„Gesund durch Frischmilch, Butter, Sahne, Quark und Weichkäse von der Molkereigenossenschaft Marktheidenfeld“ – so warb die Marktheidenfelder Molkerei Mitte der 1950er Jahre.
Gäbe sie es noch, wäre sie heuer 75 Jahre alt. Die Genossenschaft wurde 1941 gegründet. Der Molkereibetrieb wurde seinerzeit in den Räumen der ehemaligen Bürgerbräu in der Mitteltorstraße untergebracht. An die Bürgerbräu erinnert heute nur noch das einst zu ihr gehörende Bräustüble.
Im ersten Jahr des Bestehens der Genossenschaft wurden pro Tag rund 8000 Kilo Milch angeliefert, 1955 waren es täglich rund 20 000 Kilo. Durch das ständig steigende Milchaufkommen reichte die Kapazität in der Mitteltorstraße nicht mehr, sodass eine neue Molkerei gebaut werden musste. Diese entstand 1951 an der Straße nach Zimmern, der späteren Georg-Mayr-Straße.
Die Mitgliederzahl der Genossenschaft erhöhte sich von rund 250 im Jahr 1950 auf rund 1400 im Jahr 1955. Im Oktober 1966 feierte die Genossenschaft ihr 25-jähriges Bestehen. Dabei wurden diese Zahlen genannt: 1822 Mitglieder in 38 Gemeinden der Landkreise Marktheidenfeld und Lohr sowie aus Hausen-K im damaligen Landkreis Karlstadt, heute Ortsteil von Steinfeld. Etwa 80 Prozent der Milcherzeugnisse der Genossenschaft wurden in den Landkreisen Marktheidenfeld und Lohr verbraucht. Die Milchanlieferung betrug 1965 insgesamt 9 384 510 Kilogramm, die Tagesanlieferung somit 25 711 Kilogramm.
Joghurtgläser mit Alufolie
Manche werden sich an die Zeit erinnern, als Joghurt nicht im Plastikbecher verkauft wurde, sondern nur im Glas, das mit einer Alufolie verschlossen war und selbstverständlich zurückgegeben und wieder verwendet wurde. Milch holten die Verbraucher in vielen kleinen Geschäften offen, frisch gepumpt in die mitgebrachten Milchkannen, ansonsten war die Milch in Flaschen abgefüllt, die ebenfalls zurückzugeben waren.
Im Umland von Marktheidenfeld arbeitete noch eine große Zahl von Milchbauern – und auch in Marktheidenfeld selbst gab es solche, die über die Genossenschaft die in ihren Betrieben erzeugte Milch absetzen konnten. „Zum Wohle der Bauern, zum Nutzen der Verbraucher“ – das war das Selbstverständnis der Molkereigenossenschaft, mit dem sie in den 1980er Jahren warb. Die Produktpalette umfasste Vollmilch, Buttermilch, Schwedenmilch, Schlag- und Saure Sahne, Butter, Natur- und Fruchtjoghurt, Speise-, Frucht- und Gewürzquark sowie Kochkäse.
Im Laufe der Zeit gingen die Zahl der Milch erzeugenden Betriebe und die erzeugte Milchmenge so weit zurück, dass sich für die Genossenschaft die Existenzfrage stellte. 1992 fusionierte die Molkereigenossenschaft Marktheidenfeld eG mit den Milchwerken Mainfranken eG in Würzburg, die 1915 als Milcheinkaufsgenossenschaft von Würzburger Milchhändlern gegründet worden waren und 1939 die ersten Landwirte aufgenommen hatten.
In Marktheidenfeld lief die Produktion nach der Fusion noch ein paar Jahre weiter. Ende Oktober 1999 wurde der Betrieb eingestellt. Mit dem Jahresbeginn 2008 wurden die Milchwerke Mainfranken in die Bayerische Milchindustrie eG (BMI), Landshut, integriert.
Den massiven Strukturwandel in der Milchtierhaltung dokumentieren unter anderem die Zahlen, die auf der Homepage des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt zu lesen sind: Im Landkreis Main-Spessart hielten 1975 4769 Landwirte 10 164 Milchkühe, 2013 waren es nur noch 96 Landwirte mit 1380 Tieren. – Nach der amtlichen Statistik mit Stand Mai 2016 sind die Zahlen auf 50 Landwirte mit 1202 Tieren zurückgegangen.
Eine Frage ist jetzt noch zu beantworten: Wo in der Georg-Mayr-Straße war denn die Molkerei? Nichts ist übrig von den Betriebsgebäuden. Dort, wo sie einst standen, befindet sich heute die ALDI-Filiale.