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MARKTHEIDENFELD: Als 1866 das Miteinander scheiterte

MARKTHEIDENFELD

Als 1866 das Miteinander scheiterte

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    Pfarrer Hans Schlumberger berichtete an der Marktheidenfelder Volkshochschule über antisemitische Unruhen 1866.
    Pfarrer Hans Schlumberger berichtete an der Marktheidenfelder Volkshochschule über antisemitische Unruhen 1866. Foto: Foto: Martin Harth

    Der Weg der Judenemanzipation im 19. Jahrhundert war steinig. Einen deutlichen Beleg dafür lieferte der evangelische Pfarrer Hans Schlumberger (Weißenbronn) am Mittwochabend an der Volkshochschule Marktheidenfeld mit dem Vortrag „Ein fürchterlicher Spektakel in unserem Ort“ über antisemitische Unruhen in den beiden Ortschaften Wiesenfeld und Laudenbach im Jahr 1866. Die gut besuchte Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Synagoge Urspringen statt.

    Schlumberger, der in den 1980er Jahren in Billingshausen als Pfarrer tätig war, ist einer der Autoren des Synagogen-Gedenkbands „Mehr als Steine...“, dessen mit 882 Seiten umfangreicher erster Teil des dritten Teilbands über das westliche Unterfranken vor zwei Jahren erschien. Der Theologe beschrieb die Zeit nach dem bayerischen Judenedikt von 1813 bis zur rechtlichen Gleichstellung der Juden im Rahmen der deutschen Reichsgründung im Jahr 1871 als Phase des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, die bei den Menschen zu tiefgreifender Verunsicherung führte.

    Parolen und Beschädigungen

    In diesen Prozess seien auch die Ereignisse in Wiesenfeld und Laudenbach einzuordnen, als 1866 der Deutsche Krieg Unterfranken erschütterte. Im Mai und Juni kam es in beiden Ortschaften zu schweren Übergriffen auf die jüdische Minderheit, die archivalisch gut belegt sind. Die Juden in den Dörfern wurden offen bedroht und eingeschüchtert. Antisemitische Parolen machten die Runde, Fenster wurden eingeschlagen und Dächer beschädigt.

    Die wochenlangen Übergriffe beschränkten sich allerdings auf Sachbeschädigungen, wobei Bedrohungen von Leib und Leben durchaus offen geäußert wurden. Das Bezirksamt in Karlstadt und die Regierung des Untermainkreises in Würzburg bemühten sich, die Lage zu beruhigen und das Recht durchzusetzen.

    Obwohl die Ortsbewohner antisemitische Vorurteile wie Wucherzinsen und angeblichen Betrug jüdischer Händler zur Begründung der Schandtaten heranzogen, sieht Schlumberger andere Ursachen. In Wiesenfeld fällt immer wieder der Hinweis, dass sich Juden das Recht auf Teilhabe an der Gemeindenutzung von Wald, Weide und Wasser erstritten hatten. Dies betraf vor allem die Möglichkeit der Nutzung und Pacht landwirtschaftlicher Flächen sowie der Brennholzversorgung. Sollten die Juden auf diese Rechte verzichten, würden die Unruhen schnell ein Ende finden, hieß es.

    Dies ließen die bayerischen Behörden aber nicht durchgehen. Sie unterrichteten die jüdischen Ortsbewohner darüber, dass sie auf diese Rechte nicht verzichten könnten. Im nahen Laudenbach eskalierte die Situation schon bald derartig, dass im Juni 1866 für mehrere Wochen Militär aus Würzburg zur Kontrolle der Lage einquartiert werden musste. Dies hatte schwerwiegende Versorgungslasten für die Bewohner zur Folge. Später wurde der Ort in einem jahrelangen Verfahren zur Finanzierung des Einsatzes herangezogen.

    Schlumberger sah die Vorfälle, die manchmal auch an jüdischen Feiertagen geschahen, als Beleg dafür, dass die häufig zu findende gute Nachbarschaft von Christen und Juden den Charakter einer Parallelgesellschaft getragen habe. Das gute Miteinander sei aus Angst vor Konkurrenten und krisenhafte Ereignisse schnell bedroht gewesen.

    Junge Täter

    Der Übergang der ländlichen Selbstversorgungswirtschaft zur Geldwirtschaft habe auch eine Rolle gespielt. Den Gemeindebesitz habe man auf dem Land als ein Überbleibsel bäuerlicher Selbstorganisation gegen die neue Verwaltung verteidigen wollen. Es sei zu einem Aufbegehren von Modernisierungsverlierern gekommen, bei dem junge Burschen mit ihren Untaten eine besondere Rolle als Täter spielten. Gerade das Handeln solcher Dorfburschenschaften bewertete Schlumberger als bäuerliche Notwehr und Eigenjustiz

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