiner Pensionierung auf den Dachboden kamen. Früher habe es in dem Raum, wo sie gefunden wurde, immer nur Asservate aktueller Fälle gegeben.

    Porträt des Doppelmörders Heinrich Schuhmann aus Hofstetten aus dem Extra-Felleisen, der am Wochenende erschienenen Beilage des Würzburger Stadt- und Landboten, vom 10. November 1850.
    Porträt des Doppelmörders Heinrich Schuhmann aus Hofstetten aus dem Extra-Felleisen, der am Wochenende erschienenen Beilage des Würzburger Stadt- und Landboten, vom 10. November 1850. Foto: Repro: Universitätsbibliothek Würzburg

    In der wiedergefundenen Akte geht es um den in Steinfeld geborenen und in Hofstetten wohnhaften Heinrich Schuhmann, der im November 1850 vor einer großen Menge von Schaulustigen – es war Allerseelen und Markttag in Würzburg – am Galgenberg mit dem Schwert enthauptet wurde. Es war eine der letzten öffentlichen Hinrichtungen in Würzburg. Der verschuldete Bauer musste auf diese Weise dafür büßen, dass er am 4. Februar 1850 in Wiesenfeld die 57 Jahre alte jüdische Witwe Hevel Löwenthal und deren 32 Jahre alte Dienstmagd Marianna Rosenfelder erschlagen und drei Säckchen mit Geld gestohlen hatte. Von der Tatwaffe, einem Dengelhammer, befindet sich eine Zeichnung im Ermittlungsakt.

    Akte zur Tat Heinrich Schuhmanns fast vollständig, aber nicht ganz

    Die fadengebundene, handgeschriebene Akte aus dem Jahr 1850 dokumentiert die Ermittlungen und den anschließenden Mordprozess. Allerdings ist sie nicht vollständig. Hinten fehlt etwas, darunter vermutlich die Schriftstücke vom Gnadengesuch an den König, dem nicht stattgegeben wurde, bis zur Hinrichtung Schuhmanns.

    Eine Zeichnung der Mordwaffe, eines Dengelhammers, in der wiedergefundenen Akte zum Wiesenfelder Doppelmord.
    Eine Zeichnung der Mordwaffe, eines Dengelhammers, in der wiedergefundenen Akte zum Wiesenfelder Doppelmord. Foto: Björn Kohlhepp/Staatsarchiv Würzburg

    Diplom-Archivar Hutterer verfasste über den außergewöhnlichen Aktenfund in der diesjährigen August-Ausgabe der Zeitschrift "Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns" einen kleinen Beitrag. Hutterer ist beim Staatsarchiv Würzburg für die Aussonderung von Akten der Amts- und Landgerichte zuständig. Im Gegensatz zu früher gehe die Aussonderung von Strafprozessakten heute seinen ganz geregelten Lauf, klärt er auf. Wenn sie nicht mehr gebraucht werden und die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist, werden sie dem Staatsarchiv angeboten. "Die Akten", so Hutterer, "werden nicht komplett aufgehoben, sondern nach archivischer Bewertung wird eine Auswahl getroffen." Dabei gehe es unter anderem um die Schwere des Delikts oder die Öffentlichkeitswirkung eines Falls. "Wir können einfach von der schieren Menge her nicht alles übernehmen."

    Früher wurde viel weggeworfen, nur Urkunden galten als bewahrenswert

    In der Vergangenheit habe es keine Regelungen für die Aufbewahrung gegeben. Akten seien im 19. Jahrhundert noch nicht die Bedeutung zugemessen worden, wie heute, aufbewahrt worden seien in erster Linie Urkunden. Gerade bei Kommunalarchiven aus dem 19. Jahrhundert sei viel vernichtet worden. So kommt es, dass die Ermittlungsakte gegen Schuhmann eines der ganz wenigen Exemplare dieses Aktentyps ist, die heute noch erhalten sind. Auch im Zweiten Weltkrieg ging viel verloren. Schon die vergebene Archivsignatur mit der Nummer 1 ist ein Hinweis auf die Einzigartigkeit der Akte: StAWü, Landgericht ä.O. Karlstadt, Justiz – Strafsachen – I.

    Die anderen in Gemünden gefundenen älteren Aktenstapel seien verschiedenster Herkunft und nicht nur Strafsachen, so Hutterer. Diese Akten und Amtsbücher stammen zeitlich überwiegend aus dem 19. Jahrhundert.

    Dieses im Stadtarchiv Würzburg verwahrte Blatt zeigt die Tat Schuhmanns.
    Dieses im Stadtarchiv Würzburg verwahrte Blatt zeigt die Tat Schuhmanns. Foto: Repro: Stadtbibliothek Würzburg
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