Zwei Tage lang tobte der Eisenwahn in Obersinn. Etwa 2500 eingefleischte Metal-Fans, Eisenwahnliebhaber und Spontanbesucher waren angereist, um sich dieses Megaereignis im Sinngrund nicht entgehen zu lassen. Für den musikalischen Höhepunkt war es dem Helferteam um Karl Dill und Johannes Laudenbach gelungen, die brasilianische Band „Sepultura“ zu gewinnen. Trotz des durchwachsenen Wetters und einiger Blessuren, die medizinisch behandelt werden mussten, war die Stimmung gigantisch.
Nach dem Karneval hat sich das Metal-Festival als sechste Jahreszeit in dem 1000 Einwohner großen Dorf fest etabliert. Von den ganz Kleinen angefangen sogar bis zu den Senioren herrscht zwei Tage lang ausgelassene Eisenwahnstimmung. Bunt gemischte gesellige Runden erlebt man nicht nur auf dem Löwersberg, auch im Ort finden sich vor Geschäften und Privathäusern spontan Gruppen zusammen, um den Charme des ländlichen Obersinn und die Gastfreundschaft zu genießen.
Fans aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland waren angereist, um das Megaevent im Sinngrund zu erleben. Darunter auch ein Kanadier, dessen Freundin schon das begehrte Festivalticket ergattert hatte. „Da hatte ich keine Wahl: Ich musste mit“, scherzt er auf Englisch, während er am Marktplatz mit Freunden aus der Pfalz eine Obersinner Spezialität, den „Roten Tod“ (ein Brombeerlikör), verkostet.
Noch spontaner fand eine Zugreisende den Weg zum Festival: Auf ihrer Bahnfahrt Richtung Fulda hatten sie Festivalbesucher überredet, mit ihnen auf den Eisenwahn zu gehen. Ohne lange zu überlegen machte sie über das Wochenende kurzfristig Halt in Obersinn.
Wie schon in den Vorjahren waren die Eisenwahnler auch dieses Jahr freigebig und freizügig. Getränke, Zigaretten, Bratwürste und Hamburger wurden gerne geteilt. So auch die Leidenschaft für harte Metalbeats, die treibende Kraft des Eisenwahns. Eine Besuchergruppe im Alter von 30 Jahren aus dem Raum Aschaffenburg ist von der Band „Benediction“ so begeistert, dass sie ihr schon seit 1993 hinterher reist und nun nach Obersinn auf den Eisenwahn folgte. Besonders der unveränderte Metalsound der 90er Jahre, den die Band über die Zeit beibehalten hat, begeistern die eingefleischten Fans. Zur Unterstützung hat sich einer von ihnen mit einem echten Schweinebein ausgestattet, welches er beim Feiern vor der Bühne triumphierend gen Himmel reckt.
Die deutsche Band „Die grauen Herren“ bewiesen nach ihrem Auftritt abends auf dem Campingplatz noch einmal wahre Publikumsnähe und spielten einige bekannte Popsongs wie „I'm Yours“ von Jason Mraz. Unplugged mit einer Gitarre und einer Basedrum ließen sie sich zusammen mit tanzenden Fans ablichten, beantworteten viele Fragen, gaben Autogramme und erzählten jedem gerne ihre einzigartige Entstehungsgeschichte:
„Da hatte ich keine Wahl: Ich musste mit.“
Ein Kanadier beim Eisenwahn-Festival
Wir schreiben das Jahr 2008. Die Band „Jack Slater“ spielt auf Wacken. Nach ihrem Auftritt langweilt sich der Drummer Simon, trifft einige Bekannte und beginnt zusammen mit ihnen vor den Toiletten Musikinstrumente aufzubauen. Kurz nachdem der bunt gemischte Trupp begonnen hat zu musizieren, versammelt sich eine Gruppe Schaulustiger und bejubelt das spontane Konzert – „Die grauen Herren“ waren geboren. Seitdem wechselt die Besetzung je nach Anwesenheit; auf dem Eisenwahn gaben sie ihr vorerst letztes Konzert.
Am Samstagmorgen ist die Stimmung auf dem Campingplatz trotz Nieselregen, Wind und Wespenplage gigantisch. Fans aus Gießen, deren Auto nach einer Panne am Donnerstag vom Abschleppdienst in Obersinn abgestellt wurde, schwärmen von den netten Bewohnern Obersinns und der Eisenwahncrew.
Eine Gruppe Heidelberger ist bereits das vierte Mal in Obersinn dabei. Gerade weil das Gelände so überschaubar, die Mitarbeiter freundlich und die Bandauswahl jedes Jahr aufs Neue ansprechend ist, fühlen sich die Heidelberger, wie auch viele andere Metaler heimisch und nehmen den weiten Weg in den Sinngrund gerne auf sich. Die meisten pflegen mittlerweile Festivalbekanntschaften und man trifft sich jährlich wieder auf dem Campingplatz in Obersinn. Es wird zusammen gekocht, gegrillt, getrunken und viel gelacht.
Der absolute Renner auf dem Campingplatz war dieses Jahr das Festivalspiel „Frankyball“. Das Spielfeld besteht aus einer Getränkeflasche in der Mitte. Daneben befinden sich rechts und links im Abstand von jeweils einem Meter eine gefüllte Getränkedose. Das Feld wird von zwei Spielern betreten. Sobald es einem der Kontrahenten gelingt, die Flasche in der Mitte mit einem Ball umzuwerfen, muss der andere Spieler einen Schluck aus seiner Dose trinken. Der Spieler dessen Dose zuerst leer ist, hat verloren.
Eine Gruppe Fans aus hessischen Nachbardörfern entschloss sich kurzerhand, Powermetal für Zwischendurch zu kreieren. Ausgerüstet mit einer Akustikgitarre und einem Straßenbauhütchen als Mikrofon, begannen sie unter ihrem Pavillon viele bekannte Songs zum Besten zu geben.
Eine andere Gruppe Camper baute sich zum Zeitvertreib vor den Konzerten ein vierbeiniges, etwa einen Meter hohes Tier aus Getränkedosen. Stolz präsentierten sie ihr „Bambi“ vor der Kamera. Auch sie sind schon oft nach Obersinn gepilgert und lassen sich vom Wetter nicht beeinflussen. Selbst Temperaturen von 12 Grad und Nieselregen vermag die unverwechselbare Stimmung auf dem Gelände und die Konzerte nicht verderben.
Während einerseits im achten Jahr Vieles sehr routiniert abläuft, wächst die Stimmung hingegen immer noch. Durchwegs loben Besucher und Musiker die perfekte Logistik und den Ablauf. Sogar die seit 1984 bestehende Metal-Band „Sepultura“ bescheinigt den Verantwortlichen eine gute Organisation.
Am Rande gab es allerdings für die Rettungssanitäter vor Ort in diesem Jahr einiges zu tun. Mindestens 30 Wespenstiche zählte Richard Schneider, Bereitschaftsleiter beim Deutschen Roten Kreuz. Der Rettungswagen war mehrfach im Einsatz und ein Allergiker musste sogar vom Notarzt versorgt werden, der mit dem Rettungshubschrauber eingeflogen wurde.
Auf den Punkt brachte es eine Besuchergruppe am Samstagabend auf dem Weg zurück zum Campingplatz mit dem Ruf: „Bis zum nächsten Jahr, Eisenwahn!“
• Bericht im auch Kulturteil Seite 13
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Weitere Informationen unter www.eisenwahn.com