Der traditionsreiche Braun-Standort Marktheidenfeld hat sich vor knapp zwei Jahren gespalten. Im Werk am Äußeren Ring, das zum US-Konzern Procter & Gamble gehört, werden nur noch die rotierenden elektrischen Zahnbürsten gefertigt. Für die Haushaltsgeräteproduktion ist inzwischen der italienische Lizenznehmer De'Longhi verantwortlich. Er lässt im Gewerbegebiet auf dem Dillberg die Hightech-Motoren für seine Küchengeräte bauen. Die Montage der Braun-Produkte selbst ist in Betriebe im Ausland ausgelagert.
Um zu erklären, warum es „Braun vielfach gibt und eigentlich gar nicht mehr“, führte Jörg Roggensack, Standortleiter von De'Longhi Braun Marktheidenfeld, die Stadträte unter Führung von Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder am Freitag durch seine beiden Betriebsstandorte.
Im April 2012, erläuterte Roggensack, habe P&G die Lizenz zur Herstellung von Braun-Haushaltsgeräten für rund 170 Millionen Euro an den Konzern De'Longhi verkauft. In der Folge wechselten 90 Braunianer von der US- zur neuen italienischen Mutter. In Marktheidenfeld waren 74 Mitarbeiter davon betroffen.
„Die Menschen, die hier am Standort mit Braun groß geworden sind, lieben Braun.“
Jörg Roggensack Standortleiter De'Longhi Braun
„Die Menschen, die hier am Standort mit Braun groß geworden sind, lieben Braun“, sagte Roggensack über die Beschäftigten, die im Schnitt 17 Jahre Betriebszugehörigkeit aufweisen und mit Stolz für die deutsche Traditionsmarke arbeiten.
Inzwischen sitzen die für die Produktion in den externen Partnerbetrieben zuständigen Mitarbeiter in gemieteten Räumen in der Max-Braun-Straße in Altfeld. Dort ist auch das zentrale Prüflabor für alle Haushaltsgeräte untergebracht. Während die De'Longhi-Braun-Zentrale in Neu-Isenburg neue Produkte entwickelt, sorgen die Marktheidenfelder dafür, dass die Herstellung in den externen Werken nach deutschen Vorgaben und Qualitätsstandards vonstatten geht. Die oft noch stark von Handarbeit geprägte Montage ist in Länder mit günstigerem Lohnniveau vergeben worden. Roggensack formulierte eleganter: „In Marktheidenfeld war dafür kein Platz mehr.“
Was die hohen Lohnkosten in Deutschland noch rechtfertigt, ist die Motorenproduktion im Marktheidenfelder Gewerbegebiet auf dem Dillberg. Auch dort ist De'Longhi Braun nur Mieter. Die Werkshallen gehören der benachbarten Firma Fenster Paul.
„Mit hoher Präzision und in herausragender Qualität“, erklärte Produktionsleiter Dieter Kasamas, werden die rotierenden Motoren, wie sie zum Beispiel in Handmixern und Küchenmaschinen eingebaut werden, angefertigt. Die Herstellung verlange viel Fingerspitzengefühl. „Braun lebt davon, schneller zu sein oder etwas anders zu machen als alle anderen“, brachte es Standortleiter Roggensack auf den Punkt.
Herzstück der Motorenproduktion ist der Rotor, der den Motor in Kreiselbewegung versetzt, wie Kasamas den Stadträten vor Ort zeigte. Der Motor sei oft kopiert, aber in seiner Perfektion nie erreicht worden, obwohl die Fertigung zum Teil auf 30 Jahre alten Anlagen läuft. Doch Kasamas zufolge seien sie noch immer auf der Höhe der Zeit und die Motoren bei Konkurrenten heiß begehrt. Sie würden aber nur in Braun-Geräten verbaut.
Die rund 40 Mitarbeiter auf dem Dillberg, also etwa die Hälfte der De'Longhi-Braun-Belegschaft in Marktheidenfeld, ist zum Teil auch als Service-Techniker in den ausländischen Partnerwerken im Einsatz.
Damit sorgen sie mit dafür, dass Braun-Geräte immer den gleichen Standards entsprechen, unabhängig davon, wo sie letztlich zusammengebaut werden. Und so könnte es nach dem Willen der Beschäftigten noch lange Zeit Haushaltsgeräte mit dem Markennamen Braun geben.
De'Longhi Braun
Die De’Longhi Braun Household GmbH ist Teil der italienischen De’Longhi-Gruppe und führt seit September 2012 das Haushaltsgeschäft der Marke Braun.
De’Longhi mit Sitz in Treviso bei Venedig gehört zu den führenden Unternehmen der Haushaltsgeräteindustrie. Das börsennotierte Unternehmen mit weltweit etwa 5800 Mitarbeitern vereint unter seinem Dach die Marken De’Longhi, Kenwood und Braun, exportiert über Tochterfirmen seine Produkte in mehr als 100 Länder und erwirtschaftete 2013 einen Umsatz von 1,63 Milliarden Euro. Das Sortiment umfasst Hunderte von Artikeln – von der Espressomaschine über Bodenpflege- bis zu Klimageräten.
In Deutschland beschäftigt das Unternehmen mehr als 250 Mitarbeiter, davon 75 in Marktheidenfeld. Die Zentrale der De'Longhi Braun Houshold GmbH ist in Neu-Isenburg, wo sich der Bereich für Entwicklung und Design von Braun-Haushaltsgeräten befindet.
In Marktheidenfeld auf dem Dillberg werden seit 1999 Motoren für Braun-Haushaltsgeräte hergestellt. 2013 bezog der Planungs- und Logistikbereich der Haushaltsproduktion in Europa neue Räume in Altfeld. Dort befindet sich das zentrale Prüflabor. Bügeleisen müssen zum Beispiel eine Strecke von 350 Kilometern ohne Fehlfunktion zurücklegen, Wasserkocher mehr als 10 000 Liter Wasser aufkochen und Stabmixer 100 Portionen Teig kneten.