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Lengfurt: Binnenschiffer aus Triefenstein: Auf dem Main wie in Quarantäne

Lengfurt

Binnenschiffer aus Triefenstein: Auf dem Main wie in Quarantäne

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    Klaus Ludorf und Julia Steffen: Das Vater-Tochter-Duo auf einem der Schiffe des Unternehmens in Triefenstein. Normalerweise kümmern sie sich um die Büroarbeit und Sohn Stefan Ludorf sitzt am Steuer. 
    Klaus Ludorf und Julia Steffen: Das Vater-Tochter-Duo auf einem der Schiffe des Unternehmens in Triefenstein. Normalerweise kümmern sie sich um die Büroarbeit und Sohn Stefan Ludorf sitzt am Steuer.  Foto: Ivana Biscan

    Wenn in der Schifffahrt etwas nicht nach Plan läuft, zieht das schnell langwierige Konsequenzen nach sich – das wissen wir seit der großen Havarie der "Ever Given" im Suezkanal. Eine Pandemie, die weltweit kaum Planungssicherheit zulässt, stellt da ganz besondere Herausforderungen. Auch die Binnenschifffahrer auf dem Main spürten die Auswirkungen von Corona

    Der Frachter "MS Stark" nahe der Schleuse Lengfurt. Auch während der Corona-Pandemie ist das Transportschiff viel im Einsatz.
    Der Frachter "MS Stark" nahe der Schleuse Lengfurt. Auch während der Corona-Pandemie ist das Transportschiff viel im Einsatz. Foto: Ivana Biscan

    Ruhig und regungslos liegt die „MS Stark“ nahe der Schleuse Lengfurt im Main. Ein Monteur soll sich das über 8000 Tonnen schwere Frachtschiff der Familie Ludorf noch an diesem Aprilnachmittag ansehen. Nur ein Detail im ohnehin durchgetakteten Fahrbetrieb: Am nächsten Tag um 10 Uhr muss es schon wieder weitergehen. Auch der Großteil der Besatzung ist bereits an Bord – zu Coronazeiten keine Selbstverständlichkeit. Das erklären Julia Steffen und ihr Vater Klaus Ludorf, die gemeinsam die Disposition des Familienunternehmens IZB-Cargo & Co GmbH in Triefenstein betreuen. Problematisch seit der Pandemie: Nicht der Auftragsmangel, sondern der Personalwechsel.

    Personalmangel: Binnenschiffer haben das Spargelstecher-Problem

    „Wir sind bis August komplett ausgebucht“, sagt Ludorf. Dazu müssen nur die Arbeiter auf das Schiff. Und das ist – ähnlich wie bei der Spargelernte – seit der Pandemie gar nicht so einfach. Steffen überlegt kurz, dann zählt sie auf: „Unsere Leute, die auf den Schiffen arbeiten, kommen zurzeit aus Frankreich, Tschechien, Rumänien, Ungarn und Serbien“. Warum sie nicht auf Schiffsbesatzungen aus Deutschland zurückgreifen können?

    Das hat aus Sicht der beiden Unternehmer zwei Gründe: Fehlender Nachwuchs aus Deutschland und bessere Verständigung vor Ort. „Die Jugend bekommt Schifffahrtsberufe nicht gezeigt“, so Steffen. Und Ludorf erklärt: „Wir müssen in den Ländern, in denen wir sind, die Sprache verstehen.“ Mit ihren Schiffen transportieren sie Schwergutladungen vor allem von den ARA-Häfen (Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) über Rhein, Main und Donau bis nach Rumänien. Dieses Konzept hat zu Pandemiezeiten allerdings Schwierigkeiten nach sich gezogen.

    Jede Stunde, die das Schiff anlegt, kostet Geld. 

    Klaus Ludorf, Disponent der IZB-Cargo & Co GmbH

    Die Pandemie bedeutet auf dem Wasser vor allem eines: Mehr Planungsaufwand.

    Jedes Besatzungsmitglied, das an Bord geht, braucht eine Menge Dokumente: Unter anderem den Arbeitsvertrag, einen Arbeitsnachweis, das Schifferdienstbuch, ein Einladungsschreiben und einen PCR-Test. Das alles muss Julia Steffen nun schon Wochen im Voraus koordinieren. „Wir müssen vorher wissen, wo und wann jemand an Bord geht.“ Und zwar schon bevor sich die Mitarbeiter von ihren Heimatländern aus auf den Weg zur Anlegestelle machen. Nur so kann Steffen sichergehen, dass sie überhaupt anreisen dürfen. Verzögerungen, auch durch etwaige Corona-Verdachtsfälle an Bord, sollte es nicht geben. „Jede Stunde, die das Schiff anlegt, kostet Geld“, so Ludorf. 

    Auch geregelte Abläufe an den Schleusen sind dafür nötig. Auf dem Main stellte das im vergangenen Jahr aber kein Hindernis dar. „Der Betrieb der Anlagen war durchgehend gewährleistet“, bestätigt Stephan Momper, Fachbereichsleiter Wasserstraßen bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSA) Main.  Die Frage nach Kurzarbeit an den Mainschleusen verneint Momper. Ausfälle durch Corona-Erkrankungen im privaten Umfeld der Mitarbeiter wurden ausgeglichen: „Durch Springer konnten die Schleusen in Betrieb bleiben“. 

    Ein Frachtschiff des Schifffahrtsunternehmens IZB-Cargo & Co GmbH aus Triefenstein mit einer Ladung Container auf dem Main. Oft ist der Frachter allerdings mit sperrigem Schwergut beladen.
    Ein Frachtschiff des Schifffahrtsunternehmens IZB-Cargo & Co GmbH aus Triefenstein mit einer Ladung Container auf dem Main. Oft ist der Frachter allerdings mit sperrigem Schwergut beladen. Foto: Ivana Biscan

    Ludorf: Spezialisierung war die richtige Strategie in der Pandemie

    In der Branche habe man laut der Triefensteiner Unternehmerin Steffen die Pandemie schon gemerkt: „Wenn große Betriebe Kurzarbeit hatten, dann sind auch Transporte weggefallen“. Davon war das Unternehmen der Familie Ludorf nicht so stark betroffen. Ihr Vater erklärt: „Wir hatten genügend Aufträge, weil wir in den letzten Jahren – ohne von Corona zu wissen – die richtige Strategie gewählt haben“. Denn die Binnenschifferfamilie hat sich auf den Schwerguttransport spezialisiert, darunter zahlreiche Sondertransporte. Auch an diesem Tag hat die MS Stark wieder zwei tonnenschwere Transformatoren geladen, die nach Kehlheim müssen. Ludorf vermutet sogar einen Anstieg der Umsätze beim Schiffstransport, weil LKW an den Grenzen mehr Probleme gehabt hätten.

    „Wenn große Betriebe Kurzarbeit hatten, dann sind auch Transporte weggefallen“

    Julia Steffen, Geschäftsführende Gesellschafterin der IZB-Cargo & Co GmbH

    Insgesamt stand die Frachtschifffahrt auf dem Main im Coronajahr 2020 gut da: "Es wurden leicht mehr Güter transportiert im letzten Jahr“, so Momper vom WSA. Das geht auch aus Zahlen hervor, die der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. vor Kurzem veröffentlichte. Circa 300 000 Tonnen mehr als im Vorjahr, insgesamt waren es 13,5 Millionen Tonnen. Andere Bereiche mussten dagegen zurückstecken: Die Flusskreuzfahrt und die Tagesschifffahrt sind laut Momper stark eingebrochen.

    Eine kleine Schiffskabine, eine „Grundstückslänge“ von 170 Metern und fast jeden Tag eine andere Aussicht vor dem Fenster. Schifffahrer auf dem Main erleben ihre eigene Art von Quarantäne.
    Eine kleine Schiffskabine, eine „Grundstückslänge“ von 170 Metern und fast jeden Tag eine andere Aussicht vor dem Fenster. Schifffahrer auf dem Main erleben ihre eigene Art von Quarantäne. Foto: Ivana Biscan

    Auf dem Schiff wie in Quarantäne

    Wenn die Besatzung dann einmal auf dem Schiff ist, zeigen sich noch andere Vorteile der Schifffahrer im Vergleich zu den "Landratten": Das Leben an Bord ist laut Steffen "wie eine Art Quarantäne". Die Besatzung gehe im Ausland nicht mehr an Land. Papiere, die sonst persönlich beispielsweise beim Schleusenpersonal vorgezeigt wurden, schicken sie jetzt per WhatsApp-Nachricht oder per E-Mail. „Unsere Leute müssen schon seit Jahren auf Vorrat einkaufen“, so Steffen. Für weitere Einkäufe werden Agenten vor Ort beauftragt, die Lebensmittel auf das Schiff bringen. Den Überblick verlieren die Schifffahrer dabei nicht so leicht: Ein detailliertes Proviantbuch muss geführt werden und kann bei Grenzkontrollen überprüft werden. Manche der Angestellten blieben seit Corona sogar länger als gewöhnlich auf dem Schiff. „Die fühlen sich hier sicherer als irgendwo anders“, sagt Ludorf.

    Die Wasserstraße MainFast 400 Kilometer streckt sich die Wasserstraße Main vom Rhein bis an die Donau. Schon seit Jahrzehnten wird sie immer weiter ausgebaut und an die Bedürfnisse der modernen Schifffahrt angepasst. Neue Pläne des Wasserstraßen-Neubauamtes Aschaffenburg sehen eine Vertiefung auf 2,9 Meter und eine Verbreiterung auf bis zu 40 Meter vor. Quelle: WSA Main/Archiv

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