Sogar auf die Haustürklingel reagiert die 81-jährige Seniorin aus einem Dorf im Werntal inzwischen vorsichtig und überzeugt sich über die Türsprechanlage, wer davor steht. Denn sie hat ein aufwühlendes Erlebnis hinter sich: Beinahe wäre sie auf eine weitere Variante des berüchtigten Enkeltricks hereingefallen.
An einem Nachmittag vergangener Woche klingelte das Telefon, arglos meldete sich die Witwe. Aus dem Hörer kam die schwer verständliche Stimme einer scheinbar aufgelösten, weinenden jungen Frau: "Bitte Oma, hilf mir! Mir ist etwas Schreckliches passiert!" Ohne groß zu überlegen, fragte die die Seniorin: "Kerstin, bist du das?" Ein weiteres Schluchzen war die Folge. Doch dann meldete sich eine andere Frauenstimme, die sich als Polizeibeamtin vorstellte. Die 19-jährige Enkelin habe ein rotes Ampelsignal überfahren und einen schweren Autounfall verursacht, bei der eine junge Frau ums Leben gekommen sei, das Opfer hinterlasse ein Kleinkind.
Die Rentnerin, die ihren Namen nicht publik machen möchte, ist trotz ihrer 81 Jahre eine Frau, die mitten im Leben steht, und hat selbstverständlich auch schon von der Gefahr durch Enkeltrick-Anrufe gehört. Dennoch war sie von der Situation und der weinenden Frauenstimme im Hintergrund aufgewühlt. Auf ihre Bitte, die scheinbare Enkelin sprechen zu wollen, parierte die falsche Polizistin: Kerstin werde gerade psychologisch betreut, ein weiteres Gespräch sei derzeit nicht möglich. Auch die Frage der Rentnerin nach den Eltern der Enkelin wurde abgeblockt. Die junge Frau vertraue nur der Oma, nur diese könne ihr helfen, so die Antwort.
Aufregung schlug in Wut um
Dann setzte die Anruferin noch eines drauf: "Sprechen Sie vorerst mit niemanden darüber, bis wir die Sache mit der Kaution geklärt haben!" Als dann die falsche Polizistin nach Geld, beziehungsweise Schmuck fragte, verdichtete sich der Verdacht der Seniorin, dass etwas an dem Anruf nicht stimmen könne und sie fragte trotz aller Aufregung kritisch nach. Zwar versuchte die Fremde zu beschwichtigen, das Gespräch werde aufgenommen und protokolliert und die Frau würde eine Abschrift über die Aufzeichnungen erhalten.

Trotzdem wandelte sich bei der Seniorin nun die Aufregung in Wut: "Ihr Dreckspack, ihr wollt mich doch nur betrügen", schimpfte sie. Und prompt war das Gespräch beendet.
Ein Anruf bei ihren Kindern, die im selben Dorf leben, zeigte zum Glück, dass auch die Enkelin wohlauf war. Obwohl die Rentnerin den Betrügern durch ihre Skepsis nicht auf den Leim gegangen war, zeigt das Erlebnis auch eine Woche danach seine Wirkung. Sie nimmt keine Gespräche mehr an, wenn sie die anrufende Nummer nicht kennt, sie überprüft Besucher an der Haustür, bevor sie öffnet und sie hat durch ihren Schwiegersohn ihre Telefonnummer ändern lassen. Was aber bleibt, ist die Angst und der Groll über sich selbst. "Ich sitze oft auf meinem Stuhl und heule vor Wut", sagt sie.
Polizei fordert niemals Geld oder Schmuck
Wie kann man sich gegen betrügerische Telefonanrufe dieser Art schützen? Das wirksamste Mittel gegen Betrug am Telefon oder im Internet ist eine gesunde Portion Skepsis. Sobald das Gespräch auf Geld, Schmuck, Kaution kommt, sollte das Telefonat beendet werden, sagt die Polizei in ihrer Kampagne "Leg auf!" Niemals würde die Polizei am Telefon eine derart gravierende Nachricht übermitteln, ebenso wenig würden Zahlungen irgendwelcher Art gefordert. Geld, Schmuck oder andere Wertgegenstände sollten niemals an Fremde übergeben werden.
Ein wichtiger Moment der Enkeltrickbetrüger sind der erste Schock und die Zeitnot des Angerufenen. Daher sollte man versuchen, den vermeintlichen Bekannten direkt unter der gewohnten Telefonnummer zurückrufen, um sicherzustellen, dass es sich um die echte Person handelt.