Auf süße Leckereien aus dem Backrohr mussten unsere Vorfahren während der Sommermonate weitgehend verzichten, denn der Vorrat an weißem Mehl war längst aufgebraucht. Heiß ersehnt waren daher Erntedank und Kirchweih.
Schmalz für die Verstorbenen
Aus erntefrischem Mehl wurden spezielle Kirchweihkuchen gebacken. Jede Bäuerin setzte ihren Ehrgeiz daran, Gäste, dörfliche Honoratioren, Mitarbeiter, Bettler und Schnorrer mit Kuchen zu verköstigen. Selbst die armen Seelen bekamen den ersten Löffel Schmalz oder das letzte Küchle ins Feuer geworfen.
Heiß begehrt waren Ausgezogenen oder Knieküchle mit goldbraunem Rand, die mit Zimt und Zucker bestreut wurden. Gefragt waren auch Heißwecken aus süßem Hefeteig, verfeinert mit Sultaninen und Korinthen.
"Plaatz un Kuche", die Lieblingsspeise des Franken, gab es an Kirchweih im Übermaß. Wagenradgroße Kuchenbleche wurden zum Bäcker geschleppt oder im Dorfbackhaus gebacken. Selbst die ärmsten Leute backten ihre Kirmeskuchen und ernährten sich die ganze Woche davon. Matteplaatz (Käsekuchen), Riewelesplaatz (Streuselkuchen) und Qwetscheplaatz (Zwetschgenkuchen) mundeten. Der Fleckleskuchen aus der Rhön enthielt zusätzlich noch kleine Flecken aus Mohn- und Nussmasse. Am besten schmeckten die Kuchen frisch aus dem Rohr.
Am Martinstag gebackene Gebildbrote waren Glücksbringer. Verwandte und Freunde wurden damit beschenkt. Bekannt sind die Weckmänner oder Stutenkerle. Aus Hefe- oder Mürbteig formten die Bäcker aber auch Martinsgänse, Hörnchen oder Hufeisen. Martini war ein wichtiger Tag für die Entrichtung von Pacht, Zins und Naturalabgaben. Der Gans kam als Pacht- und Zinsvogel große Bedeutung zu. Zum Martinsgansessen mundete der junge Wein.
Der Kult um den heiligen Nikolaus lässt sich bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen. Abgebildet wird der Bischof von Myra in Kleinasien mit Mitra, Bischofsstab und einem Buch, auf dem drei goldene Kugeln oder drei Brote liegen. Die Kugeln versinnbildlichen die Legende, als Nikolaus mit Goldstücken drei Mädchen vor den Sklavenhändlern rettete.
Nikolaus - Patron der Bäcker
Die Brote erinnern an einen reichen Kaufmann in Sizilien, den Nikolaus im Traum veranlasste, ein mit Getreide beladenes Schiff nach Myra zu schicken, um die Hungersnot abzuwenden. Nikolaus ist der Patron der Schiffsleute und Flößer, aber auch der Bäcker und Schüler.
In allen Landstrichen gab es an Nikolaus gebackene Figuren, die an den heiligen Mann und seinen Begleiter Ruprecht erinnerten: den Klausenkerl in Westfalen, Sinteklos und Samichlas in der Schweiz oder den Aachener Printenmann.
Hätte es 1730 schon das Guiness-Buch der Rekorde gegeben, dann wäre der Dresdener Bäckermeister Johann Andreas Zacharias dort bestimmt verewigt. Seinem Landesherrn, Kurfürst August dem Starken, backte er einen Riesenstollen im eigens gemauerten Backofen. Acht Pferde zogen das 36 Zentner schwere Gebäck aus dem Backrohr und brachten es zum Schloss.
Noch heute werden in Dresden jährlich etwa 1,5 Millionen Stollen zur Weihnachtszeit gebacken und in alle Welt versandt. Aber auch in Karlstadt gehört der Stollen zum traditionellen Weihnachtsgebäck. Konditormeisterin Angelika Schrödl stellte ein Rezept zum Nachbacken zusammen.
Mit diesem Beitrag beendet die MAIN-POST die Reihe über Brauchtumsgebäck im Jahreskreis. Die Vorlage lieferte Kreisheimatpfleger Georg Büttner, der weiterhin interessiert ist an alten Backformen und Rezepten.