Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Franken
Icon Pfeil nach unten

Miltenberg/Erlenbach: Aus Klinik in Unterfranken direkt ins Abschiebe-Flugzeug: Wirbel um krebskranke Frau aus Syrien

Miltenberg/Erlenbach

Aus Klinik in Unterfranken direkt ins Abschiebe-Flugzeug: Wirbel um krebskranke Frau aus Syrien

    • |
    • |
    Von Frankfurt aus wurde Ende März eine Syrerin nach Bulgarien abgeschoben, weil sie dort zuerst einen Asylantrag gestellt hatte. Eine Bürgschaft des Sohnes, der in Deutschland als Arzt arbeitet, nutzte nichts.
    Von Frankfurt aus wurde Ende März eine Syrerin nach Bulgarien abgeschoben, weil sie dort zuerst einen Asylantrag gestellt hatte. Eine Bürgschaft des Sohnes, der in Deutschland als Arzt arbeitet, nutzte nichts. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Für Aufregung und offene Fragen sorgt derzeit der Fall einer Syrerin, die aus Unterfranken abgeschoben worden ist: Die über 60 Jahre alte Frau wurde trotz einer Krebserkrankung und den Folgen einer Bandscheiben-OP nach Bulgarien zurückgeflogen – und von ihren beiden in Deutschland lebenden erwachsenen Söhnen getrennt.

    Einer von ihnen arbeitet als Arzt in Hessen und hatte sich schriftlich verpflichtet, alle Unterhalts- und Behandlungskosten für seine Mutter zu übernehmen. Dennoch wurde ihr Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für unzulässig erklärt. Grund: Die Syrerin hatte bereits in Bulgarien Asyl beantragt – und war erst danach im Juli 2024 zu ihren Söhnen nach Deutschland weitergereist. 

    Dublin-Verordnung: kein zweiter Asylantrag in einem EU-Land

    Ein zweiter Asylantrag in einem anderen EU-Land ist nach der sogenannten Dublin-Verordnung grundsätzlich nicht möglich. Und eine Klage der Frau gegen die Abweisung durch das Bundesamt hatte zunächst keine aufschiebende Wirkung. Diese bestätigte das Verwaltungsgericht Würzburg erst nach weiteren Anträgen, als die Frau bereits abgeschoben war.

    Der Bayerische Flüchtlingsrat hat auf den Fall aufmerksam gemacht und kritisiert die Abschiebung in einer Mitteilung als unverhältnismäßig. In Bulgarien gelte die Menschenrechtslage als prekär, Geflüchtete könnten bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Syrer und Syrerinnen erhielten in Bulgarien kaum noch Flüchtlingsschutz.

    Gewohnt hatte krebskranke Frau bei ihrem jüngeren Sohn in Miltenberg. Dies wurde ihr laut Flüchtlingsrat trotz des unzulässigen Asylantrags erlaubt, weil sie wegen ihrer Erkrankung Pflege benötigt. Wie die Zentrale Ausländerbehörde Unterfranken (ZAB) – angesiedelt bei der Regierung – auf Nachfrage bestätigt, fand die Abschiebung am 26. März statt, unterstützt von Polizeibeamten. 

    Nachts seien mehrere Polizisten in der Wohnung gestanden, heißt es vom Flüchtlingsrat. Die Syrerin habe starke Schmerzen gehabt, ihr Sohn habe dies den Beamten anhand der aktuellen Befunde erklärt. Ein Rettungswagen habe die Frau dann in die Klinik nach Erlenbach (Lkr. Miltenberg) gebracht.

    Familie hatte kein Kontakt mehr zu der Frau nach Einlieferung in Klinik

    "Ab diesem Zeitpunkt hatten die Familienangehörigen keinen Zugang mehr zu Frau H. und bekamen keine Auskunft vom Krankenhaus oder der Polizei", kritisiert der Flüchtlingsrat. Vier Tage sei die über 60 Jahre alte Erkrankte für ihre Familie unauffindbar gewesen, ein Handy habe sie nicht dabeigehabt. Erst über ihren Anwalt habe der Sohn erfahren, dass die Abschiebung durchgeführt wurde.

    Unklar war jedoch, wo sich die Frau in Bulgarien befand. Der jüngere Sohn, selbst vierfacher Vater, reiste laut Flüchtlingsrat in großer Sorge hinterher. Er habe deshalb seine neue Arbeitsstelle nicht antreten können. Erst über einen bulgarischen Menschenrechtsaktivisten und mithilfe eines arabischsprachigen Arztes sei es ihm nach einer Woche gelungen, die Mutter in einer der Asylunterkünfte ausfindig zu machen. 

    Von der Zentralen Ausländerbehörde bei der Regierung von Unterfranken heißt es auf Anfrage, man habe in der Erlenbacher Klinik die Transportfähigkeit der Syrerin überprüft. Am Flughafen sei die Frau dann der Bundespolizei übergeben und in Begleitung eines Arztes nach Bulgarien "rücküberstellt" worden. Das BAMF habe die bulgarischen Behörden vorab über die gesundheitlichen Hintergründe der Frau informiert.

    Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg: Rückkehr möglich

    Nach der Abschiebung habe die Syrerin dann über ihren Anwalt weitere Anträge beim Verwaltungsgericht Würzburg gestellt, um eine Rückkehr nach Deutschland zu erwirken. Durch eine Gerichtsentscheidung vom 7. April wäre dies nun grundsätzlich möglich.

    Nur: Laut Flüchtlingsrat wurde die Frau ohne ihren syrischen Pass abgeschoben, so dass sie nun kein Einreisevisum bei der deutschen Botschaft in Sofia beantragen kann. Der Pass sei bei der Zentralen Ausländerbehörde verblieben – was diese gegenüber dieser Redaktion bestreitet. Man habe die Syrerin am Flughafen in Frankfurt samt Reisepass an die Bundespolizei übergeben, teilt ein Sprecher mit.

    Wie es für die Krebspatientin nun weitergeht, ist ungewiss. Seit Ende März sei die Frau nun schon in Bulgarien, obwohl ihr Tumor dringend operiert werden müsse, kritisiert der Flüchtlingsrat in München. "Die Situation ist für alle Beteiligten enorm kräftezehrend. Die medizinische Situation der Mutter verschlechtert sich von Tag zu Tag", berichtet Astrid Schreiber vom Flüchtlingsrat. Sie stehe in Kontakt zur Familie und erwartet von den Behörden schnelles Handeln.

    Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert Umgang mit kranken Menschen

    Für den Bayerischen Flüchtlingsrat liegt die Tragik des Falls nicht nur in der unterbrochenen medizinischen Versorgung, sondern auch im Umgang der Behörden und beteiligten Einrichtungen mit schwer kranken Menschen und ihren Angehörigen. Deshalb laufe eine Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen den behandelten Arzt im Krankenhaus. Die Helios-Klinik in Erlenbach will mit Verweis auf Datenschutz und Schweigepflicht keine Fragen dazu beantworten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden