Wenn Eußenheims Bürgermeister Dieter Schneider von dem Biber spricht, der seit vier oder fünf Jahren ein Revier in dem kleinen Flüsschen Aschbach gefunden hat, dann hört es sich an, als rede er von einem ungezogenen Jungen. „Da hat der Kerl wieder einen neuen Damm gebaut, dort hat der Kerl einen Baum angeknabbert.“ Er gehört zur Familie, aber er weiß sich nicht zu benehmen. Daher gibt es immer wieder Probleme.
Denn in dem Revier zwischen Hundsbach und Obersfeld liegt das Trinkwassergewinnungsgebiet der Hundsbacher Gruppe und dies genießt allergrößten Schutz. Dem Biber ist es mehrmals gelungen, dies in Teilen zu überfluten. „Für einen Damm braucht der nur ein paar Tage“, sagt Schneider und er zeigt, wie an einer Stelle das Wasser aus dem Flussbett auf die Wiese gelaufen ist.
Mit Plastikkanistern vergrämen
Der Biber steht streng unter Schutz und das gilt auch für seine Bauten. In diesem speziellen Fall aber darf die Gemeinde mit Erlaubnis der Unteren Naturschutzbehörde diese beseitigen, um das Trinkwassergewinnungsgebiet zu schützen. Dies hat sie schon mehrmals getan. In einen Damm wurde ein langes Rohr verlegt und mit Draht ummantelt, um den Abfluss des Aschbachs weiter zu gewährleisten. Über einem anderen Damm wurde eine Leine mit Plastikkanistern gespannt, um den Biber zu vergrämen. Das ist gelungen. Aber was macht der Biber? „Der Kerl baut sich einfach unterhalb einen neuen Damm“, so Schneider.
Er macht dies mit einer Geschwindigkeit und mit einem Geschick, die einem Bewunderung abverlangt. Ein genialer Baumeister eben, dessen Lieblingsbeschäftigung es ist, kleine Bäche aufzustauen und diese in eine kaskadenhafte Landschaften zu verwandeln. Denn im Wasser fühlt sich der etwa 30 Kilogramm schwere Nager wohl, dort ist er flink, auf Land dagegen eher plump und behäbig. Aber die Fortbewegung ist nicht der wichtigste Grund, warum der Biber die Bäche aufstaut. Irgendwo entlang des Baches ist sein Zuhause, die sogenannte Biberburg, sein Quartier und die Brutstätte für den Nachwuchs. Die Burg selbst ist im Trockenem, der Eingang dazu muss aber als Schutz vor Räubern unter Wasser liegen.
Vom Hessischen in die Sinn
Die Biber sind auf dem Vormarsch – im gesamten Landkreis. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da war er fast in ganz Europa ausgerottet. 1987 und 1988 wurden erste Biber im hessischen Spessart ausgesetzt. Seitdem breitet sich der Biber weiter aus. „Die Biber kamen aus dem Hessischen über die Sinn zurück in unseren Landkreis“, sagt Rainer Maier, der Biberbeauftragte im Landratsamt Main-Spessart. „Von dort ging es weiter in den Main, in die Saale, ins Werntal und ins Lohrtal.“ Heute sei der Biber fast überall. Es gibt laut Maier nur noch wenige weiße Flecken im Landkreis, aber es sei eine Frage der Zeit, dass diese auch besiedelt werden.
Dem Biber kommt zugute, dass er weit wandern kann. Das muss er auch, denn erlangen die jungen Biber nach etwa drei Jahren die Geschlechtsreife, werden sie von den Eltern vertrieben. Sie müssen selbst ein Revier finden. Der Main ist dabei kein Hindernis. Eine Wanderung von 25 Kilometern sei für den Biber kein Problem, sagt Maier. Er schätzt, dass es zirka 100 Biberreviere im Landkreis gibt. Manche werden nur von einem Biber bewohnt, manche von einer ganzen Biberfamilie.
Um die Zahl der Biber zu bestimmen, ist es daher üblich, die Biberreviere mit 3,3 zu multiplizieren. Im Landkreis sind es demnach zirka 330 Biber, die hier leben.
Lieb zur Familie, aggressiv zu anderen
Werden es noch mehr? Vermutlich ja, sagt Maier. Er geht von einer weiteren Verdichtung aus, allerdings sei dann auch irgendwann Schluss. Zwar habe der Biber hier keine natürlichen Feinde wie Bär und Wolf, aber die Biber werden sich selbst regulieren. Davon ist Maier überzeugt. Denn die Biber seien im Familienbund lieb und nett, darüber hinaus aber aggressiv. Das Revier wird verteidigt. Bei diesen Kämpfen können sich die Biber mit ihren scharfen Zähnen schwere Verletzungen zufügen, die sich infizieren und an denen sie sterben. „Der Biber hat ein ganz schwaches Immunsystem“, sagt Maier.
Es müsse also niemand Angst haben vor einer Invasion der Biber im Landkreis, die man zulassen muss, weil sowohl die Biber als auch ihre Bauten unter Naturschutz stehen. Probleme gibt es dennoch und dann kann es schon mal vorkommen, dass Maier als Biberbeauftragter des Landkreises einen aufgeregten Anrufer am Telefon hat. Dann wird sich über Schäden beschwert, die der Biber angerichtet hat. „Wir haben aber bisher immer eine Lösung gefunden“, sagt Maier. Er trifft sich dann vor Ort mit den Beteiligten, um die Maßnahmen zu besprechen. Ganz wichtig ist für ihn: „Selbsthilfe ist nicht erlaubt“, betont er.
Draht um die Bäume
Oftmals geht es darum, dass der Biber sich Feldfrüchte klaut oder Obstbäume mit seinen scharfen Zähnen umlegt. Das Landratsamt erstattet den Privatleuten nicht den Verlust, gibt ihnen aber Unterstützung, die Ernte und die Bäume zu sichern. So wird beispielsweise Draht kostenlos gegeben, um die Bäume zu schützen. Den Draht um die Bäume wickeln, müssen die Leute aber selber. „Wir haben auch schon mal einen Elektrozaun verliehen, der die Biber vergrämt“, so Maier. Oftmals stehe aber der Aufbau und die Pflege des Zauns nicht in Relation zu dem Nutzen. „Soll er mir halt 50 bis 60 Euro wegfressen“, habe Maier auch schon gehört.
Kommt es zu größeren Schäden im gewerblichen Bereich in der Land- und Forstwirtschaft, dann werden diese aufgenommen und gesammelt. Die Geschädigten können einen Ausgleich aus einem Landestopf für Biberschäden am Ende des Jahres erwarten. Dieser ist allerdings mit 450 000 Euro gedeckelt, so dass ihre Schäden anteilsmäßig bezahlt werden, sollte das Geld für alle Schäden in ganz Bayern nicht reichen.
Schaden im Bagatellbereich
Manchmal sei es so, dass die Biber aber auch zu Unrecht für Schäden verantwortlich gemacht werden. Maier berichtet von einem Fall in der Gemeinde Hasloch im südwestlichen Landkreis. Ein Landwirt habe ihm ein zusammen getrampeltes Maisfeld gezeigt. Es habe ausgesehen wie auf einem Schlachtfeld. Für Maier war klar, das waren keine Biber, sondern Wildschweine. Am Rande des Feldes hatte sich der Biber aber auch bedient. Einzelne Maisstangen waren in typischer Weise abgenagt. „Dieser Schaden lag aber im Bagatellbereich“, so Maier.
Schlimmer war da schon der Schaden, den ein Biber auf einem Getreideacker bei Birkenfeld angerichtet hat. Maier berichtet, dass sich durch einen Damm eines Bibers sich der Untergrund des benachbarten Ackers verwässerte. Dies war auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Der Lohndrescher versank mit seiner schweren Maschine im Schlamm und musste mit Hilfe eines Schleppers wieder herausgezogen werden.
Röhren im Damm
Oft sind es die Dämme die Bibers, die Probleme bereiten – entweder weil sie wie in Eußenheim das Wassergewinnungsgebiet zu verunreinigen drohen oder wie bei Retzbach die vorbeiführende Staatsstraße gefährden. Meistens lässt sich das Problem mit dem Bau von Röhren im Damm lösen. Ein Aufwand sicherlich – daher ist der Biber nicht überall gerne gesehen. Maier hat auch schon Gerüchte gehört, dass der Biber vom Bund Naturschutz oder sonst jemandem angesiedelt worden sei. Das kann er ausschließen. Den Weg zu ihren Revieren haben die Biber selber gefunden.
Aus Sicht des Naturschutzes begrüßt Maier die Rückkehr. Nicht nur, weil ein Tier wieder heimisch wird, das lange als ausgestorben galt, auch mit seinen Dämmen schafft der Biber kleinteilige Feuchtbiotope, von denen andere Tier- und Pflanzenarten profitieren.