Anfang des Jahres war in den Amtlichen Anzeigen in der Main-Post zu lesen: Der Bio-Bauernhof in der Brückenstraße in Himmelstadt soll im Wege einer Zwangsvollstreckung versteigert werden. Wolfgang Seidel ist Besitzer und Bewohner des rund 26 900 Quadratmeter großen Grundstücks samt Gebäuden. Er möchte die Zwangsversteigerung mit allen Mitteln verhindern. Bis Ende Februar hat er dazu noch Zeit, dann ist der Termin.
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Schuld ist eigentlich die Vogelgrippe. Wolfgang Seidel erzählt: In den 60er Jahren kamen seine Eltern als Vertriebene – die Mutter stammt aus Ostpreußen, sein Vater aus Aussig im Erzgebirge – nach Himmelstadt. Als Wolfgang Seidel zwei Jahre alt ist, zieht die Familie in das neu gebaute Haus auf dem Anwesen in der Brückenstraße. In den nächsten Jahren bauen die Eltern Schritt für Schritt den Bauernhof mit Ställen, Maschinenhalle, Ackerland und Gewächshäusern auf.
„Angefangen haben meine Eltern mit Obst, dann kamen die Hühner“, erzählt Wolfgang Seidel. Er lernt selbst in der Landwirtschaft und übernimmt die Hofführung, als sich die Eltern zurückziehen. 2005 erhalten alle Bio-Bauernhöfe die Auflage, einen Grünauslauf für die Hühner zu schaffen.
Nachfrage nach Geflügel sinkt
Es dauert ein Jahr, bis auch Seidel alle Prozedere durchlaufen hat und der neue Stall steht. Am 14. Februar 2006 werden in Deutschland die ersten Fälle von Vogelgrippe bekannt. In den kommenden Monaten sinkt die Nachfrage nach Eiern und Geflügelfleisch dramatisch. In vielen Ställen werden Tiere vorsichtshalber gekeult.
Auch Wolfgang Seidel bringt seine rund 800 Hühner zum Schlachter, erzählt er. Er hat keine Abnehmer mehr für Eier und Fleisch. „Die Kosten für die tägliche Futterration der Tiere, rund 150 Euro pro Tag, konnte ich mir nicht leisten“, sagt er. Denn wie lange wird es dauern, bis die Verbraucher wieder vergessen? Fünf Wochen? Sechs? Sieben?
Nach dieser Erfahrung erscheint es Wolfgang Seidel zu gefährlich, wieder in den Geflügel-Markt einzusteigen. Er sucht sich andere Standbeine, beginnt Feldgemüse anzubauen und zu vermarkten, arbeitet je nach Bedarf in einem Montage-Team mit und vermietet Gebäudeteile an Gewerbetreibende. Selbst das Wohnhaus teilt er sich mittlerweile mit drei Parteien, die dort zur Miete wohnen. Doch all das reicht nicht aus, um die monatliche Bank-Rate zu stemmen. Rund Dreiviertel des Finanzierungspakets für das Anwesen sind bereits geleistet. Das restliche Viertel ist noch abzuzahlen.
„Ich möchte auf jeden Fall auf dem Hof bleiben“, sagt Wolfgang Seidel. Über Verwandte und Bekannte versucht er derzeit, die fehlende Summe für die weitere Ratenzahlung zusammenzubekommen. Sollte das nicht klappen, will er es über einen Anwalt versuchen. „Ich habe Anrufe von Kanzleien aus ganz Deutschland erhalten“, sagt Seidel. Ihr Angebot: Man könne erwirken, dass die Versteigerung für ein Jahr ausgesetzt wird. „Wir sind gerade dabei zu prüfen, wie seriös die Anbieter sind“, erklärt er. Denn auch die Kanzleien wollen für ihre Dienste Geld.
Nicht zum Schleuderpreis
Sollte Wolfgang Seidel nicht bis zum 23. Februar eine Lösung gefunden haben, wird der Bio-Bauernhof vor dem Würzburger Amtsgericht versteigert. Dazu müssen am ersten Termin mindestens 50 Prozent des sogenannten Verkehrswerts, also des Werts, auf den das Anwesen von einem Gutachter geschätzt wurde, geboten werden. Findet sich an diesem Tag kein Bieter, gibt es einen zweiten Termin. An diesem Tag fällt die Mindestgrenze weg, das Gericht muss allerdings darauf achten, dass das Objekt nicht zum Schleuderpreis weggeht.