Karlstadt (agä)
Um so höher ist es der Polin Agnieszka Holland anzurechnen, dass es ihr gelungen ist, dem Musikgenie Ludwig van Beethoven einige faszinierende Facetten abzugewinnen, ohne gleich Kenner der Materie zu beleidigen, vorausgesetzt diese sind gewillt, sich auf ihre Art Gedankenspiel einzulassen. Die beiden renommierten Drehbuchautoren Stephen J. Rivele und Christopher Wilkinson haben Beethoven mit der Musikstudentin und Kopistin Anna Holz eine fiktive Muse an die Seite gestellt, die es natürlich so nicht gegeben hat, denn wir sind schließlich im 19. Jahrhundert. Da haben Frauen im Musikgeschäft –- im wirklichen Leben waren die Kopisten Beethovens immer Männer – nichts zu suchen. Doch was wäre, wenn . . .?
Genau dieser Konjunktiv interessierte Agnieszka Holland an dieser fiktiven Episode aus Beethovens letzter Schaffensperiode, denn eigentlich ist die Idee nicht uninteressant, dem egomanen Meister eine Frau anzudichten, die sich entgegen aller gesellschaftlicher Regeln ebenfalls als Komponistin etablieren will. Folgen wir also der Regisseurin für die nächsten 100 Kinominuten in das Wien des Jahres 1824.
Seit fast zehn Jahren hat Beethoven keine Symphonie mehr komponiert. Fieberhaft arbeitet er an der Neunten, die sein großes Alterswerk werden soll. Sehr bald schon ist Uraufführung, doch fehlt es immer noch an einer fertigen Partitur. Als eine Art Verlegenheitslösung engagiert man die junge Konservatoriums-Studentin Anna Holtz, die gemeinsam mit dem Meister die fehlenden Noten zu Papier bringen soll. Doch der nahezu taube und auch sonst mit allerlei körperlichen Gebrechen behaftete Maestro ist von einer Frau in seiner dreckstarrenden Junggesellenbude alles andere als begeistert. Nur widerwillig lässt sich Beethoven auf die arrangierte Zusammenarbeit ein. Ed Harris spielt den fast gehörlosen Maestro Oscar-reif und komplettiert nach „The Hours“ und „Pollock“ mit der Darstellung des exzentrischen Musikgenies seine Trilogie beschädigter Künstlernaturen.
Ihm und der Regisseurin gelingt ein über weite Strecken packendes Musikerporträt, und der Zuschauer gewinnt beeindruckende Einblicke in die Seelenlage der musikbesessenen Figuren. Das emotionale Crescendo bildet die Aufführung der „Neunten Sinfonie“ dabei, deren Brillanz der Film in einer knapp zehnminütigen Sequenz feiert.
Alles in allem ist „Klang der Stille“ ein Film von einer großen, bewegenden Emotionalität, die mit einer Prise Humor zu keinem Zeitpunkt in Pathos, Kitsch und Klischees umkippt, ein Film, dessen wohltuend gemächliches Erzähltempo den Zuschauer zu genauem Hinhören und Hinsehen einlädt.
Die Burg-Lichtspiele in Mühlbach
zeigen den Film
als Auslese am Sonntag, 8. Juli, um 11.15 Uhr, am Montag, 9. Juli, um 16.30 Uhr und am Dienstag, 10. Juli, um 20 Uhr. Freigegeben ist er ab sechs Jahre.