50.000 Euro. So lautet seit 2022 der Höchstsatz, den die Stadt Rieneck ihren Bürgerinnen und Bürgern zuschießt, wenn sie ihr Haus im Altstadtbereich gemäß der ebenfalls erneuerten Gestaltungssatzung auf Vordermann bringen. Im Vergleich zum davor geltenden Maximalzuschuss von 7670 Euro ist das eine Steigerung von knapp 552 Prozent. "Ein Wandel vom 'Gartetürle-Anstreichprogramm' zu dem besten oder mit dem besten kommunalen Förderprogramm in ganz Bayern", resümiert Rienecks Bürgermeister Sven Nickel stolz.
Das erklärte Ziel der Maßnahme: Der historische Charakter des Ortskerns soll erhalten und gleichzeitig Leerstände wiederbelebt werden. Bezuschusst werden alle Baumaßnahmen, die nach Außen und im Sinne der Gestaltungssatzung wirken. Sei es ein neues Dach, ein Fassadenanstrich, eine Erneuerung der Fensterläden oder der zitierten Gartentür. Die Stadt übernimmt 30 Prozent der investierten Summe bis zu dem festgelegten Höchstsatz. Der kommt bei nach außen wirkenden Baukosten ab rund 167.000 Euro zum Tragen.
Durch Förderung lohnt sich die Verwendung wertigerer Materialien
Warum es sich auszahlt, gemäß der Vorgaben zu sanieren, rechnet Nickel, der parallel zu seinem Ehrenamt als Bürgermeister als Finanzberater tätig ist, an einem konkreten Beispiel vor: Bei einem Haus innerhalb des Altstadtbereichs steht eine Dachsanierung an. Das städtische Gestaltungshandbuch gibt dabei die Verwendung von roten Tonziegeln vor. Kosten für die Dachsanierung mit diesem Baustoff: 30.000 Euro

Eine Eigentümerin sei etwa sauer gewesen, weil sie die günstigeren – jedoch nicht gestatteten – Betonziegel hatte verwenden wollen. Wegen der Vorgaben der Stadt sah sie nun höhere Kosten auf sich zukommen. Zu Unrecht, wie der Bürgermeister erklärt. So stünde den vermeintlich geringeren Gesamtkosten von 27.000 Euro für eine Dachsanierung mit Betonziegeln bei den mit 30 Prozent geförderten Tonziegeln am Ende eine deutlich geringere Summe von 21.000 Euro gegenüber.
Möglichkeit steuerlicher Sonderabschreibung und kostenlose Sanierungsberatung
Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es im Sanierungsgebiet zudem die Möglichkeit einer steuerlichen Sonderabschreibung. Investitionen können, je nachdem, ob die Immobilie selbst genutzt oder vermietet wird, über einen Zeitraum von zehn beziehungsweise zwölf Jahren abgeschrieben werden. In Summe sind dabei letztlich 90 beziehungsweise 100 Prozent Abschreibung möglich.

Welche Zuschüsse und Vorteile im Einzelfall gelten und was bei der Umsetzung geplanter Sanierungsvorhaben zu beachten ist, dafür bietet die Stadt Rieneck darüber hinaus einen kostenlosen Sanierungssprechtag. Das im Vier-Wochen-Rhythmus stattfindende Angebot wird laut Bürgermeister Nickel intensiv in Anspruch genommen. "Wir kommen im Jahr auf rund 40 Sanierungsberatungen, die häufig in einer konkreten Umsetzung münden."
Förderprogramm zeigt die gewünschte Wirkung
Die Trias aus Beratung, kommunaler Förderung und steuerlicher Anreize beschreibt Nickel als "ein sehr gutes und wirksames Paket", das bereits eine Vielzahl von Projekten angestoßen habe. Unter Beteiligung des Förderprogramms seien seit 2022 beispielsweise zwei Gebäude komplett aus Leerstand saniert worden, drei Gebäude befänden sich aktuell im Vollsanierungsprozess.
Dass es sich bei einer der beiden Leerstandsbelebungen um ein privates Projekt Nickels handelt, zeigt, welchen Wert der Bürgermeister dem Programm persönlich beimisst. Zusammen mit seiner Frau hatte er ein ehemaliges Obst- und Gemüsegeschäft in der Obertorstraße zu Mietwohnungen für mehrere Parteien umgebaut. Wahrscheinlicher Zuschuss aus dem kommunalen Förderprogramm: circa 35.000 Euro.

Es gibt auch Misstöne und Einwände gegen die Gestaltungssatzung
Trotz der laut Nickel mehrheitlich positiven Stimmung gegenüber dem Förderprogramm birgt speziell die Gestaltungssatzung auch Reibungspotential. So kam es kürzlich zu einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht Würzburg, weil einer Hauseigentümerin im Altort durch die Stadt das Anbringen von Photovoltaik-Anlagen an ihrer Hauswand verweigert worden war. Zur Unrecht, urteilte das Gericht, mit Blick auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die daraus resultierte Anpassung der Bayerischen Bauordnung.

Durch eine solche "Durchlöcherung" der Geltungshoheit der Gestaltungssatzung drohe ihr nach Ansicht Nickels eine Funktionslosigkeit. Die Nutzung von erneuerbaren Energien möchten der Bürgermeister und die Stadt Rieneck im Sanierungsgebiet durchaus ermöglichen – jedoch im Einklang mit dem Erhalt des historischen Ortsbilds.
Stadt Rieneck möchte selbst als Bauherrin zur Partizipation motivieren
Dieses Ortsbild über den Erhalt hinaus auch aktiv zu verschönern und damit auch das Wohnen in der Altstadt attraktiver zu machen, ist das Ziel einer anstehenden Maßnahme, bei der die Stadt selbst baulich aktiv werden möchte. "Das ist die größte Baumaßnahme seit der Burg Rieneck", scherzt Nickel und meint damit die geplante Neugestaltung der Ortsmitte. Dort, in direkter Nachbarschaft zum denkmalgeschützten Zentrum, findet sich aktuell eine große asphaltierte Parkfläche.

Um an dessen Stelle einen ansprechenden Begegnungsort zu schaffen, hat die Stadt einen Architekturwettbewerb ausgelobt. Entstehen soll eine gepflasterte Fläche mit neuem "Dorfladen" und einer angrenzenden Parkscheune. Welches der zwölf Architekturbüros mit ihren Entwürfen den Zuschlag erhält, wird ein Preisgericht, bestehend aus Architekturexperten, Bürgermeister und Stadträten im November entscheiden.
Dass die Kommune selbst hier in großem Stil als Bauherrin aktiv wird, hat für Nickel wichtigen Symbolcharakter und soll helfen, funktionalen Störungen wie dem Mangel an Nahversorgung im Ortszentrum entgegenzuwirken: "Wir wollen zeigen, welches gewaltige Potenzial wir hier im Zentrum haben und andere damit motivieren, ebenfalls aktiv zu werden."
"Was wir nicht unendlich haben, ist Geld. Aber wir haben eine Idee, wo wir es herbekommen können."
Sven Nickel, Bürgermeister von Rieneck, zur Unterstützung durch die Städtebauförderung
Städtebauförderung übernimmt einen Großteil der Kosten
Bezahlen muss die Stadt das alles nicht alleine. "Dazu wären wir niemals in der Lage", gibt Nickel unumwunden zu. Sowohl die geplante Baumaßnahme im Ortskern, als auch das großzügige Förderprogramm wird zu einem großen Teil von der Städtebauförderung finanziert. Dabei handelt es sich laut Nickel um ein Instrument, in dem Mittel des Bundes und des Lands Bayern ineinanderfließen und das verwaltet wird durch die Regierung von Unterfranken.

Die Zusammenarbeit mit dem bei der Regierung angesiedelten Sachgebiet Städtebauförderung beschreibt Rienecks Bürgermeister als sehr fruchtbar. Ob 9000 Euro Zuschuss für das neue Ziegeldach oder das Millionenprojekt zur neuen Ortsmitte, in aller Regel übernimmt die Städtebauförderung in Rieneck 80 Prozent der für die Stadt anfallenden Kosten. Voraussetzung hierfür sind die ländliche Lage der Stadt abseits der Metropolregionen und ihre finanzielle Situation – oder wie Sven Nickel es beschreibt: "Was wir nicht unendlich haben, ist Geld. Aber wir haben eine Idee, wo wir es herbekommen können."